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Spitzelskandale: Data-Retention bleibt

KONTROLLE
13.07.2009

Die Spitzelaffären, die derzeit den Nationalrat beschäftigen, haben zumindest vorerst keine Auswirkungen auf die geplante Umsetzung der EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) in Österreich. Dies bestätigten Infrastruktur- und Justizministerium auf Anfrage von ORF.at.

Das teilte eine Sprecherin des in dieser Sache federführenden Infrastrukturministeriums am Montag auf Anfrage von ORF.at mit. Man halte auf Weisung von Ministerin Doris Bures (SPÖ) weiterhin an der von der EU geforderten Mindestumsetzung der Richtlinie fest, beispielsweise an der sechsmonatigen Speicherfrist der Telefon- und Handystandortdaten, so Bures-Sprecherin Susanna Enk.

In der Data-Retention-Richtlinie seien weiters keine Ausnahmen für Abgeordnete vorgesehen. Das lasse die Richtlinie nicht zu. "Unter welchen Voraussetzungen die Polizei auf die Daten zugreifen darf, muss das Justizministerium definieren", so die Sprecherin.

Stichwort Data-Retention

Die EG-Richtlinie zur Data-Retention verpflichtet alle Internet- und Telefonprovider der EU dazu, sämtliche Telefon-, Internet- und E-Mail-Verbindungsdaten und Handystandortdaten mindestens sechs Monate lang verdachtsunabhängig zu speichern und zur Terrorismusbekämpfung den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen.

Die Inhalte der Kommunikation werden dabei nicht erfasst, allerdings lassen sich mit den Daten sehr detaillierte Bewegungs- und Kommunikationsprofile erstellen. Die Richtlinie wurde vor allem vom EU-Ministerrat befürwortet und im Februar 2006 unter dem Eindruck der Terroranschläge in Madrid (2004) und London (2005) verabschiedet.

Umsetzung im Frühjahr 2010

Der Spitzelskandal habe keine Auswirkungen auf die Umsetzung der Richtlinie in österreichisches Recht. Bures hat das Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlags beauftragt, mit dem die Data-Retention-Richtlinie in Österreich umgesetzt werden soll.

Es bleibe auch dabei, dass dieser Vorschlag im September präsentiert und voraussichtlich im Frühjahr 2010 umgesetzt werde, so die Sprecherin. Daran ändere auch die Anfang Juli eingetroffene routinemäßige Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Nichtumsetzung der Richtlinie nichts.

Private Verbindungsdaten erfasst

Unter den Spitzelskandalen, mit denen sich demnächst ein von allen im Nationalrat vertretenen Parteien befürworteter Untersuchungsausschuss befassen wird, befindet sich zumindest einer, der die Data-Retention-Richtlinie tangiert, weil es darin um die Verwendung von Telefonverbindungsdaten zu Fahndungszwecken geht.

Der BZÖ-Nationalratsabgeordnete Peter Westenthaler hatte am 9. Juli mitgeteilt, dass er sich bei einer Befragung in den Räumlichkeiten des Büros für interne Angelegenheiten (BIA) in Wien am 9. Februar mit Rufdaten "einiger privater Telefonate und SMS sowie eines Telefongespräches mit einer Tageszeitung" konfrontiert sah.

Das BIA ermittelte nicht gegen Westenthaler selbst, sondern gegen einen Polizeibeamten, der durch Datenweitergabe an den BZÖ-Mandatar das Amtsgeheimnis verletzt haben soll. Westenthaler sieht seine Immunität als Abgeordneter gebrochen, die Staatsanwaltschaft Wien hingegen verweist auf einen Erlass des Justizministeriums, laut dem die Telefone von Abgeordneten überwacht werden dürfen, wenn diese im Rahmen von Ermittlungen als Kontaktpersonen aufscheinen.

Warten auf den Gesetzesentwurf

"Das ist im Bundesverfassungsgesetz so geregelt und auch mit dem Bundeskanzleramt so abgestimmt", sagte Katharina Swoboda, Sprecherin von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, auf Anfrage von ORF.at. "Die Causa Westenthaler hat mit der Vorratsdatenspeicherung so nichts zu tun."

Auch ob es im Strafrecht für die Nutzung der gespeicherten Verbindungsdaten Sonderregeln für bestimmte Berufsgruppen, etwa für Anwälte, Abgeordnete, Ärzte und Geistliche, geben werde, könne man noch nicht sagen, weil der Gesetzesentwurf des Ludwig-Boltzmann-Instituts noch nicht vorliege.

Bisher dürfen Provider Verbindungsdaten nur so lange speichern, wie sie diese zur Rechnungserstellung brauchen. Nach der letzten Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) im Dezember 2007 können die österreichischen Strafverfolger bei "Gefahr im Verzug" auch ohne richterlichen Beschluss auf Telefonverbindungs- und Handystandortdaten sowie auf Internet-Verbindungsdaten zugreifen.

Durch die Vorratsdatenspeicherung wird der Datenpool, der für die Fahndung zur Verfügung steht, signifikant vergrößert - und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass unbeteiligte Bürger ins Fahndungsnetz geraten.

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(futurezone/Günter Hack)