"Die Hardware kann einem alles versauen"
Der Serviceroboter FLEA ist, anders als sein Name vermuten lassen würde, kein Minibot, sondern misst stattliche 1,3 Meter und ist ein privates Projekt von drei Enthusiasten und ehemaligen Studenten der TU Graz. FLEA kostet so viel wie ein Auto der Golfklasse und wird beim RoboCup in Graz in der Kategorie RoboCup@Home antreten.
In nur einem Jahr haben Joachim Pehserl, seine Frau Petra Korica-Pehserl und Rudolf Rösler die aktuelle Version vom Roboter Friendly Learning Electronic Assistant (FLEA) gebaut. Rösler stieß 2008 zum Team dazu, nachdem die bisherigen Teammitglieder beschlossen hatten, 2009 mit einer ganz neuen Konstruktion beim RoboCup in Graz teilzunehmen.
Pehserl und Korica-Pehserl nahmen bereits 2007 beim RoboCup in Atlanta mit ihrem ersten FLEA teil, damals basierte der Serviceroboter noch auf einer Industrieplattform. Die aktuelle Version entwickelten die drei Teammitglieder nun von Grund auf alleine - und das in ihrer Freizeit, mithilfe von Sponsorengeldern.
"Wir hätten ihn auch aus Holz gebaut"
"Wir hatten Glück, dass wir die Finanzierung noch vor der Wirtschaftskrise über die Bühne gebracht haben", erzählt Pehserl, "alleine die Kosten für die Hardware bewegen sich in der Größenordnung eines Neuwagens aus der Golfklasse (15.000 bis 20.000 Euro). Wobei die Kosten grundsätzlich ins Unermessliche steigen können."
"Wenn wir keine Sponsoren gefunden hätten, hätten wir das Ganze auch aus Holz gebaut", fügt seine Frau lachend hinzu, "wie unseren allerersten Roboter. Damals konnten wir nur Holz verarbeiten, und weil wir nicht warten wollten, haben wir in einer Wochenendaktion eine Kiste zusammengebaut, die dann auch herumgefahren ist. Die Plattform vom Institut ist erst später dazugekommen."
Human Interaction für die Master-Arbeit
Pehserl und Korica-Pehserl studierten an der TU Graz Software-Entwicklung Wirtschaft, Korica-Pehserl schloss ihren Master bereits ab, Pehserl ist gerade dabei. Schon der erste FLEA sei aus Interesse quasi in der Freizeit entstanden: "Uns hat die Robotik schon immer fasziniert, schon seit 2005. Wir haben dann unsere Professoren gefragt, ob es nicht möglich wäre, ihn auch teilweise für unsere Master-Arbeit zu verwenden. Ich habe mich in meiner dann mit Human Interaction beschäftigt", erzählt Korica-Pehserl.
Bis es so weit war, habe es allerdings eine Weile gedauert: "Wir haben fast ein Jahr gebraucht, bis man darauf etwas testen konnte. Es ist irrsinnig komplex. Erst wenn man sich damit wirklich beschäftigt hat, erkennt man, wie hochkomplex wir Menschen sind. Die kleinsten Aufgaben sind bei einem Roboter kompliziert zu bauen und da sieht man erst, was für geniale Wesen wir sind. Das fasziniert mich eigentlich auch an der Robotik, dass es so schwer ist, das alles nachzubauen."
In den Tiefen des "Uncanny Valley"
Die größte Herausforderung sei beim ersten FLEA die Hardware und im Speziellen der Kopf gewesen, so Korica-Pehserl weiter. "Den haben wir wieder einmal in einer Aktion über Weihnachten gebaut. Wir haben ohne irgendein Wissen entschieden, wir wollen das ausprobieren, weil wir uns beide für Psychologie und Human Interaction interessiert haben. Androiden sind eine sehr interessante Form der Robotik, aber unser erster Versuch war nicht so toll, da wir auch von den Kosten her beschränkt waren. Damit das Gesicht halbwegs was gleichschaut, müsste man mehrere Tausend Euro ausgeben, alleine für die Haut."
"Das Problem dabei ist auch, dass man leicht in das 'Uncanny Valley' fällt," fügt ihr Mann hinzu. "Man muss den Sprung schaffen, von dem Punkt, an dem das Ding eine Puppe ist, zu dem Moment, in dem es wie ein Mensch ausschaut. Wenn da ein Detail nicht genau passt, fehlt die Akzeptanz. Das Problem gibt es auch bei Animationsfilmen, da sieht man es oft an den Augen, dass irgendwas nicht stimmt."
Nonverbale Kommunikation als Zukunftsthema
"Und je ähnlicher etwas dem Menschen ist, desto tiefer fällt man in dieses 'Uncanny Valley' hinein", so seine Frau,"ein Roboter, der ausschaut wie ein Roboter, da gibt es das Problem nicht, aber sobald etwas dem Menschen ähnelt, werden wir extrem empfindlich." Etwas anders sei das bei Menschen mit Autismus, hier könnten Roboter über nonverbale Kommunikation etwa autistischen Kindern dabei helfen zu lernen, wie sie reagieren sollen. "Das ist auch eine schöne Anwendung, schließlich will man mit der Robotik auch die breite Masse erreichen und zeigen, was alles möglich ist."
