Olympus E-P1: Schlanker Reisebegleiter
Mit dem System Micro Four Thirds (MFT) versuchen Panasonic und Olympus, den Markt für Digitalkameras aufzumischen. Die Geräte der neuen Generation sollen kleiner, leichter und weniger kompliziert sein als digitale Spiegelreflexkameras und dabei trotzdem eine hohe Bildqualität liefern. ORF.at sah sich die E-P1 an, die erste Olympus-Kamera des neuen Systems.
Auch die beste Kamera nützt nichts, wenn man sie im entscheidenden Moment nicht dabei hat. Auf die Auswahl einer kompakten Kamera sollte man daher mindestens so viel Sorgfalt verwenden wie bei der Zusammenstellung der Ausrüstung einer digitalen Spiegelreflexkamera (DSLR). Diese Auswahl zu treffen war bisher allerdings nicht einfach. Zwischen den beiden riesigen Angeboten an kompakten Digicams und digitalen Spiegelreflexkameras klaffte ein großes Loch. Es gab lange Zeit keine wirklich kompakte Kamera mit großflächigem Sensor - mit Ausnahme der eher exotischen Sigma-Modelle DP-1 und DP-2.
Ein großer Sensor hat, grob skizziert, zwei Vorteile: Je weniger Pixel sich auf einer Fläche befinden, desto günstiger ist ihr Rauschverhalten, daher sehen Bilder aus DSLRs (großer Sensor) in der Regel wesentlich "sauberer" aus als jene aus kompakten Digicams (kleiner Sensor). Weiterhin erlaubt ein großer Sensor das ästhetische Spiel mit der Schärfentiefe - mit herkömmlichen Kompakt-Digicams gelingt das Freistellen von Bildelementen so gut wie nie, zumal sie meist auch nur lichtschwache Optiken fest eingebaut haben.
Four Thirds
Four Thirds bezeichnet schlicht das Seitenverhältnis des verwendeten Sensors, das auch bei MFT-Systemen bei 4:3 liegt. Die E-P1 lässt sich aber auch so konfigurieren, so dass sie die Bilder im 35-mm-Seitenverhältnis von 3:2 aufnimmt, wobei natürlich etwas Auflösung verloren geht. Für optimale Darstellung auf modernen HD-Displays - die Kamera verfügt über einen HDMI-Ausgang - lässt sich auch 16:9 einstellen.
Zweiter Anlauf mit neuem System
Die japanischen Konzerne Panasonic und Olympus stellten im August 2008 ein System vor, mit dem sie diese Marktlücke schließen wollen: Micro Four Thirds (MFT). Der größte Teil der Technik stammt dabei aus dem 2003 von Olympus und Kodak eingeführten Four-Thirds-System für digitale Spiegelreflexkameras, das zwar mit interessanten Innovationen und exzellenten Optiken aufwarten kann, aber sich gegen die Konkurrenz aus dem APS-C-Lager (Nikon, Canon) nie durchsetzen konnte. MFT-Kameras sollen kompakt sein wie herkömmliche Digicams, mit großen Sensoren und Wechselobjektivsystem, aber eine höhere Bildqualität liefern und flexibler sein.
Mit den ersten beiden MFT-Kameras G1 und GH1 konnte Panasonic eines der wichtigsten Versprechen des neuen Systems nicht halten: Die Kameras gerieten nicht entscheidend kompakter als die herkömmlichen DSLRs der Konkurrenz. Nun hat aber Olympus nach langer Denkpause mit der E-P1 seine erste Interpretation des neuen Standards vorgelegt. Und, das sei vorausgeschickt, sie ist gelungen.
Kompaktes Gehäuse
Das Design des Gehäuses soll, so Olympus, an die kompakten Halbformatkameras der Pen-Reihe aus den 1950er und 1960er Jahren erinnern, die auf einem herkömmlichen 35-mm-Film nur die Hälfte des üblichen Bildfelds belichtet haben und somit auf einer 36er-Rolle 72 Aufnahmen unterbrachten. Da der Formatfaktor des MFT-Systems gegenüber 35-mm-"Vollformat" zwei beträgt - man braucht die Brennweite der Objektive nur zu verdoppeln, um auf deren Bildwinkel im Vollformat zu kommen - ist dieser Hinweis auf die Pen-Reihe nicht nur aus rein gestalterischer Hinsicht stimmig, sondern durchaus auch aus technischer.
