Intelligente Stromzähler mit Konfliktpotenzial
Mit dem "intelligenten" Stromzähler kommt künftig in fünf Millionen Privathaushalten in Österreich eine neue Technologie zum Einsatz, die den Verbrauch von Energie für den Einzelnen besser steuerbar macht und eine monatliche Abrechnung ermöglicht. Erste Pilotprojekte mit den neuen "Smart Metern" sind bereits gestartet. Wer die Umstellung auf die neuen Geräte bezahlt, ist noch ungeklärt.
Das einmal jährlich stattfindende Ablesen von Strom in Privathaushalten wird spätestens 2020 in Österreich Geschichte sein: Bis dahin muss nämlich eine Richtlinie zur Energie-Effizienz der Europäischen Union (EU) umgesetzt werden, die das elektronische Auslesen von Stromzählern vorsieht. Statt des bei Privathaushalten bisher weit verbreiteten mechanischen Ferraris-Zählers, der bereits im 19. Jahrhundert erfunden wurde, werden künftig intelligente Stromzähler, "Smart Meter", eingesetzt. Die EG-Richtlinie 2006/32/EG sieht vor, dass bis 2020 mindestens 80 Prozent der Haushalte mit diesen neuen, modernen Geräten ausgestattet werden. Im Juli wurde zudem im Nationalrat beschlossen, dass "neue Technologien im Bereich des Zählerwesens zu forcieren" seien.
Bessere Steuerung des Energieverbrauchs
Das bedeutet für den Privatkunden nicht nur, dass der Strom nicht mehr abgelesen werden muss, sondern auch, dass es künftig, ähnlich wie beim Telefonieren, eine online abrufbare Monatsrechnung für den Stromverbrauch geben könnte, die für einen besseren Überblick über den tatsächlichen Stromverbrauch sorgt, sowie die Einführung unterschiedlicher, individualisierter Tarife. Der Stromverbrauch der Kunden kann mit Smart Metern nämlich wesentlich genauer als bisher festgestellt werden.
Die EU möchte den Verbrauchern mit dieser Strategie das Potenzial des Energiesparens näher bringen. "Smart Meter ermöglichen eine bessere Steuerung des Energieverbrauchs durch den Kunden, es entsteht dabei ein Einsparungspotenzial von bis zu 15 Prozent", erklärt Johanna Pfeiffenberger, Pressesprecherin der Salzburg AG, die seit Mitte Juli ein Pilotprojekt mit 500 neuen, intelligenten Zählern betreibt.
Pilotprojekte in Österreich
Auch in Oberösterreich läuft bei der Energie AG bis Ende September ein Probebetrieb von 10.000 Smart Metern. Da alles problemlos laufe, werde der Einsatz der Smart Meter weiter fortgesetzt und bis Ende 2010 auf 100.000 Stück ausgebaut, so Manfred Litzlbauer, Geschäftsführer der Energie AG zu ORF.at. Damit ist Oberösterreich Vorreiter beim Einsatz der neuen Stromzähler. Bei der Wien Energie habe man derzeit Tests mit insgesamt 250 Zählern durchgeführt, hieß es auf Anfrage von ORF.at.
Gemeinsamer Standard fehlt noch
Der Grund für die Zurückhaltung mancher Netzbetreiber beim Testen der neuen Technologie liegt darin, dass es derzeit noch keine bindende Vereinbarung dafür gibt, wie die EU-Richtlinie in Österreich umgesetzt wird und welche Standards sich durchsetzen werden. "Es bleibt den einzelnen Ländern überlassen, zu definieren, was ein Smart Meter genau für Leistungen erfüllen soll", erklärt Barbara Schmidt, Generalsekretärin des Verbands der Elektrizitätsunternehmen (VEÖ). Derzeit arbeiten die Regulierungsbehörde E-Control, der VEÖ und der Fachverband Gas Wärme (FGW) an einer Vereinbarung, mit der eine einheitliche Umsetzung in Österreich durchgesetzt werden soll. "Diese Vereinbarung würde dann bindend für alle Netzbetreiber werden", heißt es seitens E-Control.
"Derzeit hat es noch nicht viel Sinn, auf ein bestimmtes Gerät zu setzen", so Schmidt vom VEÖ. Die Energie AG, die mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in Österreich am weitesten fortgeschritten ist, setzt auf das Verbrauchsdatenerfassungs- und Informationssystem Amis von Siemens Energy. Darüber, dass dieses System nicht der Vereinbarung der E-Control entsprechen könne, macht sich Litzlbauer wenig Sorgen. "Es ist ein sehr offenes System mit einer dreistufigen Software-Konzeption", so Litzlbauer. Das System könnte somit nachträglich an neue Anforderungen angepasst werden.
Monatliche Rechnung und Auslesung
Unklar sei derzeit vor allem, welche Funktionalität der Smart Meter mindestens bieten müsse, erklärt Litzlbauer. Für den Kunden bedeutet das, dass es keineswegs sicher ist, dass er den Stromverbrauch minutengenau abrufen können wird. "Derzeit deutet alles darauf hin, dass es eine monatliche Fernauslesung geben wird, aus der eine Rechnung generiert wird", so Litzlbauer.
