© Fotolia/Stephen Coburn, Regale einer Bibliothek

Open Access: "Bildung nicht nur für Eliten"

WISSEN
09.07.2009

Das wissenschaftliche Publikationssystem befindet sich im Umbruch. Die Bibliotheken können sich die teuren Fachzeitschriften nicht mehr leisten, und der schiere Umfang der wissenschaftlichen Textproduktion verlangt nach neuen Ansätzen für Archivierung und Lizenzierung. An österreichischen Universitäten arbeiten Experten daran, Richtlinien für das Publizieren im Internet zu schaffen.

Bisher wurden die Ergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung in der Regel in Fachzeitschriften veröffentlicht, die von privatwirtschaftlich organisierten Verlagen herausgegeben werden. Durch die zunehmende Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Fachgebiete werden immer mehr Zeitschriften gegründet, die von den Bibliotheken für teures Geld abonniert werden müssen - die Rechte verbleiben bei den Fachverlagen.

Zahlreiche Wissenschaftler, Bibliothekare und Forschungsförderungsfonds sind der Ansicht, dass die Ergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung frei im Internet publiziert werden sollten, damit die Gesellschaft die von ihr finanzierten Forschungsergebnisse nicht nochmals zurückkaufen muss. Der Begriff dazu heißt Open Access. Mittlerweile bildeten sich international zahlreiche Ansätze zu Open Access heraus, auch Mischformen zwischen traditionellem und freiem Publizieren gibt es mittlerweile.

In Österreich unterstützt der Wissenschaftsfonds (FWF) das freie Publizieren in den von ihm geförderten Projekten. Seit einem halben Jahr gibt es auch an der Universität Wien eine Expertengruppe, die sich mit dem Thema Open Access beschäftigt. ORF.at sprach mit Brigitte Kromp und Petra Oberhuemer, die sich in der Arbeitsgruppe Open Access engagieren, über die Chancen und Herausforderungen des Projekts.

Zu den Personen:

Brigitte Kromp leitet die Österreichische Zentralbibliothek für Physik, die ein Teil der Universitätsbibliothek Wien ist. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe Open Access der Universität Wien.

Petra Oberhuemer arbeitet am Center for Teaching and Learning der Universität Wien, das für die Profilbildung und Qualitätsentwicklung in der Lehre zuständig ist. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe Open Access der Universität Wien.

ORF.at: Seit wann gibt es die Arbeitsgruppe Open Access an der Universität Wien?

Brigitte Kromp: Sie ist jetzt ungefähr ein halbes Jahr alt.

ORF.at: Was war der Grund dafür, sich mit dem Thema zu befassen?

Petra Oberhuemer: Es war ein Stück weit der Wunsch des Rektorats, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität mit dem Thema befassen und prüfen sollen, inwieweit Open Access für die Uni Wien relevant sein kann.

Kromp: Ausschlaggebend war auch, dass Rektor Georg Winckler als Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz die Berliner Erklärung zur Unterstützung von Open Access unterschrieben hat. Für die Universitätsbibliothek Wien ist Open Access schon seit längerem ein Thema, weil die Open-Access-Initiativen auch als Reaktion auf die ständig steigenden Abonnementpreise für wissenschaftliche Fachzeitschriften entstanden sind. Die nicht weiter hinterfragte Idee, die Arbeiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst im Web zu veröffentlichen, gibt es in der Bibliothekswelt schon relativ lange. Aus diesen Diskussionen und aus der Geschichte der Hochenergiephysik, die mit den Los-Alamos-Preprint-Servern eine Tradition des freien Publizierens im Netz etabliert hat, hat sich diese Open-Access-Idee entwickelt.

ORF.at: Wie weit ist der technische Ausbau schon?

Oberhuemer: Mit dem Digital Asset Management System Phaidra haben wir an der Universitätsbibliothek ein System, das der Verwaltung digitaler Objekte jeglichen Formats dient. Das System ist seit mehr als einem Jahr produktiv, die Universitätsangehörigen nutzen es bereits zur Archivierung. In der Open-Access-Arbeitsgruppe diskutieren wir derzeit darüber, inwieweit sich Phaidra auch dazu eignet, wissenschaftliche Publikationen unter einer Open-Access-Policy verfügbar zu machen. Wir haben an der Universität Wien aber auch eine Forschungsdokumentation und werden uns daher überlegen müssen, wie diese beiden Systeme sinnvoll zusammenspielen können. Es wird aber sicherlich ein Institutional Repository geben, das ausschließlich für die Verwaltung und Archivierung digitaler wissenschaftlicher Publikationen da ist.

