"Es geht auch um Wirtschaftsinteressen"
Der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt vor der Weitergabe von Daten an Unternehmen im Zuge der geplanten Vorratsdatenspeicherung.
"Es geht bei der Vorratsdatenspeicherung längst nicht mehr nur um die Terrorismusbekämpfung, sondern auch um Wirtschaftsinteressen", sagte Schaar in einem Interview mit der "Berliner Zeitung".
Privatfirmen dürfe kein Zugang zu den im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung erhobenen Telefon- und Internetdaten ermöglicht werden, sagte Schaar.
Beispiel Musik- und Filmindustrie
Als Beispiel nannte Schaar die Musik- und Filmindustrie. Diese wolle Zugriff auf diese Daten, um an Personen zu kommen, die etwa über Internet-Tauschbörsen urheberrechtlich geschützte Werke weitergeben.
Im Rahmen der deutschen Urheberrechtsreform wird derzeit auch diskutiert, ob und wie diese Unternehmen die Daten erhalten können.
Peter Zombik, der Geschäftsfüher des deutschen Phonoverbandes [IFPI] kündigte vor kurzem an, die Anzahl der Strafanträge gegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen 2007 deutlich erhöhen zu wollen. Die deutsche Phonoverband meint, damit gegen den verbreiteten Tausch oder kostenloses Hochladen von urheberrechtlich geschützten Musikstücken im Internet vorgehen zu können.
Rechtsunklarheit in Österreich
In Österreich ist die Urheberrechtsrichtlinie bereits umgesetzt, rechtliche Klarheit entstand dadurch nicht. Die Urheberrechtsnovelle führte in Kombination mit einem Spruch des Obersten Gerichtshofs zu einer Kollision mit dem österreichischen Datenschutzgesetz.
Einerseits besteht für die Netzbetreiber Auskunftspflicht, welche temporär [dynamisch] vergebenen IP-Adressen wann an welchen Kunden vergeben wurden. Andererseits dürfen die Provider diese Daten nicht dauerhaft speichern, wenn sie nicht relevant für die Abrechnung sind. Bei ADSL-Anschlüssen ist das der Regelfall.
Grundsätzliche Kritik bekräftigt
Der Datenschützer bekräftigte seine grundsätzliche Kritik an der vom Bundesjustizministerium geplanten Vorratsdatenspeicherung: "Es ist das erste Mal, dass auf so breiter Basis die Daten von völlig unverdächtigen Personen gespeichert werden sollen, nur damit die Sicherheitsbehörden im Falle strafrechtlicher Ermittlungen auf diese Daten zurückgreifen können."
Bereits 6.000 Deutsche haben Vollmachten für eine Verfassungsklage gegen die kommende Speicherpflicht von Verkehrsdaten aus Telefonnetzen und dem Internet abgegeben. In Österreich ist die Gesetzeslage ähnlich.
Nachbesserung der Telefonüberwachung gefordert
Schaar forderte auch eine Nachbesserung bei der Neuregelung der Telefonüberwachung. Abgrenzungen zwischen Erhebungs- und Verwertungsverbot von Aufzeichnungen müssen deutlicher getroffen werden, sagte Schaar. So müsse etwa festgelegt werden, wann die Polizei das Abhören abbrechen müsse.
Die Polizei solle das Abhören immer dann abbrechen müssen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der Kernbereich der Privatsphäre betroffen sei. Das sei zum Beispiel bei einem Gespräch mit einem Familienangehörigen der Fall, gegen den nicht ermittelt wird.
Demgegenüber sehe das geplante Gesetz ein Erhebungsverbot nur dann vor, wenn das Gespräch ausschließlich den Kernbereich der Privatsphäre betrifft.
In Österreich muss die EU-Richtlinie zur Speicherpflicht von Telefonie-Verkehrsdaten bis September umgesetzt werden. Das macht die jetzt schon komplizierte Rechtslage noch verworrener. Beim Europäischen Gerichtshof [EuGH] sind Nichtigkeitsklagen gegen die Richtlinie anhängig. Für die Internet-Daten hat Österreich zusammen mit anderen EU-Staaten eine weitere Übergangsfrist von zusätzlichen 18 Monaten ausgehandelt.
(AFP | futurezone)