Das Gehäuse der E-P1 ist mit den Abmessungen 120,5 x 70 x 35 mm etwa so groß wie das einer klassischen Schraub-Leica. Es ist aus Metall gefertigt und wiegt ohne Objektiv 335g. Mit 17 mm in Pancake-Bauweise passt die E-P1 noch in eine Manteltasche und ist nicht sehr viel größer als etwa eine Canon G10. Mit der zweiten derzeit verfügbaren Olympus-Optik, 14 - 42 mm 1:3,5-5.6 ED allerdings nicht mehr, obwohl diese sich mit einem mechanischen Kniff für den Transport auf die Hälfte der Länge teleskopisch einfahren lässt. Beide Objektive fokussieren mit ihren eingebauten Motoren sehr leise, beinahe lautlos.
Optiken für MFT
Außer den beiden Olympus-Kit-Objektiven lassen sich an der E-P1 auch die MFT-Objektive von Panasonic verwenden. Außer dem Standardzoom bietet Panasonic noch 45 - 200 mmv 1:4,0 - 5,6, ein 14 - 140 mm / F4.0-5.8 und ein 7 - 14 mm / F4.0 an.
Olympus bietet zwei Adapter an, über die der Nutzer Objektive aus anderen Systemen anschließen kann: Einen für Optiken aus dem traditionellen Four-Thirds-Programm und einen für alte manuell scharfzustellende Objektive aus dem OM-System, wobei hier allerdings auf den Formatfaktor zu achten ist. Beim Anschluss von Four-Thirds-Objektiven ist zu berücksichtigen, dass diese den Kontrast-AF der MFT-Kameras unterstützen, ansonsten muss der Nutzer auch diese manuell fokussieren. Panasonic pflegt eine Liste, aus der ersichtlich ist, welche Four-Thirds-Objektive Kontrast-AF unterstützen.
Panasonic stellte im Mai zwei Adapter für Leica-Objektive der M- bzw. R-Serie an MFT vor. Auch hier ist freilich der Formatfaktor zu beachten - ein 50-mm-Objektiv hat am MFT-Gerät die Bildwirkung eines 100-mm-Objektiv.
Zoom und Festbrennweite
Im Gegensatz zur Kamera selbst fühlen sich die beiden MFT-Optiken von Olympus eher billig an. Der Bajonettanschluss ist zwar noch aus Metall, der Rest aber besteht aus Plastik. Beim ersten Kontakt ist man zwar leicht enttäuscht, allerdings sind die Optiken durch die Verwendung von Kunststoff auch wesentlich leichter, als wenn man sie aus Metall gefertigt hätte. Im Einsatzbereich der E-P1 ist das wichtig. Insgesamt macht die Kamera mit der 17-mm-Festbrennweite einen besseren Eindruck, auch was die Bildqualität angeht. Der Mechanismus zum Einfahren des Zooms ist zwar interessant, in der Praxis aber meldete die Kamera zuweilen auch bei ausgefahrener Optik, dass das Objektiv gesperrt sei und wieder neu angesetzt werden müsse.
Bei der Vorstellung der E-P1 Ende Juni hat der verantwortliche Olympus-Entwicklungsleiter Akira Watanabe angedeutet, dass die Firma sicher weitere MFT-Zooms entwickeln werde und derzeit überlege, noch weitere kompakte Festbrennweiten anzubieten. Er sollte diese Überlegungen beenden und zum 17-mm- noch ein 25-mm-, ein 35-mm-Objektiv und dazu ein extremes Weitwinkelobjektiv im Kompaktformat herstellen lassen. Nur mit Festbrennweiten sind MFT-Kameras kompakt genug und können ihre ökologische Nische sinnvoll ausfüllen - nicht zuletzt lassen sich Spiele mit der Schärfentiefe nur mit lichtstarken Optiken verwirklichen.