ORF.at: Das deutsche Projekt Open-Access.net, das für Interessensgruppen wie Wissenschaftler und Bibliothekare umfassende Informationen zum Thema bereitstellt, soll auch nach Österreich gebracht werden.

Oberhuemer: Die Universität Wien wäre daran interessiert, sich an dieser Plattform zu beteiligen. Auch der FWF, der ja bereits eine Open-Access-Policy entwickelt hat und mit dem es Gespräche darüber gibt, wie man Open Access zu einem an Österreichs Universitäten aktiv wahrgenommenen Thema machen kann, hat Interesse an dieser Initiative. Es wäre schön, könnten wir eine breite, von mehreren Universitäten getragene Beteiligung an Open-Access.net erzielen. Das Projekt Open-Access.net läuft in seiner zweiten Phase, die auf die Internationalisierung der Plattform abzielt, nicht mehr sehr lange. Wir sollten uns daher relativ rasch einbringen.

ORF.at: Wie könnte das aussehen?

Oberhuemer: Für uns wäre wichtig, dass auf dieser Plattform die Österreich-spezifischen Informationen dargestellt werden, zum Beispiel rechtliche Informationen. Damit gäbe es einen zentralen Ort, an den man interessierte Personen verweisen könnte. Auch an der Universität Wien haben wir eine Website zum Thema Open Access. Sie befindet sich noch im Aufbau, bietet aber unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits grundlegende Informationen. Das ist eines der Ergebnisse aus unserer Arbeitsgruppe. Und wir haben auch eine Open-Access-Erstberatung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingerichtet.

ORF.at: Es gibt ja mehrere Varianten von Open Access, man unterscheidet im Wesentlichen zwischen zwei Wegen, die man wählen kann. Gold Road bedeutet beispielsweise, dass der Artikel direkt frei im Netz publiziert wird, während mit dem Begriff Green Road Mischformen aus traditionellem und Open-Access-Publizieren gemeint sind.

Kromp: Die Uni Wien verfolgt beide Ansätze. Im Allgemeinen ist Gold Road so zu verstehen, dass die primäre Publikation in einem Open-Access-Medium stattfindet, zum Beispiel in Public Library of Science (PLOS) oder BioMed Central. Die Universitätsbibliothek ist Mitglied bei BioMed Central. WissenschaftlerInnen der Universität Wien können dort veröffentlichen. Im Moment trägt die Kosten dafür auch noch die Bibliothek. Für die Stärkung der Green Road kann künftig dann das eigene Institutional Repository benützt werden, um Preprints und Postprints der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf verfügbar zu machen.

ORF.at: Bleibt das Thema Finanzierung. Der FWF fördert bereits Open Access. Plant die Universität Wien, auch Wissenschaftler beim Open-Access-Publizieren zu unterstützen, die kein FWF-Projekt haben?

Kromp: Es gibt ja bereits Open-Access-Veröffentlichungen an der Universität Wien. Ich vermute, dass ein Teil davon von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus eigenen Budgets bezahlt wird. Das Publizieren auf BioMed Central wird, wie gesagt, von der Universitätsbibliothek Wien finanziert. Das funktioniert aber nur deshalb, weil wir es hier – noch – mit relativ wenigen Veröffentlichungen zu tun haben. Wenn das explosionsartig zunehmen würde, müsste man sich sicher seitens der Universitätsleitung und der Bibliothek etwas überlegen, weil Open-Access-Kosten schwerer vorauskalkulierbar sind als Abonnementkosten. Bei einem Zeitschriftenabonnement weiß ich in der Regel schon im Herbst vorher, wie viel man im nächsten Jahr dafür bezahlen muss. Bei Open-Access-Veröffentlichungen über BioMed Central haben wir relativ sprunghafte Anstiege. Erstens setzt das Veröffentlichen dort jetzt verstärkt ein, und zweitens haben wir dazu noch kaum Erfahrungswerte. Die Preise, die man zahlen muss, um in Open-Access-Medien veröffentlichen zu dürfen, steigen auch stark. Zusammen mit der erhöhten Publikationstätigkeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind Kostensteigerungen um 100 Prozent pro Jahr durchaus möglich. Für ein Bibliotheksbudget, das fix kalkuliert ist, wird es da schnell unübersichtlich. In Wien haben wir uns dazu entschlossen, erst einmal dabei zu bleiben, andere Universitätsbibliotheken sind aber deshalb schon aus BioMed Central ausgestiegen. Es wird sicher Lösungen für Leute geben, die Open Access publizieren wollen. Wie die genau aussehen, können wir noch nicht sagen.

