CCC publiziert Data-Retention-Stellungnahme
"Mobiltelefon wird Ortungswanze"
Die deutsche Bürgerrechtsorganisation Chaos Computer Club (CCC) hat am Montag ihre Stellungnahme zum Thema Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) im Netz veröffentlicht. Der CCC war vom Bundesverfassungsgericht dazu aufgefordert worden, ein Gutachten zu dem umstrittenen Überwachungsplan abzugeben.
Der CCC warnt in dem Text davor, dass die Vorratsdatenspeicherung in den totalen Überwachungsstaat führen könne, und verweist dabei auf die jüngsten Ereignisse im Iran, wo auch Telekomüberwachungstechnik zum Einsatz gekommen sei, die in Deutschland von Nokia Siemens Networks entwickelt wurde.
Die EG-Richtlinie zur Data-Retention verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten dazu, Gesetze zu erlassen, die Provider dazu zwingen, alle Internet-Verkehrs- und Handystandortdaten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zu speichern und Strafverfolgungsbehörden zur Terrorabwehr zur Verfügung zu stellen.
"Verbindungsdaten sind zudem für Mitarbeiter- und Konkurrentenbespitzelung sowie Wirtschaftsspionage ausgesprochen lukrativ", warnt der CCC, gegen professionelle Schnüffler und Verbrecher helfe die Maßnahme dagegen nicht: "Für Großunternehmen, ausländische Dienste und kriminelle Elemente ist ein Zugang durch Ausnutzung von Hintertüren, undichten Stellen oder Sicherheitslücken möglich."
Verfassungsbeschwerde läuft
In Deutschland ist ein entsprechendes Gesetz seit dem 1. Jänner 2008 in Kraft; eine Koalition von Bürgerrechtsorganisationen (AK Vorrat) hat eine Verfassungsbeschwerde dagegen eingereicht. Das Bundesverfassungsgericht hat unterdessen verfügt, dass die Daten aus der Data-Retention ausschließlich zur Terrorbekämpfung verwendet werden dürfen.
Österreich hat bei der Umsetzung der Data-Retention-Richtlinie erst auf ein Urteil des EuGH gewartet. Nachdem dieser aber 2008 bestätigt hatte, dass die Richtlinie auf formal korrektem Weg zustande gekommen sei, hatte Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte damit beauftragt, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Erst am Wochenende hatte Bures bekräftigt, dass in Österreich nur die Mindestanforderungen der Richtlinie umgesetzt werden würden. Der Gesetzesentwurf soll im September vorgestellt werden.
"Ungebremste Aufzeichnung"
Allerdings wird auch dann in Österreich der vom CCC scharf kritisierte Überwachungsplan in Kraft sein. "Durch die ungebremste Aufzeichnung der digitalen Spuren wird das Mobiltelefon mehr und mehr zu einer Ortungswanze, sofern dem speicherwütigen Staat nicht Einhalt geboten wird", schreibt CCC-Gutachter Frank Rieger. "Sollte die Vorratsdatenspeicherung vor Gericht Bestand haben, bedeutet das praktisch ein Ende der Freiheit, unbeobachtet und ungestört zu leben."
Über das im Dezember 2007 novellierte Sicherheitspolizeigesetz dürfen österreichische Sicherheitsorgane bei "Gefahr im Verzug" ohne richterlichen Beschluss auf Internet-Verkehrs- und Handystandortdaten zugreifen.