© Reuters/Susana Vera, Ein Mann nimmt sich zur Orientierung sein Smartphone zur Hilfe

Apple reagiert auf iPhone-Zensurvorwürfe

NETZ
07.08.2009

In den USA tobt derzeit eine scharfe Kontroverse über Apples Umgang mit Online-Wörterbüchern auf dem iPhone. Kritiker werfen dem Konzern Willkür bei der Alterseinstufung von Wörterbüchern vor, weil diese Schimpfwörter enthalten können. Apple-Vize Phil Schiller schaltete sich nun persönlich in die Debatte ein und versprach, die Prüfung von iPhone-Apps besser nachvollziehbar zu machen.

Am vergangenen Dienstag hatte der bekannte Tech-Blogger John Gruber in seinem Weblog "Daring Fireball" eine Geschichte über die iPhone-Anwendung Ninjawords der Firma Matchstick und deren schwierigen Weg durch die Kontrollinstanzen des App Store geschrieben. Das Problem: Ninjawords, eine Anwendung, die zwei US-Dollar kostet, greift auf den Wortschatz des freien Online-Wörterbuchs Wiktionary zu.

Apple weist Vorwürfe zurück

Wiktionary wiederum enthält Wörter, die die Apple-Experten als "fragwürdig" eingestuft haben. Konkrete Beispiele dafür sind "fuck", "cock" und "penis". Gruber schrieb, dass die Ninjawords-Entwickler einen Filter für Schimpfwörter hätten einbauen müssen, um in den App Store aufgenommen zu werden.

Am Donnerstag erhielt Gruber daraufhin eine Mail von Apple-Vizechef Phil Schiller persönlich - eine absolute Seltenheit in der hermetisch abgeriegelten Kommunikationskultur des iPhone-Konzerns. "Apple hat die Inhalte dieser Anwendung nicht zensiert, und Apple hat sie auch nicht zurückgewiesen, weil sie Schimpfwörter referenziert hat", schreibt Schiller. Die App-Store-Kontrolleure hätten Einspruch erhoben, weil Wiktionary mehr "urban slang words" enthielt als beispielsweise das New Oxford American Dictionary, das mit Mac OS X ausgeliefert wird. "Apple hat Ninjawords daher zuerst zurückgewiesen und den Entwickler mit Informationen über einige der vulgären Ausdrücke versorgt und ihm empfohlen, seine Anwendung nochmals vorzulegen, sobald sie über eingebaute Jugendschutzmaßnahmen verfüge", so Schiller.

Vulgäre Begriffe

Der Entwickler habe sich daraufhin von sich aus dazu entschlossen, die inkriminierten Begriffe zu filtern, um seine Anwendung schneller in den App Store zu bekommen. Aber auch dann gab es noch Probleme. Schiller: "Obwohl sich der Entwickler dazu entschlossen hat, einige Begriffe zu zensieren, gab es immer noch genügend vulgäre Wörter darin, sodass er ein Jugendschutz-Rating von 17 plus erhielt." Der Entwickler sei also für die Zensurmaßnahme in Ninjawords verantwortlich, so Schiller. Es wäre am besten gewesen, wenn der Entwickler damit gewartet hätte, bis der App Store automatische Jugendschutzmaßnahmen unterstützt, was ab Version 3.0 des iPhone OS der Fall gewesen sei.

In diesem Punkt konnte Gruber Schillers Argumentationslinie nachvollziehen. Matchstick hatte Ninjawords am 13. Mai eingereicht. Die Jugendschutzsysteme wurden am 17. Juni in den App Store und iPhone OS implementiert. Matchstick habe von dem neuen System nichts wissen können, habe aber versucht, seine Anwendung so schnell wie möglich in den Verkauf zu bekommen - und der wird auf dem iPhone ausschließlich von Apple kontrolliert.

Konsistentes Prüfverfahren angemahnt

Gruber weist aber darauf hin, dass die Kontrollen der App-Store-Prüfer nicht konsistent ablaufen. Die beanstandeten Begriffe seien auch im American Heritage Dictionary (30 Dollar, Rating neun plus) und in Dictionary.com (kostenlos, Rating vier plus) enthalten, ebenso in diversen Übersetzungsprogrammen, die verschiedene Alterseinstufungen haben. Die Entwickler können das Altersstufenrating selbst festlegen, werden aber von Apple manchmal hochgestuft. Gruber kaufte sich das Chinesisch-Wörterbuch Qingwen im App Store, um festzustellen, dass "fuck" darin nicht aufgefunden werden könne, "shit" aber schon.

Die von Apple gegenüber Matchstick beanstandeten Begriffe seien auch in anderen Wörterbüchern mit niedrigerer Alterseinstufung vorhanden, so Gruber, der damit schließt, dass Apple zwar keine Wörterbücher zurückweise, weil diese Schimpfwörter enthielten, aber dass die Überprüfungen nicht immer zu denselben Resultaten führten. Es gebe aber keine etablierte Möglichkeit für Programmierer, gegen die Entscheidungen der Prüfer Einspruch zu erheben und auf Fehler hinzuweisen. Phil Schiller schreibt, dass Apple aus den Fehlern lernen wolle. Gruber glaubt, dass die Vorhersehbarkeit im Prüfungsprozess der App-Store-Anwendungen ein Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg der iPhone-Plattform sein wird. So oder so wirft der Vorfall ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass sich bei Mobilanwendungen und mobilen Inhalten ein Trend zur zentralisierten Kontrolle herausgebildet hat. Insofern ist der Ninjawords-Vorfall nicht so weit von Amazons Löschung nicht lizenzierter Ausgaben von George-Orwell-Büchern von seinem E-Book-Reader Kindle entfernt.

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