ORF.at: Wie viel kostet es denn derzeit, in einem OA-Journal zu publizieren?

Kromp: Bei Biomed Central kann ich es Ihnen sagen. Es waren im letzten Jahr sicher nicht mehr als 20 Artikel, die von Angehörigen der Uni Wien dort veröffentlicht worden sind. Die Kosten belaufen sich pro Artikel auf 900 bis 1.100 Euro.

ORF.at: Das sind aber einmalige Kosten.

Kromp: Genau. Bei wissenschaftlichen Verlagen wie Springer, die ebenfalls Open-Access-Modelle anbieten, belaufen sich die Kosten pro Artikel auf rund 2.000 Euro exklusive Steuern. Das bedeutet, WissenschaftlerInnen bzw. Bibliotheken können Artikel freikaufen, müssen aber nicht. Das bringt die Bibliotheken in eine unangenehme Situation. Es kann durchaus passieren, dass wir zuerst für einen einzelnen Artikel zahlen, und in der Zeitschrift, in der der Artikel erschienen ist, aber insgesamt nur zehn Prozent der Artikel frei zugänglich sind. Die restlichen AutorInnen sagen, wir zahlen nicht und publizieren nur traditionell. Dann muss die Bibliothek die Zeitschrift trotzdem kaufen, weil sie diese restlichen 90 Prozent ja auch haben möchte.

ORF.at: Das heißt, man zahlt es erst, und dann muss man auch noch abonnieren?

Kromp: Nicht immer. Die Wissenschaftsverlage bieten auch Hybridmodelle bei der Erwerbung der Zeitschriften an. Fairerweise muss man dazusagen, dass sich bei den Fachverlagen da auch ein Bewusstsein entwickelt hat. Sie diskutieren mit den Bibliotheken über Finanzierungsmodelle, die eine Reduzierung der Zeitschriftenpreise vorsehen, wenn die freigekauften Artikel einen bestimmten Schwellenwert erreicht haben. Der Markt reagiert schon auf diese Probleme, allerdings nur auf Druck des wissenschaftlichen Personals und der Bibliotheken.

ORF.at: Wie verändert sich dann die Arbeit der Bibliotheken?

Oberhuemer: Die verändert sich nicht nur wegen Open Access, sondern wegen der Einführung digitaler Medien generell. Auch konventionell produzierte E-Journals der herkömmlichen Verlage – damit meine ich die nicht Open-Access-Journals – haben die Umstellung im Bibliothekswesen vorangetrieben. Es ist tatsächlich so, dass der Zuwachs an Laufmetern von gedruckten Materialien zurückgehen wird, vielleicht sogar massiv. Aber es wird gerade an Volluniversitäten noch lange Zeit Bereiche geben, in denen man von gedruckten Medien nicht wegkommt. Und es gibt prinzipiell bei E-Journals noch ungelöste Probleme, zum Beispiel die – aus technischer Perspektive gesehene – Sicherstellung der langfristigen Archivierung. Kromp: Im Zuge der Finanzkrise ist mir auch wieder zu Bewusstsein gekommen, dass viele Verlage ja börsennotiert sind. Firmen können heutzutage schnell verschwinden, auch wenn es ihnen gar nicht so schlecht geht. So ein Verlagshaus hat ja Daten, die einen Wert darstellen. Wenn es aber in Schwierigkeiten kommt, existiert zwar der Server mit den Daten, aber vielleicht kann die Anbindung ans Netz nicht mehr bezahlt werden oder es erfolgt eine Übernahme durch eine Firma , die andere Pläne verfolgt. Der Zugriff auf die Daten könnte dann schwierig werden. Außerdem kann die Technik versagen. Dann sind die Daten ganz plötzlich gefährdet. Diese Gefahr besteht allerdings auch bei gedruckten Medien. Auch die Bibliothek von Alexandria ist abgebrannt. Von Publikationen auf Papier gibt es aber in der Regel mehrere Exemplare auf der Welt. Das ist bei den E-Medien so nicht immer gegeben.

ORF.at: Gibt es Strategien, diesen Problemen zu begegnen?

