Rechtsspagat zur Datenspeicherpflicht

01.01.2007

Bis September 2007 muss die EU-Richtlinie zur Speicherpflicht von Telefonie-Verkehrsdaten in Österreich umgesetzt werden. Das macht die jetzt schon komplizierte Rechtslage noch verworrener, dazu sind beim EuGH Nichtigkeitsklagen gegen die Richtlinie anhängig.

Die Telekom und Österreichs Mobilfunker müssen ab September die Verkehrsdatensätze jedes Anschlusses - wer mit wem wann wo telefoniert hat - ein Jahr lang speichern.

Über jeden Telefonanschluss und jedes Handy wird so eine Datensammlung angelegt, aus der jederzeit ein automatisiertes Kommunikationsprofil erstellt werden kann.

Datensammlung mit Spagat

Weil in Österreich eine anlasslose Datensammlung solcher Art bis dato gesetzlich verboten ist, stehen die Juristen im Justizministerium daher vor einem inhaltlichen Spagat.

Sie müssen eine Richtlinie in Paragrafen umsetzen, die der Kernaussage des österreichischen Datenschutz- bzw. des darauf basierenden Telekom-Gesetzes widerspricht, die sinngemäß lautet: Daten, die nicht für die Abrechnung benötigt werden, sind umgehend zu löschen.

"Lustig"

"Na, das wird lustig" waren denn auch die Worte, die Noch-Justizministerin Karin Gastinger im Herbst 2005 gefunden hatte, als sich abzeichnete, dass die jahrelang im EU-Ministerrat heftig umstrittene Richtlinie doch durchgehen würde.

Übergangsfristen und ...

Was die Internet-Daten betrifft, so wurde zwar für Österreich eine Übergangsfrist bis März 2009 ausgehandelt, aber die erweist sich mittlerweile mehr als Verschärfung eines Problems, das jetzt schon existiert.

Der Kern des Problems ist nämlich Unsicherheit darüber, wie ein auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aufsetzender Erlass des Justizministeriums über die "formlose" Weitergabe dynamischer IP-Adressen mit den Bestimmungen des Telekom-Gesetzes zusammenpassen soll, das eine Speicherung dieser Daten verbietet.

... Einwahlzeiten

Im Fall von ADSL-Anschlüssen mit Pauschaltarif bedeutet dies, dass diese fortlaufend und temporär vergebenen Internet-Adressen vom Provider nicht dauerhaft gespeichert werden dürfen.

Sie sind nicht relevant für die Abrechnung, da nicht die Einwahlzeiten, sondern nur die Datenvolumina relevant sind.

Laut allen Beteiligten arbeitet man an einer schnellen Lösung dieses Problems, parallel dazu kursiert bereits ein erster Entwurf für die dazu notwendige Gesetzesänderung - ein rechtlicher Spagat auch hier.

Klagen vor dem EuGH

Zusätzlich kompliziert wird die Lage noch dadurch, dass vor dem EU-Gerichtshof mehrere Klagen gegen die EU-Richtlinie laufen, sowohl von Regierungsseite [Irland, Slowakei] wie von Datenschutz-Organisationen.

Durchaus möglich ist, dass der EuGH die Richtlinie aus formalen Gründen kippt, wie es Irland und die Slowakei wollen. Auch das Flugpassagier-Abkommen mit den USA wurde aus Formalgründen annulliert und - kurz danach im richtigen Gremium, nämlich dem EU-Ministerrat, wieder in Kraft gesetzt.

Gestritten im Ministerrat

In puncto Verkehrsdaten hatte sich der Ministerrat allerdings fast zwei Jahre lang ergebnislos gestritten, bis eine Intervention der EU-Kommission samt Beiziehung des Parlaments den nun als Richtlinie gegenwärtigen "Kompromiss" möglich gemacht hatte.

Eine weitere Möglichkeit, die weniger wahrscheinlich, aber dennoch nicht auszuschließen ist, besteht darin, dass sich der EuGH inhaltlich mit der Richtlinie befasst und ihre Verhältnismäßigkeit etwa in Bezug auf die Europäische Deklaration der Menschenrechte prüft.

In Deutschland bereiten sich die Gegner jedenfalls auf Verfassungsklagen gegen die kommende Speicherpflicht vor, 6.000 Vollmachten liegen den damit befassten Anwälten bereits vor.

(futurezone | Erich Moechel)