© Electronic Arts, Fuzo-sim beim Kloentstopfen

"Die Sims 3": Hart an der Realitätsgrenze

TEST
23.06.2009

Was passiert, wenn die futurezone.ORF.at-Redaktion eine digitale WG in der Lebenssimulation "Die Sims 3" gründet? Zuerst gibt es Stress wegen der Bettenzuteilung, dann mit der Arbeit, und schließlich dezimiert ein defekter Geschirrspüler die virtuelle Redaktion. Ein Erlebnisbericht aus einem ziemlich realen digitalen "Lebensalltag".

Samstag, 1.28 Uhr: G. sitzt nach einem ausgiebigen Nachmittagsschlaf an der Küchenbar und isst die vom Frühstück übrig gebliebenen Waffeln. P. schläft, wie der Rest der Crew, tief und fest, er hat allerdings, wie B., vor dem Schlafengehen zu wenig gegessen - beide werden gleich nach dem Aufstehen unter lautem Protest zum Kühlschrank gehen. E. hat vor dem Schlafengehen nicht geduscht und wird bald anfangen, merkwürdig zu riechen. N. muss demnächst aufs WC. Nur C. schläft ganz entspannt.

Das Spiel ist für PC (Windows XP und Vista), MAC (ab10.5.7) sowie Nintendos DS, iPhone und weitere Handyplattformen erhältlich. Auf dem iPhone (Firmware 2.2.1) stürzt das Spiel allerdings ziemlich häufig ab.

Sechs Tage überlebten die Redaktionsmitglieder von futurezone.ORF.at in möglichst getreuer optischer und charakterlicher Nachbildung in der PC-Version von "Die Sims 3", das laut Handbuch "unbegrenzte kreative Möglichkeiten und ungeahnte Momente voller Überraschungen und Unfug" bietet. Noch. Denn wie die Realität ist auch das digitale Leben nicht ohne Gefahren und Hürden.

Erste Hürden beim Hauskauf

Bereits der Anfang war nicht einfach: Mit einem Startkapital von 26.000 Simoleans ging sich nur ein Haus mit einem Doppelbett, einem Einzelbett und einem Badezimmer aus - viel zu wenig für die ganze Truppe. Mit dem restlichen Geld konnten am ersten Tag gerade noch ein Doppelbett sowie eine Dusche und ein WC auf der schnell vergrößerten Terrasse aufgestellt werden. Ein "fuzo-Sim" musste die Nacht auf der Couch verbringen, der Rest schlief in Schichten.

Glücklicherweise freundeten sich P. und N. gleich zu Beginn an und konnten sich so das Bett unter freiem Himmel teilen, denn nur wenn Sims zumindest befreundet sind, können sie ein Bett oder das Badezimmer teilen - was bei der Benützung der Sanitäranlagen auf der Terrasse immer wieder zu heftigen Streitigkeiten und Unmut führte. Daher musste das erste selbst verdiente Geld in je zwei weitere Badezimmer und Schlafzimmer investiert werden. Zudem wurde das Haus insgesamt etwas verbreitert, weil die Sims auch in Version drei die mühsame Angewohnheit haben, einander gegenseitig im Weg zu stehen.

Charakter zeichnet Lebensweg vor

Dieses ungeschickte Verhalten war bereits am zweiten Tag der WG ein Problem: Da alle um 8.00 Uhr ihren Job als Zeitungsjunge/-mädchen (die erste Stufe auf dem Berufsweg Journalist) antreten und damit zeitgleich das Haus verlassen mussten, herrschte auf den Gängen zwischen den diversen Bedürfnisanstalten entsprechendes Gedränge und Chaos. Damit war dann auch der bei Spielstart angezeigte Schwierigkeitsgrad vier erklärt. Überraschenderweise schafften es alle rechtzeitig aus der Tür.

Die Arbeit nahmen die "fuzo-Sims" ihrem Charakter entsprechend mehr oder weniger ernst. Arbeitstier G. arbeitete durchgehend hart, sogar zu Hause. Daher erklomm er auch als Erster die Karriereleiter und war am Ende der ersten Arbeitswoche bereits freiberuflicher Schreiberling. P., B. und auch der nicht ganz so arbeitswütige E. hatten es jeweils zum "automatischen Rechtschreibprüfung-Prüfer" gebracht. N. und C. lieferten weiterhin Zeitungen aus.

