Wie The Pirate Bay Geld verdienen will
Am Mittwoch hat die schwedische IT-Firma Global Gaming Factory (GGF) einen Überraschungscoup gelandet und die Website The Pirate Bay (TPB) für 5,5 Millionen Euro gekauft. ORF.at sprach mit Hans Pandeya, dem Geschäftsführer des Unternehmens, über seine Pläne mit dem ehemaligen Flaggschiff der Torrent-Tracker.
ORF.at: Sie haben 5,5 Millionen Euro für The Pirate Bay bezahlt. Was wollen Sie daraus machen?
Pandeya: Wir haben am Mittwoch zweimal zugeschlagen. Wir haben The Pirate Bay gekauft und haben mit Peerialism ein Unternehmen übernommen, das Filesharing auf die nächste Stufe heben will. Mit der neuen Technologie dieses Unternehmens werden wir in der Lage sein, gemeinsam mit der Filesharing-Community neue Einkommensquellen zu erschließen. Auch die Filesharer können dabei Geld verdienen. Das ist das Neue daran. Damit diese Technologie abhebt, ist es notwendig, den dominanten Player zu besitzen. Das ermöglicht uns den Eintritt in den Markt. Dazu haben wir The Pirate Bay übernommen. Nun wollen wir der Technologie ein Upgrade verpassen und die Filesharer an unseren Umsätzen beteiligen.
The Pirate Bay
Mit rund 20 Millionen Nutzern und einer Milliarde Page-Impressions ist die 2004 gegründete schwedische Torrent-Tracker-Site wohl die Größte ihrer Art. Die Musik- und Filmindustrie übt seit langem starken juristischen Druck auf The Pirate Bay aus. Die vier Betreiber wurden im April von einem Stockholmer Gericht in erster Instanz wegen Verletzung des Urheberrechts zu je einem Jahr Haft sowie 2,7 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Gegen das Urteil legten sowohl die Kläger aus der Medienindustrie als auch die Angeklagten Berufung ein. Am Mittwoch verkauften die Betreiber The Pirate Bay überraschend. Die Einnahmen sollen einer Stiftung zugutekommen, die Internet-Projekte entwickeln will.
ORF.at: Sie haben auch angekündigt, die Rechteinhaber an den Einnahmen beteiligen zu wollen.
Pandeya: Ja, denn in einem solchen System können die Content-Anbieter bezahlt werden. Aber die Filesharer werden mehr Geld verdienen, als sie für Musik ausgeben können. Um mit herkömmlichen Modellen von Filesharing konkurrieren zu können, bei denen die Nutzer Inhalte kostenlos herunterladen, müssen wir ihnen etwas bieten, das für sie einen Wert generiert. Das erreichen wir, indem wir die Nutzer mit Filesharing Geld verdienen lassen. Das ist besser als freie Inhalte. Wenn wir das nicht schaffen, werden die Nutzer wohl woanders hingehen.
ORF.at: Wie wird diese neue Technologie konkret aussehen?
Pandeya: Es ist eine Peer-to-Peer-Technologie der nächsten Generation. Damit ist es uns möglich, den Internet-Verkehr zu optimieren. Der Großteil des Internet-Verkehrs wird durch Filesharing generiert. Wir können den Internet-Verkehr für Internet-Anbieter reduzieren. Wir können mit Hilfe der Filesharer auch die Kosten für den Datentransfer verringern. Wir können also den großen Internet-Anbietern helfen, ihre Kosten zu senken. Gemeinsam mit der Filesharing-Community wollen wir auch Speicherplatz anbieten. Wenn Sie 20 Millionen Filesharer haben und jeder von ihnen ein Gigabyte ungenützten Speicherplatz auf seiner Festplatte hat, dann ergibt das eine gigantische "Festplatte" im Internet. Das ist eine weitere Dienstleistung, die wir verkaufen können. Wir müssen dazu auch keine Milliardenbeträge investieren, denn der Speicherplatz ist bereits da, auf den 20 Millionen PCs der Filesharer. Unsere Technologie ermöglicht es uns, diese Kapazitäten zu nutzen.
GGF: Internet-Cafes und Software
Das schwedische Unternehmen Global Gaming Factory (GGF) notiert seit 2006 an der Börse. Neben dem Betrieb von Internet-Cafes bietet GGF auch Software an. Am Mittwoch übernahm die Firma für umgerechnet 5,5 Millionen Euro die Domain der schwedischen Torrent-Tracker-Site The Pirate Bay. Für weitere 9,1 Millionen Euro kaufte GGF den Software-Entwickler Peerialism, der ein auf Peer-to-Peer-Technologie basierendes System zu Datenspeicherung und -transport über das Internet entwickelt hat.
ORF.at: Sie wollen also mit Unternehmen konkurrieren, die Speicherplatz anbieten?