In Zukunft, sind beide überzeugt, sei vor allem die nonverbale Kommunikation mit einem Roboter wichtig, da beim Menschen 80 Prozent der Kommunikation nonverbal ablaufen würden. "Der Roboter muss in der Lage sein, zumindest einen Teil davon zu verstehen", sagt Korica-Pehserl. Auch andere Kommunikationsformen wie Sprache und deren Erkennung seien nicht immer ganz einfach, gerade wenn es wie beim RoboCup viele Hintergrundgeräusche gibt, so Pehserl.
Der zum Zeitpunkt des Interviews völlig dekonstruierte Roboter besteht aus Aluminium und Kunststoff und kann sich mit bis zu einem Meter pro Sekunde bewegen. Das "Hirn" besteht aus mehreren Multicore-Prozessoren, als weitere "Sinnesorgane" kommen unter anderem Infrarot- und Ultraschallsensoren, Laser, ein Mikrofon und mehrere Kameras für die Hindernis-, Gesichts- und Objekterkennung zum Einsatz.
Von Grund auf neu konstruiert
Beim zweiten FLEA verschrieb sich das Team nun ganz der eigenständigen Entwicklung der Hardware, aber auch der Interaktion und Computervision, also Objekterkennung. "Das Ziel war eigentlich, die Plattform so weit zu bringen, so dass das Ding vollautonom von A nach B fahren kann. Das haben wir geschafft, und da sind wir sehr stolz drauf", so Pehserl.
"Dann haben wir uns mit den anderen Dingen beschäftigt, vor allem der Software, denn eigentlich sind wir ja Software-Entwickler. Unser Roboter kann nun zum Beispiel mehrere Objekte in verschiedenen Räumen voneinander unterscheiden." Das geschieht bei FLEA über das Finden bestimmter Merkmale, die er allerdings vorher lernen muss. Lesen wie ein Mensch kann der Roboter nicht, auch wenn das laut Pehserl eine Möglichkeit wäre. Die Interaktion mit dem Menschen erfolgt über Spracherkennung und Sprachsynthese.
Neben Job und Studium
Die aktuelle Version habe nun keinen menschenähnlichen Kopf mehr: "Wir wollten auch mit anderen Interfaces experimentieren. Die Untersuchungen zum Kopf haben wir abgeschlossen, und nun wollen wir uns anderen Dingen widmen, wie eben der Computervision", so Korica-Pehserl. Derzeit gehe es ihnen vor allem darum, die Fähigkeiten des Roboters zu erweitern, gerade in der Objekterkennung: "Der Roboter muss auf seine Umwelt reagieren und sie dazu vor allem erkennen können. Sonst kann man ihn auf die Umwelt nicht loslassen. Und bei uns Menschen passiert halt sehr viel visuell."
Das ganze Projekt zogen die drei Teammitglieder in ihrer Freizeit durch, neben Job und Studium. Pehserl und Korica-Pehserl programmieren meist gemeinsam, wobei einer schreibt und der andere danebensitzt und Input liefert. "Das hat den Vorteil, dass beide immer auf dem aktuellen Stand sind, und man meist auch Fehler vermeiden kann", so Pehserl. Getestet wird die Software dann auf einem Emulator, denn der Roboter selbst steht in Graz, Pehserl und Korica-Pehserl arbeiten in Wien.
Der RoboCup in Graz startet am Montag und läuft bis Sonntag. Futurezone.ORF.at wird aus Graz über die Teilnehmer und die Bewerbe berichten.
"Sind stolz auf unsere Uni"
Das Ziel für den RoboCup sei, dass der Roboter zumindest einen Großteil der Bewerbe bestehe, wie "Who ist Who" (Personen unterscheiden), "Lost and found" (auf Zeit gegen einen anderen Roboter ein bestimmtes Objekt finden) und Personen in einem gewissen Abstand verfolgen. Objekte hochheben kann FLEA allerdings nicht, denn er hat keine funktionstüchtigen Arme, da gute Arme wiederum sehr teuer sind, erklären die beiden.
"Grundsätzlich geht es bei FLEA um die Software, aber die Hardware darf man auch nicht außer Acht lassen, denn die die kann einem alles versauen", sagt Korica-Pehserl. "Wir werden sehen, wie er sich bewährt, vor allem in Echtzeit. Aber eigentlich sind wir schon stolz darauf, dass wir es als privates Team so weit gebracht haben und am RoboCup teilnehmen können. Immerhin kommen 22 Teams von den verschiedensten Universitäten aus der ganzen Welt", fügt ihr Mann hinzu.
"Die Ausbildung an der TU Graz hat viel dazu beigetragen, dass wir das realisieren konnten, dafür sind wir sehr dankbar. Und wir sind auch stolz, dass die TU Graz den RoboCup ausrichtet - wir sind schon sehr gespannt darauf", ergänzt Korica-Pehserl.
(futurezone/Nadja Igler)