Ignoranz und Hausverstand für Roboter
Mit "ZaDeAt" tritt ein weiteres Team mit österreichischer Beteiligung in der Standard Platform League (SPL) der Weltmeisterschaft im Roboterfußball an. "ZaDeAt" geht es vor allem darum, robuste Systeme und Roboter mit Hausverstand zu bauen. Der pragmatische Roboter der Zukunft soll sich nicht von störenden Umwelteinflüssen ablenken lassen.
"Wir wollen Roboter bauen, die einfach ihren Job machen und sich von eigenen Unzulänglichkeiten und störenden Einflüssen aus dem Umfeld auch nicht davon abhalten lassen", beschreibt Gerald Steinbauer den Fokus von "ZaDeAt".
Gerald Steinbauer hat "ZaDeAt" 2008 gemeinsam mit Alexander Ferrein (Uni Aachen) und Anet Potgieter (Uni Kapstadt) gegründet. "ZaDeAt" steht für die drei beteiligten Länder Südafrika (Za, Robotics and Agents Research Lab der Universität Kapstadt), Deutschland (De, Knowledge-Based Systems Group der Universität Aachen) und Österreich (At, Institute for Software Technology der TU Graz).
Steinbauer hatte sich ursprünglich mit Fußballrobotern der Middle Size League befasst und war Gründer und langjähriger Leiter des Teams "Mostly Harmless", bewarb sich aber 2008 gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und Südafrika um die Teilnahme an der Standard Platform League (SPL). "Mein Herz hängt natürlich an der Middle Size League. Mein Forschungsschwerpunkt verschiebt sich aber ein wenig in Richtung Cognitive Robotics, und da ist es einfacher, mit bestehender Hardware zu arbeiten, um die man sich nicht kümmern muss." Es sei auch interessant, mit einem Roboter mit wenigen Ressourcen zu arbeiten und damit trotzdem schlaue Mechanismen zur Entscheidungsfindung ins Laufen bringen zu können: "Das sind die Dinge, die uns momentan interessieren."
In der SPL kommt mit den humanoiden Nao-Robotern eine standardisierte Plattform zum Einsatz. Deren Fähigkeiten sind begrenzt. Do verfügen sie über vergleichweise wenig Rechenkapazität und Speicher, was gerade bei logikbasierten Ansätzen wie jenem des "ZaDeAt"-Teams schnell zu Schwierigkeiten führe, so Steinbauer, da die Berechnung der Algorithmen viel Rechenleistung benötigt. Aufrüsten kann man die Roboter nicht, da die Naos nur so verwendet werden dürfen, wie sie vom französischen Hersteller Aldebaran geliefert werden.
Konstruktion im Gleichgewicht
Zwar würden immer wieder Erkenntnisse aus dem RoboCup zurück- und auch in die Konstruktion der Roboter selbst einfließen, wie die jüngst zusätzlich integrierte zweite Kamera im Kinn, doch insgesamt seien die Möglichkeiten begrenzt: "Für mehr Rechenleistung bräuchte man eine größere Batterie, dann würde auch der Roboter größer, bräuchte wieder mehr Strom - das ist eine Abwärtsspirale. Das andere ist die Baugröße, die Frage, bekommen Sie das alles überhaupt unter, ohne dass im wahrsten Sinne des Wortes der Kopf raucht - denn Sie müssen die von den Prozessoren erzeugte Wärme ja auch abführen."
Ihn persönlich reize der Einsatz von Hardware - im Vergleich zur völlig Software-basierten Simulation League - mehr, so Steinbauer, da die Interaktion mit der Umwelt herausfordernder sei. Zwar müsse man auch immer wieder mit unkooperativer Hardware kämpfen, das eigentliche Hauptproblem der Robotik seien aber ohnedies Ausfälle in der Wissensbasis der Roboter: "Viel öfter als an Hard- oder Software-Defekten scheitert ein Roboter daran, dass seine Informationen über die Umwelt falsch sind, weil er zum Beispiel durch das Rauschen der Sensoren Dinge sieht, die eigentlich gar nicht da sind, oder sich selbst falsch lokalisiert."
Roboter sollen ignorieren lernen
Daher arbeite das Team daran, den Robotern eine Portion Ignoranz beizubringen, so Steinbauer: "Wir Menschen sind in der Lage, Dinge zu ignorieren, die für unsere momentane Aufgabe gerade nicht relevant sind. Die Idee ist, dass der Roboter ebenfalls sagen kann: Ich weiß zwar, diese und jene Information ist falsch, die kann ich aber ignorieren, denn für meine jetzige Aufgabe brauche ich sie gerade nicht. Das heißt, dass er einen Teil seines inkonsistenten Glaubens einfach ignorieren soll und seinen Job trotzdem weitermacht. Man könnte auch Hausverstand dazu sagen."