Pandeya: Ja, es gibt viele Unternehmen, die Speicherplatz anbieten. Wir können den Speicherplatz aber billiger anbieten, da wir nicht in Datenzentren investieren müssen. Die Community hilft uns dabei. Wir verwenden die ungenutzen Ressourcen der Nutzer und wollen daraus Erlöse generieren. Die kommen auch den Filesharern zugute, denn durch sie wird das erst möglich. Je mehr Leute also Filesharing nutzen, desto mehr Geld werden sie verdienen. Uns ermöglicht das auch, die Rechteinhaber zu bezahlen.
ORF.at: Ihr Geschäftsmodell basiert also darauf, dass sie die ungenutzten Ressourcen der Filesharer auf dem Markt anbieten?
Pandeya: Ja, wir erschließen gemeinsam mit den Filesharern neue Einnahmequellen. Für die Nutzer von The Pirate Bay wird sich äußerlich nichts verändern. Alles wird so sein wie zuvor. Wir versehen ihre BitTorrent-Clients auf ihren Desktops mit einem Upgrade. Die Filesharer können dann in ihren Clients sehen, wie viel Geld sie verdient haben. Mit diesem Geld können sie für die Inhalte bezahlen, die sie über The Pirate Bay gefunden haben. Es wird ihnen sogar noch Geld übrig bleiben. Das ist also besser als nur der kostenlose Download. Die Filesharer müssen sich nur mit unserem System verbinden und verdienen damit automatisch Geld. Dazu müssen sie eigentlich nur ein Upgrade auf ihrem Client durchführen. Das Upgrade ist rückwärtskompatibel. Den einzigen Unterschied, den die Nutzer bemerken, ist, dass sie ihren Account sehen können, in dem ihr Guthaben verzeichnet ist.
ORF.at: Werden sich die Nutzer ihren Verdienst auch auszahlen lassen können?
Pandeya: Ja, Sie können sich das Geld auch auf ihr Konto überweisen lassen.
ORF.at: Sie wollen auf diese Art mit Internet-Optimierung, Datentransfer und dem Verkauf von Speicherplatz Geld verdienen. Wie sieht es mit Werbung auf The Pirate Bay aus?
Pandeya: Wir werden natürlich auch Werbung verkaufen. Die soll aber nur einen geringen Teil unserer Umsätze ausmachen. Was die Werbung betrifft, sehe ich ein Potenzial von rund 40 Millionen Dollar pro Monat, das wir mit The Pirate Bay verdienen können. Den Großteil unserer Umsätze wollen wir aber mit Speicherplatz und Datentransfer generieren.
ORF.at: Welches Potenzial sehen Sie da? In welchem Bereich bewegen sich ihre Erwartungen?
Pandeya: Genaue Zahlen kann ich derzeit keine nennen, wir müssen unsere Angebote auch an den Bedürfnissen unserer potenziellen Kunden anpassen.
ORF.at: Wann wird es so weit sein?
Pandeya: Wir werden unser Geschäft Anfang August aufnehmen, aber wohl noch ein halbes Jahr bis ein Jahr brauchen, bis wir das Potenzial nutzen können. Wir müssen auch noch die Technologie entsprechend modifizieren.
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ORF.at: Wie viel verdient eigentlich The Pirate Bay heute mit Werbung? Sind Sie mit den Zahlen vertraut?
Pandeya: Heute ist es für The Pirate Bay schwierig. Sie haben aufgrund der rechtlichen Situation keine Verträge mit großen Unternehmen. Wenn die rechtlichen Hürden ausgeräumt sind, gibt es eigentlich keinen Grund, warum The Pirate Bay nicht wie jede andere Seite auch ordentlich Geld verdienen soll.
ORF.at: Sie wollen auch die Rechteinhaber vergüten. Haben Sie schon Gespräche mit Inhalteanbietern geführt?
Pandeya: Wir haben mit verschiedenen Leuten in der Industrie gesprochen. Die Anbieter sind sehr interessiert. Nachdem wir den Deal bekanntgegeben haben, können wir damit beginnen, ernsthaft zu diskutieren. Wir präsentieren den Inhalteanbietern unsere Technologie und versuchen herauszufinden, was die Ansprüche der Rechtinhaber sind. Wir sind auf einem guten Weg. Es wird aber wohl noch einige Zeit dauern.
ORF.at: Sollten die Gespräche scheitern, steht The Pirate Bay dann neuerlich eine Klage ins Haus?
Pandeya: Wir müssen ihnen geben, was sie wollen. Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen und müssen sehr darauf achten, rechtlich einwandfrei vorzugehen und werden uns daher bemühen den Ansprüchen der Inhalteanbieter gerecht zu werden.
(futurezone/Patrick Dax)