© ORF.at/Nadja Igler, Nao-Roboter hebt die Hand

"Roboter werden die Welt verändern"

ROBOTIK
23.07.2009

Noch spielen die Nao-Roboter des französischen Herstellers Aldebaran "nur" beim RoboCup mit, ab 2010 sollen sie den Massenmarkt erobern. Nao-Vater Bruno Maisonnier ist überzeugt, dass Roboter in den nächsten zehn Jahren unsere Welt verändern werden und Europa dabei eine aktive Rolle spielen kann: "Europa ist das Land der Roboter."

Seit 2008 nehmen die Naos als Nachfolger von Sonys Roboterhund Aibo in der Standard Plattform League bei der Roboterweltmeisterschaft RoboCup teil. Sie konnten sich 2007 bei der Nachfolgersuche gegen alle anderen Anwärter auf den Aibo-Thron durchsetzen, obwohl es sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal offiziell zu kaufen gab.

Bis heute kann man die Naos nicht im Geschäft kaufen, sie sind weiterhin der Wissenschaft vorbehalten, und das zum beiderseitigen Vorteil: Denn während die Wissenschaftler mit den Naos ihre Algorithmen für Bilderkennung und Künstliche Intelligenz in der realen Welt testen können, profitiert Hersteller Aldebaran von genau diesen Erkenntnissen.

Wissenschaftlicher Betatest

"24 Teams spielen derzeit mit den Naos, und sie unterziehen die Hardware einem Stresstest, der uns hilft, die Schwachstellen zu entdecken. Sie versuchen dabei auch, die Fähigkeiten der Naos zu verbessern oder neue zu entwickeln. Dieses Wissen nutzen wir, wenn wir neue Anwendungen und besseres Verhalten für den Nao programmieren", so Maisonnier gegenüber ORF.at.

Ein Problem sei etwa das stabile Gehen auf verschiedenen Oberflächen, wofür unterschiedliche Sensoren genutzt werden müssen, die die Beschaffenheit des Bodens erfassen und den Roboter austarieren. "Es ist eine Art ausgelagertes Testen mit hochqualifizierten Wissenschaftlern, die das machen, weil sie selber im Wettbewerb besser abschneiden möchten."

In den letzten zwei Jahren machten die Teams zum Teil bereits erhebliche Fortschritte mit den zweibeinigen Robotern, wie beim RoboCup in Graz zu sehen war. Auch wenn die Naos zu einem echten Sprint noch nicht fähig sind, waren manche schon recht flott unterwegs. Und auch beim Ballschuss müssen die Roboter die richtige Balance finden, sonst fallen sie unweigerlich um.

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Marktstart für 2010 angepeilt

Doch auf lange Sicht sollen die derzeit rund 12.000 Euro teuren Roboter nicht alleine zum Wohle der Wissenschaft tätig sein, sondern - nach mehrmaliger Terminverschiebung - sich ab kommendem Jahr auch im direkten Zusammenspiel mit dem Menschen beweisen. Zurzeit läuft der erste Consumer-Betatest mit 30 ausgesuchten Käufern, die den Roboter auf Alltagstauglichkeit prüfen. Zwischen drei- und viertausend Euro soll ein Nao bei Marktstart kosten, dafür wurde er dann aber bereits mehrfach überarbeitet.

Mittlerweile liegt Version drei vor, die als Resultat des wissenschaftlichen Betatests neben einer zweiten Kamera im Kinn auch neue Antriebe und ein System zur Überwachung der Hitzeentwicklung der Motoren spendiert bekam. Demnächst sollen die Aktuatoren verbessert und die roten und blauen Körperteile ausgetauscht werden, so dass die Naos beim nächsten RoboCup zur Unterscheidung vielleicht in T-Shirts spielen werden, sagt Maisonnier.

An einem neuen "Hirn", einer neuen Haupt-CPU, für den Nao werde ebenfalls gerade getüftelt, so Maisonnier. Insgesamt werken 25 CPUs in einem Nao, der Hauptprozessor ist ein Geode X86, Maisonnier könnte sich aber auch vorstellen, einen Atom von Intel oder eine ARM-CPU zu verwenden. Zwar reiche deren Leistung nicht für die Bildverarbeitung, der Atom sei aber immer noch schneller als der aktuelle Prozessor, und für bestimmte Aufgaben könne man dann spezialisierte CPUs verwenden.

Einsatzgebiet Unterhaltung

Bereits jetzt könne sich der Roboter nützlich machen, sagt Maisonnier, und zum Beispiel einem Kind ein Buch vorlesen und für sehbehinderte Menschen E-Mails und Informationen aus dem Netz herunterladen und ebenfalls vorlesen. Auf lange Sicht sind die möglichen Fähigkeiten des knapp 60 Zentimeter kleinen Roboters allerdings begrenzt, Stiegensteigen wird er trotz aller wissenschaftlicher Forschung wohl nie können und für einen Einsatz als Serviceroboter ist er ebenfalls zu klein.