N. konnte dafür wie P. beim Kochen einen Fähigkeitspunkt erreichen, der Rest war mit Arbeiten, Essenfassen, Duschen, Aufs-WC-Gehen und Launeaufbessern mehr als ausreichend beschäftigt. Am Ende der zweiten Woche hatten alle ihre Bedürfnisse dann so weit im Griff, so dass sie sich auch anderen Dingen widmen konnten: E. hatte mit Schach seine Logikfähigkeiten ausgebaut, B., ihrem musischen Talent entsprechend, Stufe drei beim Malen erreicht, C. und G. je ihre Geschicklichkeit erhöht - das allerdings nur nach entsprechender Aufforderung.

Mühsamer Weg zu mehr Fähigkeiten

Denn während der Selbsterhaltungstrieb der Sims offenbar ausreichend ausgeprägt ist, und sie daher selten zu verhungern drohen oder sich in die Hose machen, ist der Ausbau ihrer Fähigkeiten weitaus diffiziler, hier sind die Spieler vor dem Bildschirm gefragt. Manche Fähigkeiten, wie die zur Gartenarbeit oder gar die Schreibfähigkeit, sind ohne Eingriff der "höheren Macht" an der Maus nicht ausbaufähig. Diese war zwar grundsätzlich dazu angehalten, möglichst wenig ins Spiel einzugreifen, musste aber zum Beispiel immer wieder das scheinbar nicht autonom funktionierende Bezahlen der Rechnungen forcieren. In einem anderen Spiel bekamen die Sims prompt Besuch vom Gerichtsvollzieher - und waren anschließend tagelang frustriert, weil sie gepfändet wurden.

Verstopfte WCs und gebrochene Wasserhähne werden von den Sims ebenfalls hartnäckig ignoriert - sie wischen lieber die dadurch entstehenden Überschwemmungen auf, als sich mit der Reparatur Geschicklichkeitspunkte zu erarbeiten. Auch die "Gelegenheiten", das Abarbeiten diverser Aufgaben mit Zeitlimit, wurden nicht ohne entsprechende Anordnung verfolgt. Diese Gelegenheiten stoppen zudem das Spiel immer wieder, was eine mehr oder weniger dauernde Anwesenheit der "höheren Macht" bedingt, um das Spiel voranzubringen.

Auch sonst zeigten sich die "fuzo-Sims" immer wieder einmal störrisch: Im Laufe der zweiten Woche verweigerten N. und C. aus unerfindlichem Grund die Fahrgemeinschaft zur Arbeit und blieben einfach zu Hause. Nach einigen gezielten Aufforderungen funktionierte es in Woche drei wieder reibungslos. G. forderte ab Woche zwei ein eigenes Bett, nachdem er zuvor noch B. anstandslos neben sich akzeptiert hatte.

Langsam kehrte Alltag ein

Am Ende der vierten Woche hatten sich die "fuzo-Sims" schließlich mehr oder weniger die Karriereleiter hochgearbeitet und es dank ihres mittlerweile nicht zu verachtenden kumulierten Verdienstes zu bescheidenem Reichtum, darunter einem eigenen Swimmingpool im Garten, gebracht. Eine Reinigungskraft sorgte jeden Tag dafür, dass die Betten gemacht, der Kühlschrank von verdorbenem Essen befreit und die Klos geputzt wurden und die "fuzo-Sims" so bei Laune blieben.

Nicht zuletzt mit Hilfe der "höheren Macht" hatten sie inzwischen einige ihrer Fähigkeiten ausgebaut und sich mit der Erledigung von Gelegenheiten ein wenig Zufriedenheit auf Lebenszeit (die dann gegen Lebenszeitbelohnungen, wie der perfekte Gastgeber, eingetauscht werden können) erarbeitet. Die vier bereits vorhandenen Computer wurden zwar vor allem zum Chatten und Spielen benutzt, G., E. und N. hatten nach entsprechender Aufforderung darauf aber auch ein paar Artikel und Bücher verfasst. B. lebte ihr künstlerisches Talent intensiv an der Staffelei aus, G. und E. zogen das Schachspiel vor, wobei G. auch viel las und vor allem arbeitete. N. und P. frönten zur Unterhaltung lieber dem Ballspiel. In die weitläufige Nachbarschaft zog es die "fuzo-Sims" von sich aus nur selten.

