© AP/Hasan Sarbakhshian, Ajatollah Ali Chamenei

Iran: Revolutionsgarden warnen Blogger

NETZ
17.06.2009

Die iranische Elite-Militärorganisation Revolutionsgarden (Pasdaran), die unmittelbar Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei untersteht, hat iranische Online-Medien und Blogger davor gewarnt, Material ins Netz zu stellen, das "Spannungen erzeugen" könne. Der Microblogging-Dienst Twitter, über den viele Iraner kommunizieren, wies einen Bericht über Einflussnahme des US-Außenministeriums zurück.

Die Pasdaran haben laut der US-Nachrichtenagentur AP am Mittwoch über die Regierungsmedien ein hartes Vorgehen gegen Blogger und Online-Medien angekündigt. Bezeichnenderweise ist das die erste offizielle Äußerung der Organisation seit Beginn der Auseinandersetzungen über das Wahlergebnis. Die Revolutionsgarden unterstehen unmittelbar Chamenei.

In der Mitteilung der Revolutionsgarden heißt es, dass iranische Websites und Blogs sofort jedwedes Medienmaterial aus ihren Angeboten entfernen müssten, das "Spannung erzeugen" könne. Andernfalls müssten sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.

Twitter und das US-Außenministerium

Der US-amerikanische Microblogging-Dienst Twitter, über den viele Iraner die schweren Konflikte nach der Präsidentschaftswahl debattieren, pocht unterdessen auf seine Unabhängigkeit: Die Verschiebung von Wartungsarbeiten inmitten der dramatischen Ereignisse im Iran sei nicht auf Bitten der US-Regierung erfolgt, teilte Twitter-Mitbegründer Biz Stone am Dienstag mit.

Das US-Außenministerium hatte zuvor mitgeteilt, Twitter um die Verschiebung gebeten zu haben, damit iranische Regierungsgegner weiter über die Plattform kommunizieren können. Twitter sei einer der wenigen Kommunikationskanäle, über die Iraner Neuigkeiten austauschen könnten. Deswegen habe das Ministerium eingegriffen, als Twitter für Montagabend eine einstündige Abschaltung für Wartungsangaben angekündigt hatte.

Wartungsarbeiten beendet

Laut Stone habe der Dienst zusammen mit seinem Provider selbst entschieden, dass wegen der derzeitigen Bedeutung von Twitter im Iran eine Unterbrechung zunächst schlecht gewesen wäre. Es sei sinnvoll für Twitter gewesen, die Dienste während dieser von aller Welt verfolgten Demonstrationen aufrechtzuerhalten, sagte Stone weiter.

Er fügte hinzu, es sei sehr schmeichelhaft zu glauben, dass der gerade zwei Jahre alte Dienst von Twitter auch in den Augen der US-Regierung eine solche Bedeutung habe. "Dennoch ist es wichtig festzustellen, dass das US-Außenministerium keinen Einfluss auf unsere Entscheidungen hat", so Stone weiter. Die Wartungsarbeiten wurden inzwischen durchgeführt, der Dienst wurde dafür am späten Dienstagabend (MESZ) für eine Stunde heruntergefahren.

Iraner gegen Netzzensur

Wie der öffentlich-rechtliche britische Sender BBC berichtet, hat die iranische Regierung den Zugriff auf den Videodienst YouTube und das Soziale Netzwerk Facebook gesperrt. Laut YouTube ist der Datenverkehr aus dem Iran auf das Portal seither auf lediglich ein Zehntel des üblichen Volumens zusammengeschmolzen. Viele Iraner würden allerdings die Sperren durch Nutzung ausländischer Proxy-Server umgehen.

Auch das Mobilfunknetz wurde von der Regierung am Dienstagabend gestört vermutlich um die Kommunikation zwischen den regierungskritischen Demonstranten zu unterbinden. Außerdem verfügen Microblogging-Dienste wie Twitter über Schnittstellen, durch die sich auch bei Netzsperren Kurznachrichten im Web publizieren lassen.

Einschränkungen journalistischer Arbeit

Ausländische Medien und deren iranischen Angestellte dürfen seit Dienstag nicht mehr aus den Straßen Teherans berichten, sondern können de facto nur noch aus dem Büro arbeiten und zum Beispiel Telefoninterviews führen. Die Massenproteste im ganzen Land nach der umstrittenen Präsidentenwahl vom Freitag sollen offenbar ohne Zeugen stattfinden. Doch der Nachrichtensender CNN beispielsweise machte aus der Not eine Tugend. Der Sender zeigte Bilder, die von Iranern über Facebook und Twitter ins Netz gestellt wurden.

Angesichts der Regierungsauflagen müsse man "Kreativität" walten lassen, erklärte CNN. Der Sender betonte allerdings auch, dass eine unabhängige Überprüfung des Materials oft nicht möglich ist, da die Beiträge anonym gepostet werden. CNN-Reporterin Christiane Amanpour rief unterdessen in ihrem Facebook-Account dazu auf, Video-Beiträge aus dem Iran direkt nach London zu schicken. Zudem appellierte sie an Twitter-Nutzer in anderen Ländern, ihre Einstellungen so zu ändern, dass sie als iranische Nutzer wahrgenommen werden. Damit soll es den Behörden schwieriger gemacht werden, Iraner herauszufiltern und zu verfolgen.

Gewalt gegen Bürgerjournalisten

Gegen inländische Blogger und Journalisten geht die Regierung laut Reporter ohne Grenzen (ROG) bereits drastisch vor. Mindestens zehn Journalisten seien jüngst festgenommen worden. "Wir sind sehr besorgt", sagte ROG-Generalsekretär Jean-Francois Julliard. Auch Demonstranten, die mit Mobiltelefonen Fotos machten, wurden festgenommen, wie ROG und Augenzeugen im Iran erklärten.

Von den strengen Auflagen der Regierung waren auch die internationalen Nachrichtenagenturen betroffen. Die Berichterstattung sei ohne die Möglichkeit, vor Ort Bilder und Videos aufnehmen zu können, stark eingeschränkt, erklärte AP-Chefredakteurin Kathleen Carroll. Die in London ansässige Nachrichtenagentur Reuters versah alle ihre Texte mit einem Redaktionshinweis, der auf die strikten Auflagen der Regierung hinwies.

(AFP/AP/futurezone)