Ein Nao ist 58 Zentimeter groß, wiegt 4,3 Kilogramm und verfügt über 25 Freiheitsgrade (Achsenbewegungen). Er hat zwei Lautsprecher, vier Mikrophone, zwei Kameras, Trägheitssensoren und ein Schallmessgerät für das Erkennen von Hindernissen. Er kann über WLAN und Ethernet kommunizieren, Stimmen und Gesichter erkennen und auch selbst verbal kommunizieren. Der Nao ist völlig frei programmierbar.

"Große Roboter sind noch nicht erschwinglich. Die Naos sind ein Zwischenschritt, eine Art experimentelle Plattform, mit der man Dinge ausprobieren und entwickeln kann, die dann später in größeren Robotern zum Einsatz kommen können", erklärt Maisonnier die Idee hinter den auf den ersten Blick nicht wirklich nützlichen Naos. Aldebaran arbeite aber bereits an einem 1,3 Meter großen Roboter, der erste Prototyp soll Ende 2010 fertig sein.

"Ich will Teil der Roboter-Revolution sein"

Er selbst habe seit seiner Kindheit davon geträumt, einen Roboter zu bauen, 2004 sei dann die Zeit und die Technologien dafür reif gewesen, erzählt Maisonnier. "Ich war vor 30 Jahren bei der technologischen Revolution durch die Computer dabei, ich war Teil einer verrückten Entwicklung, wo Leute völlig sinnlos teure Computer gekauft haben, weil sie sie einfach haben wollten. Sie wollten Teil dieser technologischen Entwicklung sein, hatten Spaß daran, ihren Freunden zu zeigen, dass sie bessere Software programmieren können. Seit damals bin ich überzeugt, dass es genau so eine Entwicklung auch bei den Robotern geben wird, und ich will ein Teil davon sein."

2004 schließlich habe er seine restlichen beruflichen Aktivitäten auf Eis gelegt und Mitte 2005 Aldebaran gegründet. Insgesamt zehn Millionen Euro kostete bisher die Entwicklung des Naos, zum Teil finanziert aus privatem Vermögen, Venture Capital und Start-up-Förderungen der EU-Kommission. Für den kommerziellen Verkaufsstart nächstes Jahr benötige Aldebaran nochmals zwölf bis 15 Millionen Euro. Gewinn hat der Hersteller bisher keinen gemacht, auch wenn bereits einige Monate positiv waren. Ab Ende 2009 will Maisonnier profitabel arbeiten.

"Wir sind das Land der Roboter"

Warum der Aibo-Nachfolger aus Frankreich und nicht aus Asien, dem eigentlichen "Heimatland" der Roboter, komme, sei leicht erklärt: "Das ist die übliche Meinung, doch eigentlich ist es genau andersrum. Die Japaner investieren viel in die Robotik, weil sie sie aus demografischen Gründen brauchen werden und die Politik in den 90er Jahren beschlossen hat, das zu fördern. Doch die Konzepte, die Algorithmen dahinter, kommen aus Europa. Sony und Honda arbeiten mit europäischen Forschungslabors in Deutschland und Italien zusammen, die ihnen diese Sachen entwickeln. In Wahrheit treibt Europa die Entwicklungen in der Robotik voran - wir sind das Land der Roboter, nur wissen wir das nicht."

Maisonnier ist überzeugt, dass es schon bald einen großem Markt für Roboter und deren Anwendungen geben wird: "Meiner Meinung nach werden die Roboter die Welt verändern, wir werden in den nächsten zehn Jahren auf der ganzen Welt Millionen von Robotern haben, die als persönliche Assistenten, als Alarmanlagen, als Gesellschafter, etwa für Kinder in Krankenhäusern, als Unterhalter, zum Spielen, für eine Menge Dinge genutzt werden." Im Gegenzug würden durch die Robotik auch viele Arbeitsplätze erschaffen werden, wie einst durch das Internet: "Wir müssen nur etwas dafür tun."

Das Ziel dorthin sei einerseits, mehr Geld in Forschung und Entwicklung an den Universitäten zu stecken, aber auch mehr Geld für kleine Firmen mit Innovationen in diesem Bereich bereitzustellen. "Eine große Firma ist eher zögerlich, in einen Nischenmarkt zu investieren, und wie man beim Aibo gesehen hat, werden diese Bereiche in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch schneller wieder abgedreht. Bei einer kleinen Firma, der nichts anderes übrig bleibt, außer zu gewinnen, ist das anders." Es gebe eine Reihe dieser kleinen Firmen, die sich in Frankreich unter anderem zu einem eigenen Robotik-Cluster zusammengeschlossen haben und nun EU-weite Kooperationen suchen. "Wir wollen uns zu einem großen europäischen Robotik-Cluster vernetzen."

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(futurezone/Nadja Igler)