Auftakt zu zweitem US-Tauschbörsenprozess
In den USA steht seit Dienstag der Student Joel Tenenbaum wegen des unautorisierten Tauschs von Musik-Files vor Gericht. Trotz Tausender Klagsdrohungen des US-Musikindustrieverbands (RIAA) ist es erst der zweite Prozess dieser Art in den Vereinigten Staaten.
Der 25-jährige Student habe nur Musik hören wollen und der Musikindustrie lediglich einen geringfügigen Schaden zugefügt, argumentierte Charles Nesson, der Anwalt des Angeklagten, zum Prozessauftakt: "Er tat, was Millionen andere Jugendliche auch tun."
Nach dem vielbeachteten Prozess gegen die 32-jährige Angestellte Jammie Thomas Rassett, die im Juni nicht rechtskräftig wegen der unautorisierten Verbreitung von 24 Songs über die Filesharing-Software KaZaA zu einer Schadenersatzzahlung von 1,92 Millionen Dollar (1,38 Mio. Euro) verurteilt wurde, ist es erst der zweite Prozess, der nach Tausenden Klagsdrohungen der Musikindustrie tatsächlich vor einem Geschworenengericht verhandelt wird.
Die Musikindustrie bietet verdächtigen Filesharern üblicherweise eine außergerichtliche Beilegung der Fälle gegen Schadenersatzzahlungen von rund 5.000 Dollar an. Tenenbaum hatte eine solche Einigung ebenso wie Thomas Rassett abgelehnt. Im Gegensatz zu Thomas Rassett stellt der Student jedoch nicht in Abrede, nichtlizenzierte Musik-Files über Online-Tauschbörsen bezogen zu haben.
150.000 Dollar Schadenersatz pro Song möglich
Die Musikkonzerne Universal Music, Warner Music und Sony werfen Tenenbaum vor, Musik-Files über Online-Tauschbörschen heruntergeladen und zur Verfügung gestellt zu haben. Konkret geht es um 30 Songs von Bands wie Aerosmith und Green Day. Nach US-Recht können die Labels zwischen 750 und 30.000 Dollar pro Song an Schadenersatz fordern. Im Falle einer vorsätzlichen Handlung könnte sich diese Summe auf bis zu 150.000 Dollar pro Track erhöhen.
Prominenter Rechtsbeistand
Der Fall hatte bereits vor dem Prozess für Aufsehen gesorgt. Grund dafür war, dass der prominente Anwalt und Harvard-Professor Nesson die Verteidigung Tenenbaums übernahm.
Er baut seine Verteidigungslinie darauf auf, dass es die Musikindustrie verabsäumt habe, rechtzeitig auf die Herausforderungen des Internets zu reagieren. Das Internet habe es Musikfans ermöglicht, CDs durch digitale Files zu ersetzen, und sie so vom Zwang befreit, Songs zu kaufen, die sie eigentlich nicht wollen. Das habe auf die Labels einen ähnlichen Effekt gehabt wie die "Automobilindustrie auf die Kutscher", argumentierte der Anwalt.
Tenenbaum könne dafür nicht veranwortlich gemacht werden. Welcher Schaden der Musikindustrie auch entstanden sein mag, er sei ihr durch das Internet entstanden und nicht durch Tenenbaums Aktivitäten in Online-Tauschbörsen, so Nesson.
Dämpfer vor Prozess
Nach Angaben von Prozessbeobachtern hatte sich die Richterin von den Ausführungen Nessons jedoch wenig beeindruckt gezeigt. Der US-Rechtsprofessor musste bereits im Vorfeld des Prozesses einen Dämpfer hinnehmen.
Das Gericht untersagte es Nesson, vor den Geschworenen damit zu argumentieren, dass der Tausch von Musik in Peer-to-Peer-Netzwerken unter den fairen Gebrauch ("Fair Use") von Kulturgütern falle.
Nach Meinung von Beobachtern gehe es dem Anwalt nun vor allem darum, die drohenden Schadenersatzzahlungen an die Musikindustrie so niedrig wie möglich zu halten, berichtete das US-Technologieportal CNet. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.
(AP/futurezone)