Die Bedienelemente
Zum 17-mm-Objektiv liefert Olympus noch kostenlos einen optischen Sucher mit, der sich in den Blitzschuh einstecken lässt. Verzichtet der Fotograf darauf, muss er sich auf den nicht schwenkbar eingebauten 3"-Monitor mit 230.000 Bildpunkten verlassen. Dieser ist zwar groß und hochauflösend, bei sehr hellem Sonnenschein aber außerhalb des idealen Einblickwinkels nur noch schwer ablesbar - eine der wenigen Schwächen der Kamera. Die Bedienelemente sind gut platziert - im Gegensatz zu den meisten Einsteiger-DSLRs bietet die E-P1 sogar zwei elektronische Einstellräder, wobei eins in Daumenposition und eines in Canon-Manier als Rad rund um den Vierwegecontroller für die Menüeinstellungen angebracht ist.
Beide Räder lassen sich je nach Wunsch des Fotografen mit diversen Funktionen belegen, im P-Modus lässt sich mit dem Daumenrad beispielsweise das Programm shiften. Für die Belichtungskorrektur gibt es eine eigene Taste, auch AF-Modus, Weißabgleich und ISO-Einstellungen sind mit einem Knopfdruck zu erreichen. Über die "Infotaste" lässt sich die Anzeige auf dem Bildschirm konfigurieren, neben den üblichen Parametern für die Belichtung lassen sich auch ein Livehistogramm und ein Fadenkreuz einblenden. Ein besonderes Extra ist die aus der Olympus-DSLR E-30 bekannte virtuelle Wasserwaage, mit der sich die Kamera schnell und einfach horizontal ausrichten lässt.
Autofocus und Einsatzbereitschaft
Wie von Olympus gewohnt, führt die Kamera beim Einschalten einen Reinigungsvorgang des Sensors durch. Dieser ist bei der E-P1 besonders wichtig, da der Sensor, ohne von einem Spiegel geschützt zu sein, direkt offen hinter dem Objektivanschluss liegt. Andererseits verzögert der nicht durch den User abschaltbare Reinigungsvorgang die Bereitschaft der Kamera um gut zwei Sekunden - in der Street Photography, einem der wichtigsten Einsatzbereiche der E-P1, kann das eine Ewigkeit sein.
Auch der AF bremst den Fotografen zuweilen aus. Für einen Kontrastautofocus ist das System zwar sehr schnell - etwa so schnell wie das der Canon G9/G10 - aber wenn ein Bild misslingt, dann hauptsächlich deshalb, weil der Autofocus zu lange braucht, um sein Ziel zu finden. Die Auslösepriorität vom AF zu entkoppeln und sich mit dem manuellen Fokussieren zu behelfen, bringt hier auch nichts, weil der elektronische Scharfstellring nicht mechanisch gekoppelt ist, sich daher ringsrum frei drehen lässt und nicht über eine Entfernungsskala verfügt.
Schnelle Datenverarbeitung
Hat der AF sein Ziel gefunden, geht die Kamera aber zügig zur Sache. Beim Auslösen ist die E-P1 so schnell wie eine moderne Spiegelreflex. Auch RAW-Dateien (zwölf Bit, 14 MB) packt das Gerät mit hoher Geschwindigkeit weg, die Olympus-Angabe von drei Bildern pro Sekunde ist nicht übertrieben, der Buffer fasst zehn RAW-Dateien. Wie bei einer DSLR lassen sich die Aufnahmen auch simultan als RAW und JPEG - bei Letzteren sogar in verschiedenen Kompressionsstufen - auf die SD(HC)-Karte speichern. Hier liegen die Leistungsdaten klar über jenen der Edelkompaktklasse von Digicams und auf Niveau einer Einsteiger-DSLR.
Der elektronisch gesteuerte Schlitzverschluss schafft maximal eine Geschwindigkeit von 1/4000 Sekunde. Die Blitzsynchronisationszeit ist auf 1/180 bzw. im speziellen Super FP-Modus auf 1/4000 spezifiziert. Einen eingebauten Blitz hat die E-P1 nicht, Olympus bietet eines zum Aufstecken an. Das Auslösegeräusch der F-P1 ist deutlich hörbar. Die Kamera ist nicht so leise wie eine Digicam, etwa die G9, aber auch nicht so laut wie eine gut gedämpfte Spiegelreflex. Das Auslösegeräusch stört allerdings nur in sehr, sehr ruhiger Umgebung.
