Selbstkontrolle im vernetzten Auto
Sowohl Microsoft als auch Open-Source-Initiativen sehen ein großes Potenzial für den Einsatz von Internet-Software in Automobilen. Ein System von Microsoft und Fiat soll den Nutzern dabei helfen, ihren Fahrstil umweltfreundlicher zu machen. In den USA hockt schon ein virtueller Versicherungsagent mit im Bordcomputer, der risikoreiches Fahren mit höheren Prämien bestraft.
"Microsoft bringt webbasierte Dienste ins Auto", kündigte Microsoft-Manager Tom Philipps in einem Gespräch mit ORF.at an. Philips ist beim Software-Hersteller Microsoft zuständig für den Geschäftsbereich Automotive. Seit etwa zehn Jahren spielt Software im Auto eine zunehmend wichtigere Rolle. Nun will Microsoft Autoanwendungen um Internet-Dienste erweitern. Philipps bezeichnet das Auto als "Aktivitätsinsel", da es bisher nicht ins Internet integriert war.
Für Philipps besteht die wesentliche Entwicklung darin, dass "das Auto bisher nur so gut wie sein Hersteller war. Jetzt bringt die Software-Plattform neue Anwendungen und damit auch ein neues Fahrerlebnis ins Auto". Ein Beispiel für die Verschränkung von Fahrzeug und Web sei das eco-Drive-Programm, das der italienische Autohersteller Fiat auf Basis der Software-Plattform "Microsoft Auto" entwickelte.
Ökofahrplattform im Netz
Damit kann der Fahrer Daten zu Beschleunigung, Bremsvorgängen, Schaltung und Geschwindigkeit sammeln. Hierfür muss er lediglich einen USB-Stick in den USB-Slot des Bordcomputers stecken. Zu Hause kann der Fahrer die Daten auf dem USB-Stick über eine auf seinem PC installierte kostenlose Software analysieren.
Der Nutzer kann so feststellen, wie viel Kraftstoff er verbraucht hat – und wie klimaschonend er gefahren ist. Die Software gibt dann gezielt Tipps, um den Fahrstil zu verbessern - etwa früher hochzuschalten oder später abzubremsen. Laut Fiat sind so Einsparungen von bis zu 15 Prozent der Benzinkosten möglich. Auf der eco-drive-Website tauschen sich bereits über 15.000 User über bewährte Fahrweisen aus. Nutzen können das Programm mehrere Fahrer eines Autos – es genügt, wenn jeder seinen eigenen USB-Stick verwendet.
Verschiedene Lebenszyklen von Hard- und Software
Autos und Elektronikgeräte haben unterschiedlich lange Lebenszyklen. "In der Vergangenheit bauten die Autohersteller nur sehr ungern In-Car-Technologie ein, da deren Lebenszyklus wesentlich kürzer als der des Fahrzeugs selbst war", erklärt Fiat-Manager Daniele Chiari, der für das Produkt-Portfolio-Management zuständig ist. Die Autobauer hätten deshalb vor allem Speziallösungen für Fahrzeuge der Oberklasse entwickelt. Die Kosten für diese maßgeschneiderten Systeme seien jedoch so enorm hoch gewesen, so dass sie für viele Modelle noch nicht einmal als Sonderausstattung angeboten wurden. Da jedoch immer mehr Käufer Navigationssysteme wollten, habe Fiat über ein neues Konzept nachdenken müssen.
Den wesentlichen Vorteil des Microsoft-Autosystems sieht Philipps für die Fahrzeughersteller deshalb darin, dass die Fahrer ihr System selbst auf dem neuesten Stand halten können. Philipps: "Software-Updates sorgen dafür, dass neue Geräte in einem Auto auch in drei, vier Jahren noch funktionieren." Für die Updates gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: über das Handy, über den USB-Stick und über das mit dem Netz verbundene Fahrzeug selbst.
Mobiler SMS-Vorleser
Fiat entschied sich für eine modulare Plattform auf der Basis von Standardtechnologien – das Ergebnis ist das auf Basis der Microsoft-Plattform entwickelte Kommunikations- und Infotainmentsystem Blue&Me. Inzwischen sind über 80 Prozent der Neuwagen des Fiat-Konzerns damit ausgestattet. Das System kostet nicht mehr als ein handelsübliches Navigationsgerät.
Bedienen lässt sich der Bordcomputer über Tasten auf dem Lenkrad und Sprachbefehle. Microsoft-Autoexperte Philipps sieht einen Vorteil darin, dass man bei einem Unfall nicht erst das Handy suchen und bedienen muss, sondern dass ein einfacher Sprachbefehl genügt, um Rettungsdienste zu alarmieren. Die Spracherkennung wandelt aber auch Text in Sprache um. Der Fahrer kann sich etwa neue SMS-Nachrichten vom Bordcomputer vorlesen lassen, der nebenbei auch als Freisprechanlage für das Handy fungiert.
Versicherungsagent an Bord
In den USA installierte Autobauer Ford über das Microsoft-System einen Notrufassistenten. Es analysiert aber auch für bestimmte Versicherungsangebote das Fahrverhalten des Fahrers: Umsichtige Fahrer erhalten eine günstige Versicherungsprämie, die jedoch riskantes Fahrverhalten mit Aufschlägen bestraft. Ab 2010 will Ford sein System auch für seine Neuwagen in Europa anbieten. Ford-Chef Alan Mulally will dabei nach dem Vorbild von Apples AppStore neue Anwendungen anbieten. Nutzer sollen dann Updates und neue Anwendungen über die USB- und Bluetooth-Schnittstelle ihres Handys in das Autosystem einspielen können.
In etwa drei bis fünf Jahren, so Philipps, würden sich immer mehr Fahrzeuge untereinander via Internet-Verbindung austauschen: über grüne Ampelwellen etwa, über den Zustand von Straßen, über das Wetter oder über gestohlene Autos. Philipps: "Technisch gesehen gibt es keine Grenzen mehr. Die größte Barriere ist aber eine wirtschaftliche: Das Fahrzeug muss mit dem Internet verbunden sein." Der Erfolgsschlüssel sei deshalb in der Hand der Mobilfunkindustrie, die für den Anwender attraktive Angebote für den mobilen Internet-Zugang entwickeln muss.
Open-Source-Software fürs Auto
Sicherheitsrelevante Dienste bietet das Microsoft-Auto der Zukunft nicht. Zwar kann die Software elektronische Daten etwa über das Bremsverhalten auswerten, doch nicht etwa in Form einer Einparkhilfe umsetzen, die direkt Einfluss auf die Bremse oder Geschwindigkeit nehmen würde. Fahrassistenzsysteme sind immer noch die Domäne der Hersteller und klassischen Autozulieferer. Wirkliche Konkurrenz droht Microsoft eher aus der Open-Source-Ecke.
Während Microsoft seine Plattform lizenziert und damit auch einen eigenen Entwicklerstamm finanziert, setzt die Initiative Genivi auf Linux. Ins Leben gerufen wurde sie 2008 als Entwicklungsplattform für Infotainment im Auto unter anderem von den Autoherstellern BMW, GM und Peugeot/Citroen und dem Chiphersteller Intel. Sie zeigt vor allem das gestiegene Interesse der Hersteller an Infotainment-Systemen für das Auto. Für den Fahrer aber ist es letztlich egal, woher sein System stammt. Er will vor allem ein attraktives – und stabiles Angebot.
(Christiane Schulzki-Haddouti)