Kromp: Wir versuchen, diese Probleme bei den Vertragsverhandlungen zu berücksichtigen. Folgendes Problem konnte schon gelöst werden: Wenn Printzeitschriften abonniert werden, können die gekauften Exemplare auch dann noch im Regal stehen, wenn das Abonnement beendet wird. Bis vor wenigen Jahren war es im Gegensatz dazu bei den E-Journals so, dass bei Stornierung des Abos der elektronische Zugriff gesperrt wurde und die Bibliotheken gar nichts mehr hatten. Sprich: Es wurde jahrelang für eine elektronische Zeitschrift bezahlt und bei Abbestellung gab es keinerlei Möglichkeit, auf bereits bezahlten Content weiter zuzugreifen. Gegen diese Praktiken der Verlage haben wir uns erfolgreich gewehrt: Mittlerweile haben wir Verträge, die garantieren, dass wir die Daten aus den voll bezahlten Abonnements behalten können. Bei den großen Verlagen sieht es so aus, dass wir die Daten über die Plattformen der Verlage weiter nutzen können. Wenn wir ein Journal abbestellen, dann können wir schon erworbene Jahrgänge auf der Verlagsplattform dauerhaft weiter benutzen. Da gibt es auch Klauseln in den Verträgen, nach denen wir, falls wir gar keine Journals mehr haben sollten, gegen eine Gebühr weiter auf die Daten aus den alten Abonnements zugreifen dürfen. Das ist gesichert. Aber der Unterhalt ist teuer, Daten müssen ständig gepflegt werden. Was passiert, wenn das einem Verlag einmal zu teuer wird? Das bereitet allgemein zwar Kopfzerbrechen, aber es hindert niemanden daran, die E-Journals zu abonnieren. Wir versuchen an der Universitätsbibliothek Wien, doch einen Teil der Fachzeitschriften noch mit gedruckten Ausgaben abzusichern. Wir haben oft Vereinbarungen, nach denen wir sowohl gedruckte Exemplare als auch den Online-Zugang bekommen. Print behalten wir als Sicherungskopie. Das wird aber bereits von den Rektoraten hinterfragt, weil auch der Stellraum Geld kostet. Wir überlegen, ob es ein Konzept einer verteilten Lagerung in Österreich geben könnte, indem die verschiedenen Bibliotheken Publikationen entsprechend ihrer fachlichen Schwerpunktsetzung aufheben und sich dabei gegenseitig ergänzen.

ORF.at: In den letzten Jahren ist die Anzahl der Fachzeitschriften in manchen Forschungsgebieten stark gestiegen. Hat sich die Situation mittlerweile entspannt?

Kromp: Nein, speziell in der Medizin und in den Lebenswissenschaften geht diese Entwicklung rasant weiter. Das ist eine Folge davon, wie Wissenschaft heute betrieben und bewertet wird, wie WissenschaftlerInnen zu ihren Stellen kommen und welche Kriterien sie erfüllen müssen. Die Anzahl und die Bewertung der Publikationen sind dabei sehr wichtig.

ORF.at: Wie viele Fachzeitschriften haben Sie denn derzeit abonniert?

Kromp: Derzeit hat die Universität Wien auf ungefähr 12.000 Journals elektronischen Zugriff, wenn wir die frei im Internet verfügbaren dazurechnen, dann sind es sogar 20.000. Österreich hat gegenüber Deutschland den Nachteil, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in den vergangenen Jahren großzügig den Ankauf von elektronischen Back-Files finanziert hat. Bei Elsevier ist es beispielsweise so, dass man bei Abonnements zurück bis ins Jahr 1995 den Zugriff bekommt. Wenn man Zugriff auf die Daten von vor 1995 haben will, müssen die sogenannten Back-Files zusätzlich erworben werden. Da haben wir in Österreich so gut wie nichts. Es wurden im letzten Jahr Back-Files der Zeitschrift "Nature" eingekauft. Das war eine österreichweite Anstrengung. Für weitere Erwerbungen haben wir aber leider keine zentralen Fördermittel.

ORF.at: Von welchen Summen reden wir da?

Kromp: Wir reden bei den Nationallizenzen in Deutschland bis zum Jahr 2007 von rund 60 Millionen Euro. Für Österreich sind die Summen entsprechend geringer.

ORF.at: Wonach berechnet ein Verlag eigentlich die Höhe der Kosten für ein Abonnement? Nach der Anzahl der Nutzer?