"Eine permanente Auslesung ist zwar möglich, bringt aber ein Problem mit sich: die Bandbreite bei der Datenübertragung. Derzeit ist unser System auf einer Schmalband-Powerline-Kommunikation aufgebaut. Um tagesaktuelle Profile auslesen zu können, braucht man eine höhere Bandbreite zu den Trafostationen. So ein Netzausbau ist teuer", erklärt Litzlbauer.
Hohe Umstellungskosten fallen an
Insgesamt müssen fünf Millionen Zähler in ganz Österreich auf das neue System umgestellt werden. Die E-Control rechnet hier mit einem Investitionsvolumen von 800 Millionen Euro bis zu einer Milliarde Euro, seitens der Netzbetreiber gibt es Schätzungen von um die 1,5 Milliarden Euro. Unklar ist bisher, wer diese Umstellungskosten zahlen wird.
"Alle Erfahrungen aus der Vergangenheit belegen, dass im Endeffekt der Verbraucher die Kosten für so eine Umstellung bezahlt", meint Karl Kollmann aus der Abteilung Konsumentenpolitik der Arbeiterkammer (AK) Wien. Seitens E-Control heißt es auf Anfrage von ORF.at dazu: "Eine zusätzliche Belastung für die Netzkunden ist aus Sicht der E-Control nicht notwendig", da der Kunde bereits jetzt mit einem Messentgelt die Errichtung und den Betrieb von Zähleinrichtungen mitzahle.
AK warnt vor Überwachungsszenarien
Kollmann kritisiert außerdem, dass die EU es verabsäumt habe, eine Kosten-Nutzen-Analyse für den Konsumenten durchzuführen. "Bei solchen Überlegungen muss man entsprechende Machbarkeitsstudien durchführen, die den Nutzen und die Kosten für die Verbraucher miteinbeziehen", so Kollmann, der in den neuen Smart Metern ein Einfallstor sieht, private Haushalte auf die Minute genau zu überwachen.
"Es bleibt nicht nur beim Strom, auch Wasser und Gas werden langfristig angeschlossen, und die privaten Haushalte können auf diesem Weg genau überwacht werden", so Kollmann. Johanna Pfeiffenberger von der Salzburg AG bestätigte gegenüber ORF.at: "Es ist ein Ziel, dass Wasser, Erdgas und Wärme in das System integriert werden."
Es muss daher künftig genau geklärt werden, was mit den Daten aus dem intelligenten Zählern passiert und wer darauf Zugriff hat. Derzeit obliegt der Schutz der Daten den Netzbetreibern. "Dafür wird auch weiterhin der Netzbetreiber zuständig sein", heißt es seitens der E-Control.
"Bezug der Daten" bleibt gleich
Litzlbauer von der Energie AG erklärt, dass der von ihnen eingesetzte Amis-Zähler einen Datenpuffer in Form eines Ringpuffers habe, in dem die Daten zwischengespeichert werden. "Das geschieht für den Fall, dass eine Kommunikationslinie ausfällt." Danach werden die Daten ausgelesen und kommen ins zentrale EDV-System. "Dort ersetzen sie genau den Datensatz, der früher per Ablesekarte hereingeholt wurde. Es hat sich also nur der Bezug der Daten geändert." Der Einsatz des neuen Amis-Zählers wurde laut Litzlbauer außerdem bereits bei der Datenschutzkommission gemeldet, eine Stellungnahme der DSK stehe aber noch aus.
Individualisierte Tarife "rasch unüberschaubar"
Nicht nur der Datenschutz ist ein heikles Thema bei der Einführung der neuen Zähler. Die neuen Geräte ermöglichen nämlich durch das schnellere Feedback auch neue Formen individualisierter Tarife. "Man könnte damit den Strom zu bestimmten Tageszeiten günstiger anbieten", so Christian Neubauer von der Wien Energie. An den Verbrauch zu bestimmten Tageszeiten angepasste Tarife könnten aber speziell für Arbeitslose und Menschen mit niedrigem Einkommen schnell zur Falle werden, befürchtet AK-Experte Kollmann.
"Individualisierte Tarife können für den Kunden rasch unüberschaubar werden", so Kollmann. Netzbetreiber könnten die neuen Zähler auch dazu nutzen, den Strom ferngesteuert abzudrehen, wenn eine monatliche Rechnung nicht rechtzeitig bezahlt wurde. "Dürfen arme Menschen dann nur noch um 3.00 Uhr nachts duschen, weil sie sich es zu anderen Tageszeiten nicht mehr leisten können?"
Smart Meter in Europa auf dem Vormarsch
Die E-Control spricht sich für die Einführung der neuen Smart Meter bis zum Jahre 2016 aus. Seitens Wien Energie, die 1,5 der insgesamt fünf Millionen Geräte in ganz Österreich austauschen muss, gibt man sich da pessimistischer: "Das Ziel ist mehr als ambitioniert."
In ganz Europa sollen bis zum Jahr 2014 bereits 96,3 Millionen intelligente Stromzähler im Einsatz sein, so eine Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Berg Insight. In Schweden wurde als erstes europäisches Land bereits komplett auf Smart Meter umgestellt, auch Italien versorgte bereits 27 Millionen Kunden mit den neuen Geräten. "Das darf man nicht nur positiv sehen: Die Geräte in Schweden sind beispielsweise die Minimalvariante. Es ist besser, sich bei der Umstellung Zeit zu lassen und vorher alle Problemfelder auszudiskutieren, damit das Geld sinnvoll investiert wird", so Schmidt vom VEÖ.
(futurezone/Barbara Wimmer)