Todesursache: Geschirrspüler

Selbst drei Herdbrände hatten die "fuzo-Sims" bereits erfolgreich überlebt - bis schließlich in der Nacht auf Freitag das Unglaubliche und vor allem Unerwartete passierte: B. sollte den wieder einmal defekten Geschirrspüler reparieren und bekam beim ersten Versuch einen Stromschlag. Der zweite Versuch, die Maschine wieder in Gang zu setzen, endete leider mit ihrem Exitus und dem leibhaftigen Besuch des Todes. Das Ereignis stürzte die verbliebenen Sims tagelang in tiefe Trauer - aus Pietät und um nicht noch weitere "fuzo-Sims" zu gefährden, wurde die digitale WG kurz darauf geschlossen.

Der Realität ein Stückchen näher

Abschließend lässt sich sagen, dass die dritte Ausgabe der "Sims" der Realität wieder ein Stückchen näher kommt als die bisherigen Versionen - das Erfüllen der digitalen Bedürfnisse zwischen Küche, Karriere und (sofern vorhanden) Kind ist im Spiel mindestens ebenso so stressig wie in Echtzeit. So schaffte es E. in den vier Wochen zum Beispiel nicht, seinem eigentlichen Lebenswunsch nach einem gepflegten Garten nachzukommen, geschweige denn auch nur eine einzige Pflanze anzubauen - zu sehr war er damit beschäftigt, das für andere Dinge nötige Geld zu verdienen. Allerdings war das Spiel durch die Besetzung mit der ganzen futurezone.ORF.at-Redaktion auch entsprechend schwierig.

Digitaler Arbeitsstress

Die Arbeit und das Verfassen der für den Ausbau der Schreibfähigkeit und damit Karriere nötigen Artikel und Bücher setzten die "fuzo-Sims" unter einigen Stress, dessen Abbau im Anschluss dann kostbare Lebenszeit verbrauchte. Theoretisch hätten sie es zwar auch ruhiger angehen und sich mehr dem Müßiggang widmen können, dann wären allerdings mangels nötigen Kleingelds dringende Bedürfnisse wie das nach einem weiteren Schlafzimmer unerfüllt geblieben. So muss wie im realen Leben auch im Digitalen ständig zwischen Wünschen und Pflichten sorgfältig abgewogen werden, um die Laune der Sims halbwegs im grünen Bereich halten zu können.

Auch die Kinderpflege ist zum großen Teil sehr realitätsnah, selbst wenn das Windelwechseln, durch einen schnellen Dreher in der Luft erledigt, so manche Echtzeitmutter wohl mit Neid erfüllt. In einem parallel zur "fuzo-WG" geführten Spiel nahm das neugeborene Kind den Vater so sehr in Anspruch, dass er keiner Arbeit nachgehen und nur selten das Haus verlassen konnte - was ihn mangels sozialer Kontakte ab und an in den Wahnsinn trieb. Ein Schäferstündchen mit seiner Frau war nur nach minuziöser Planung und der vorherigen Erfüllung aller Kleinkindbedürfnisse möglich.

Stimmiges Spiel mit einigen Abstrichen

Davon abgesehen bietet "Die Sims 3" durchaus neue und auch kreative Möglichkeiten, wie das beliebige Einfärben aller Gegenstände, die nun auch quer gestellt werden können, und die breiten Interaktionsmöglichkeiten mit der Nachbarschaft. Der Sims-Charakter kann über fünf Parameter vordefiniert werden, zudem kann ein Lebensziel, wie erfolgreicher Autor, eingestellt werden. Dafür verbesserte sich die Grafik im Vergleich zum Vorgänger nur unwesentlich, manche der öffentlichen Gebäude, wie Supermarkt und Restaurant, sind für den Spieler, selbst wenn der eigene Sim drin ist, nicht einsehbar, und einige Tätigkeiten müssen aus unerfindlichen Gründen ganz ohne Animationen auskommen, während etwa das Kochen sehr detailliert animiert wurde.

Ein berechtigter Kritikpunkt der Community ist auch, dass es im Spiel selbst relativ wenige neue Objekte gibt, die im Online-Store dafür teuer sind. Hier dürfte Electronic Arts (EA) wie bei den bisherigen "Sims"-Versionen versuchen, mit Add-ons zusätzliche Einnahmen zu generieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit EA hier nachbessern wird und vor allem zu welchem Preis. In Summe ist "Die Sims 3" ein durchaus stimmiges Spiel, revolutionäre Neuerungen gibt es im Vergleich zu den anderen Versionen aber wenige. Für Besitzer von "Die Sims 2" samt aller Add-ons ist die "Die Sims 3" zurzeit daher wahrscheinlich nur mäßig interessant.

(futurezone/Nadja Igler)