Bildqualität auf DSLR-Niveau
Das Belichtungssystem der E-P1 verfügt außer der Spot- und mittenbetonten Integralmessung auch über ein Mehrfeldmesssystem mit 324 Zonen, das erfreulich zuverlässig arbeitet. Im Test gab es nur in extremsten Situationen ausgefressene weiße Flächen zu sehen. Generell ist die Bildqualität der E-P1 ausgezeichnet. Mag sein, dass der Four-Thirds-Sensor etwas mehr rauscht als ein APS-C-Sensor mit gleicher Auflösung, aber in der Praxis fällt das wesentlich seltener ins Gewicht als beim systematischen Ablichten von Testmotiven. Die Empfindlichkeit lässt sich bis ISO 6400 einstellen, das Bildrauschen stört, je nach Motiv, ab ISO 1600. Wer die ISO-Automatik auf 200 - 800 einstellt, ist in den allermeisten Alltagssituationen auf der sicheren Seite. Dabei hilft auch der in die Kamera eingebaute Bildstabilisator.
Auch filmen lässt sich mit der E-P1. Als Auflösungen stehen 1080i und 720p zur Verfügung, für die Nutzung der Videofunktion empfiehlt Olympus den Einsatz von SD(HC)-Karten der Klasse sechs oder höher. Die Kamera verfügt über ein eingebautes Stereomikrofon, ein externes Mikrofon lässt sich nicht anschließen. Der Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 1150 mAh braucht rund zwei Stunden, bis er geladen ist. In der Praxis zeigte die Kamera nach einem Tag intensiver Nutzung noch 50 Prozent verfügbare Akkuladung an.
Fazit
Die Olympus E-P1 ist ein gelungener erster Versuch, so etwas wie einen ernsthaften und bezahlbaren Nachfolger der früher gebräuchlichen kompakten Sucherkameras der Oberklasse für das digitale Zeitalter bereitzustellen. Speziell in Kombination mit der ersten verfügbaren Festbrennweite macht das Fotografieren mit dem Gerät Spaß, es liegt gut in der Hand. Wandert man damit durch die Stadt, kommt man damit schnell in einen angenehmen Motivjäger-Flow, auch auf Presseterminen ist die E-P1 nicht so aufdringlich wie eine Spiegelreflex. Mit den Einschränkungen wie dem vergleichsweise langsamen Systemstart und den Eigenheiten des Autofocus kommt man schnell zurecht.
Auf Reisen passt eine Ausrüstung mit Festbrennweite, Standardzoom und dem langen Panasonic-Zoom komplett in zwei Manteltaschen. Die Bedienung ist so einfach wie die einer Digicam, fortgeschrittene Fotografen finden die wichtigsten Features einer DSLR vor. Für zukünftige Modelle wünscht man sich einen eingebauten Blitz und ein etwas leichteres und kompakteres Gehäuse. Auch einen helleren Bildschirm sollte Olympus im nächsten Modell verbauen. Die Verarbeitung des Standardzooms könnte ebenfalls etwas verbessert werden.
Der Preis von rund 800 Euro für das Set mit Standardzoom oder Festbrennweite bzw. rund 950 Euro für die Kombination aus Gehäuse, Festbrennweite und Standardzoom liegt etwa auf dem Niveau eines Einsteiger-Spiegelreflexpakets von Canon oder Nikon. Angesichts der gebotenen Leistung ist dieser Preis angemessen. Die Olympus E-P1 empfiehlt sich als unaufdringliche Zweitkamera für anspruchsvolle Amateure, die nicht ihre DSLR überallhin mitnehmen, aber trotzdem nicht auf hohe Bildqualität verzichten wollen, sowie für Zeitgenossen, die ihrer Digicam entwachsen sind, aber mit Spiegelreflexkameras nichts anfangen können. Eine echte Konkurrentin hat die E-P1 momentan nicht. Zum Weihnachtsgeschäft soll auch Panasonic eine kompakte MFT-Kamera vorstellen. Weiterhin kündigte der koreanische Konzern Samsung im Frühjahr an, ein eigenes System in Entwicklung zu haben, das ähnliche Vorteile bieten soll wie MFT, allerdings um die größeren APS-C-Sensoren herumkonstruiert sein soll.
(futurezone/Günter Hack)