Zur Erklärung skizziert Steinbauer folgendes Beispiel: "Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein neues Bürogebäude mit 17 Stockwerken, das Sie nicht kennen. Sie selbst sind im 14. Stock, aus irgendeinem Grund wissen Sie aber nicht mehr, dass Sie im 14. sind. Jedes Stockwerk sieht gleich aus. Was tun Sie? Vielleicht aus dem Fenster schauen oder im Stiegenhaus beziehungsweise beim Lift nachsehen, in welchem Stockwerk Sie jetzt wirklich sind. Menschen sind sehr gut darin, mit solchen Dingen umzugehen."
Selbstständige Informationsbeschaffung
Und weiter: "Stellen Sie sich nun vor, Sie sehen einen Ficus, von dem Sie wissen, dass er im 13. Stock steht. Sie sagen, das kann nicht sein, ich bin doch im 14. Stock. Sie werden nun eine Aktion setzen, um Ihr Weltbild wieder geradezurücken. Das möchten wir dem Roboter auch beibringen, dass er sich fehlende Informationen selbst beschaffen kann, wenn er bemerkt, da stimmt etwas nicht."
Hier nun setze die Idee der Ignoranz an: "Zurück zum Ficus: Sie glauben felsenfest, Sie sind im 14. Stock, in Wirklichkeit sind Sie aber im 13. Sie sehen nun den Ficus und schließen daraus, dass er im 14. Stock steht. Jetzt haben Sie zwei widersprüchliche Aussagen, nämlich dass der Ficus im 13. und im 14. Stock steht. Wenn Ihnen der Ficus egal ist, lassen Sie ihn beiseite, wenn Sie aber wissen müssen, in welchem Stockwerk Sie sind, dann wäre es gut, wenn Sie überprüfen, in welchem Stockwerk Sie denn nun wirklich sind."
Wahrnehmungsfehler überprüfen
Die Fähigkeit, unwichtige von wichtigen Dingen zu differenzieren und bei Bedarf zusätzliche Infos einzuholen, sei etwa für Serviceroboter wichtig. Im skizzierten Beispiel könnte der Roboter etwa versuchen, den Ficus zu berühren, um so taktil zu überprüfen, ob seine visuellen Sensoren ihn nicht täuschen. Zudem müsse der Roboter, sobald er erkennt, dass er einen Fehler in der Wahrnehmung hat, auch die Ursache dafür herausfinden, um ihn an der richtigen Stelle korrigieren zu können.
Das sei bei weitem nicht so trivial, wie es im ersten Moment aus menschlicher Sicht vielleicht klinge, so Steinbauer. Denn es gehe auch darum, dass der Roboter zwar genug Informationen über die Welt hat, diese aber auch noch verarbeiten kann: "Wenn ich die ganze Welt modellieren will, kann ich nie mehr schlussfolgern, denn die Berechnungen würden eine zu hohe Anforderung an die Hardware stellen. Das heißt, ich muss so weit hinunter, dass ich es noch berechnen kann. Aber ich muss gleichzeitig genug Daten hineinbringen, damit es vom Detailreichtum noch Sinn ergibt."
Roboterplattform endlich stabil
Jedes Team verfolgt naturgemäß andere Ansätze, um diese und andere Problemstellungen zu lösen. Gemeinsam hätten sie aber, dass sie alle noch relativ am Anfang stehen, so Steinbauer, da die Plattform nun seit einem halben Jahr halbwegs stabil sei und nicht ständig eine Komponente kaputt gehe. Nun gehe es etwa darum, eine ordentliche Bildverarbeitung zu implementieren, da die Qualität der Kameras nicht sehr hoch ist. Zudem sehen die Naos immer nur einen kleinen Ausschnitt des Umfelds. So kann es passieren, dass lange Zeit nicht genug Informationen hereinkommen, um sich ein Weltbild zu konstruieren. Daher schwenken die Roboter guter Teams, die bereits mit Aibos gespielt haben, oft den Kopf, um so möglichst viele visuelle Informationen zu bekommen.
Außerdem bewegen sich die Naos "extrem", sprich: Wenn sie sich bewegen, bewegen sich auch die Kameras immer mit. Das muss bei der Bildverarbeitung einberechnet werden, wobei "ZaDeAt" das über die kinematische Kette, also die Bewegungen vom Fußboden nach oben hin, berechnet. Allerdings fehle dafür ein wichtiger Sensor, nämlich der Drehgeber um die Hochachse. Der Roboter erkennt also auf diesem Weg nicht, wann er sich um die eigene Achse dreht. Hier müsse man sich mit passender Software behelfen und eben mit den verfügbaren Informationen arbeiten.
Aus der "Not" eine Tugend
In Summe mache man schlicht aus der "Not" eine Tugend, so Steinbauer: "Wenn ich es schaffe, auf diesem Roboter ein intelligentes System zu machen, dann kann ich das auch leichter auf ein Handy oder ähnlich ressourcenschwaches System transferieren. Ich kann ja nicht jedes Mal einen Großrechner draufschnallen, nur weil ich nicht in der Lage bin, mir ordentliche Algorithmen zu überlegen."
(futurezone/Nadja Igler)