Kromp: Da gibt es verschiedene Ansätze. Was Sie erwähnt haben, ist ein Modell, das sich immer mehr durchsetzt, allerdings nicht nach Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer, sondern nach Anzahl der Full Time Equivalents (Vollzeitäquivalente, FTE) an der Universität. Die Uni Wien ist als große Universität mit 74.000 Studierenden und 6.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schwer belastet. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die E-Journals so viel kosten wie ihre gedruckten Pendants. Manchmal ist die elektronische Version einer Fachzeitschrift um zehn Prozent billiger, was allerdings in Österreich kein Vorteil ist, denn hier zahlen wir auf Printexemplare zehn Prozent Mehrwertsteuer und auf elektronische Abonnements 20 Prozent. Wir sparen da leider nichts. Ein drittes Modell ist das sogenannte Collection-Modell. Dafür benötigt man einen gewissen Grundumsatz bei einem Verlag, dann bietet ihnen der Verlag an: Ihr könnt bei Bezahlung eines zusätzlichen Fixbetrages auf mein ganzes Portfolio zugreifen. Einen solchen Vertrag haben wir an der Uni Wien z. B. mit Elsevier, dort dürfen wir auf alle Fachzeitschriften elektronisch zugreifen. Der Full-Paid-Content unterscheidet sich vom Zugriff über die Collection in der Regel durch die unterschiedlichen Archivrechte.

ORF.at: Was kostet denn so ein Elsevier-Paket im Jahr?

Kromp: So ein Elsevier-Paket kostet uns einschließlich der Printzeitschriften schon sechsstellige Summen. Nicht 900.000 Euro, aber wirklich viel Geld.

ORF.at: Und was kostet ein Journal?

Kromp: Die teuersten Journals finden Sie in der Physik und in der Chemie. Lebenswissenschaften sind etwas günstiger. Wir haben Abos, die 50 Euro im Jahr kosten. Das teuerste Abonnement kostet 15.000 Euro im Jahr. Das ist die ganze Spannbreite.

ORF.at: Welchen Stellenwert hat jetzt Open Access im internationalen Vergleich?

Oberhuemer: Wir unterstützen Open Access aus der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer. Wir wollen, dass die WissenschaftlerInnen kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und Daten haben. Das ist das Ziel. Dahinter steht aber ein Wust aus teilweise ungelösten gesellschaftlichen Fragestellungen. Es ist völlig klar, dass Open-Access-Publizieren auch etwas kostet. Die Probleme erstrecken sich von der Frage, wie man den eigenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das Open-Access-Publizieren ermöglicht und finanziert, bis dahin, wie und ob man Open-Access-Journals selbst ins Leben rufen kann. Ich denke schon, dass, auch wenn man die Diskussionen im europäischen Kontext verfolgt, eine universitäre Institution Open Access unterstützen soll.

Kromp: Universitätsbibliotheken haben auch einen Bildungsauftrag. Sie sind nach wie vor öffentliche Bibliotheken. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass Bildung und Information eigentlich ein allgemein zugängliches Gut sein und nicht nur einer ausgewählten Elite zur Verfügung stehen sollte. Auch aus diesen Gründen sollten wir Open Access unterstützen. Wenn man dann noch über Europa hinausschaut, sieht man auch den Vorteil für Entwicklungsländer, für die es wichtig ist, einen freien Zugang zu Informationen zu erhalten. In der Open-Access-Diskussion kommt aber immer zu kurz, dass nicht nur die Öffentlichkeit und Drittweltländer profitieren, sondern dass es auch eine Industrie gibt, die daraus ihren Nutzen ziehen kann. Bisher hat die Industrie das Publikationssystem durch den Ankauf von Printabos unterstützt. Mit Open Access wird sie aus dieser Pflicht entlassen. Für mich wäre es wichtig, das im Hinterkopf zu behalten, wenn man über Open Access auf einer höheren politischen Ebene diskutiert. Man muss sagen, dass es sich dabei um Material handelt, mit dem auch die Forschungsabteilungen in der Industrie arbeiten. Deswegen muss es von dort auch irgendeinen Beitrag geben.

ORF.at: Welche großen Probleme sehen Sie noch auf nationaler Ebene?

Oberhuemer: Es wäre schon sehr hilfreich, wenn es in Österreich ein politisches Statement für Open Access gäbe. Die Universitätskonferenz wäre ein geeignetes Gremium dafür. Sie sollte ein klares Signal für Open Access aussenden. Das könnte wirklich eine Hebelwirkung erzeugen. Das Thema muss überhaupt erst einmal wahrgenommen werden. Die Debatte über die Chancen und Probleme von Open Access ist in Österreich bisher noch nicht so wahnsinnig weit fortgeschritten.

Kromp: Ich würde mir wünschen, dass sich die Politikerinnen und Politiker ein bisschen mit der Frage beschäftigen: Welchen Beitrag können die Unternehmen zur Finanzierung des Open-Access-Modells leisten, deren Forschungsabteilungen ganz wesentlich davon profitieren?

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(futurezone/Günter Hack)