F: Filesharer sollen kriminalisiert werden
Nachdem das französische Verfassungsgericht das Netzsperrengesetz "Loi HADOPI" in Teilen abgelehnt hat, unternimmt die rechtskonservative Regierung unter verstärktem Druck von Staatspräsident Nicolas Sarkozy einen erneuten Anlauf, das umstrittene Projekt mit der Verfassung und den Menschenrechten vereinbar zu machen. Auch in Deutschland gibt es neuen Streit über Netzsperren.
Die französischen Verfassungsrichter hatten moniert, dass die geplante Abschaltung des Internet-Zugangs ein so tiefer Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Bürger sei, dass diese nur von einem ordentlichen Gericht verfügt werden dürfe, nicht vom Beamtengremium der HADOPI.
Sarkozy hat nun die ihm treu ergebene Kulturministerin Christine Albanel ihres Amtes enthoben. Gleichzeitig nimmt er ihren Nachfolger Frederic Mitterrand aus der Schusslinie, indem er, wie "Le Monde" berichtet, das Dossier HADOPI an Justizministerin Michele Alliot-Marie übergeben hat. Mitterrand solle in den Prozess allerdings weiterhin "eingebunden" sein.
Wechsel des Dossiers
Dieser Wechsel des Dossiers ins Justizministerium ist auch ein Zeichen dafür, dass die Regierung nach dem gescheiterten Versuch der Etablierung para-legalistischer Strukturen nun auf noch mehr Härte und Abschreckung durch das Strafrecht setzt. Die neuen Maßnahmen wurden am Mittwoch im Staatsrat diskutiert und sollen Anfang Juli in der neuen Runde des Ministerrats debattiert werden.
Insgesamt sollen, so das Wirtschaftsblatt "Les Echos", fünf neue Artikel in das Gesetz eingefügt werden. Künftig sollen auf Anweisung der HADOPI, die damit zur reinen Durchreichestelle für Anschuldigungen der Rechteinhaber wird, Schnellgerichte die Filesharer aburteilen, deren Verfahren nicht öffentlich sind.
Den Richtern würden demnach drei Instrumente zur Bestrafung der mutmaßlichen Urheberrechtsverletzer zur Verfügung stehen: die bekannte Kappung des Internet-Anschlusses, wobei der Beschuldigte eine Strafe in Höhe von bis zu 30.000 Euro riskiert, sollte er es wagen, sich bei einem anderen Provider einen Account zu holen. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war vorgesehen, die gesperrten User in eine Schwarze Liste einzutragen - ein Provider, der einen Kunden auf dieser Liste akzeptiert hätte, wäre bestraft worden.
Unlizenzierte Downloads als "Fälschungen"
Weiters können die Richter die Beschuldigten wegen "Fälschung" zu einer Geldstrafe oder zu einer Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren verurteilen. Die Regierung überlege auch die Einführung eines einfachen Bußgelds in Höhe von 1.500 Euro für Beschuldigte (3.000 Euro im Wiederholungsfall). Diese Strafen seien einfacher und schneller durchzusetzen als die Sperrung der Internet-Zugänge und würden wohl auch auf weniger Widerstand seitens der Provider stoßen, so "Le Monde".
Gegenüber "Les Echos" zeigte sich Pascal Negre, Chef von Universal Music France, mit den neuen Vorhaben der Regierung zufrieden: "Das könnte effizient funktionieren. Ab dem Zeitpunkt, ab dem es im Strafrecht steht, kommt der Verstoß in die Strafakte. Das schreckt ab."
Doppelte Bestrafung
Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Guy Bono, Gegner des Netzsperrengesetzes, befürchtet dagegen, dass die Nutzer doppelt bestraft werden könnten: durch die Kappung des Internet-Anschlusses und durch Zahlung eines Bußgelds wegen Fälschung.
Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net bezeichnete in einer Aussendung die neuen Pläne als "noch absurder als die vorherigen". Die Regierung versuche verbissen, den abgeschossenen Gesetzestext zu "patchen".
Problem der digitalen Beweisführung
Jeremie Zimmermann, Sprecher der Organisation, weist auf einen wichtigen Punkt hin: Nun seien zwar ordentliche Gerichte in den Entscheidungsprozess eingebunden, allerdings würden diese ihre Informationen zuallererst von der HADOPI erhalten, die sich ihrerseits auf Daten der Rechteinhaber und -verwerter stütze.
Diese seien "zwangsläufigerweise voller Fehler" und würden auch Unschuldige betreffen. Insgesamt führten die neuen Bestimmungen nur dazu, dass die Maßnahmen teurer würden, so Zimmermann.
Wahlmanöver um "Three Strikes Out"
Unterdessen gibt es auch in Deutschland Streit über Netzsperren bei Verstößen gegen das Urheberrecht. Die Wochenzeitung "Die Zeit" hatte vorab gemeldet, dass im Wahlprogramm der CDU auch ein Passus enthalten sei, nach dem die Partei nach der Wahl Netzsperren-Maßnahmen auf den Weg bringen würde. Ein entsprechendes Dokument tauchte am Mittwoch auch auf der Whistleblower-Website Wikileaks auf.
Auf eine Rückfrage von ORF.at, ob die CDU wirklich "Three Strikes Out" nach französischem Vorbild in Deutschland einführen wolle, wie im Wikileaks-Dokument aufgeführt ist, wollte eine Sprecherin der Partei am Mittwoch nicht antworten und verwies darauf, dass das endgültige Programm erst kommende Woche präsentiert werde.
Man nehme zu unfertigen Dokumenten nicht Stellung, hieß es. Gegenüber der Berliner "Tageszeitung" ("taz") hatte Martina Krogmann (CDU) bestritten, dass die Partei für Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen sei. Man wolle Rechtsverletzungen "effektiv unterbinden", habe aber den Passus über "Three Strikes Out" nach französischem Vorbild gestrichen. "Vorerst", kommentiert die deutsche Bürgerrechtler-Plattform Netzpolitik.org.
(futurezone/Günter Hack)