Die neue Welt im Smartphone-Browser
Mit Layar und dem Wikitude World Browser sind zwei Anwendungen für Android-Smartphones auf dem Markt, die Augmented Reality (AR) nutzen, um unterwegs die reale Welt mit der digitalen zu verbinden. ORF.at hat mit den Entwicklern über die Zukunftschancen dieser Technologie auf Mobiltelefonen gesprochen.
"Die Zukunft von Mobilanwendungen liegt darin, die digitale Welt mit der Realität zu verknüpfen. Diese Entwicklung wird massiv, wir stehen gerade erst am Anfang", schwärmt Maarten Lens-FitzGerald, Mitbegründer der niederländischen Firma SPRXmobile, über die neue Technologie Augmented Reality (AR). Sein Unternehmen steckt hinter einer der ersten AR-Anwendungen, mit der man als Smartphone-Nutzer "durch die Welt browsen" kann: Layar. Derzeit nur in den Niederlanden für Android-Smartphones erhältlich, wird die Anwendung bis zum Jahresende sowohl das iPhone erobert haben als auch in Österreich erhältlich sein.
GPS, Kamera und Kompass als Basis
Layar greift auf Standortinformation des Smartphone-Nutzers zurück, die via (A)GPS-Signal ermittelt wird. Auch Daten aus Kamera und Kompass des Mobilgeräts werden verwendet. Letzterer ist bei Android-Smartphones wie dem G1, HTC Magic und HTC Hero bereits im Gerät integriert. Hält man die Handykamera auf einen bestimmten Punkt, werden zusätzliche Informationen über bestimmte Objekte, die im Bild zu sehen sind, angezeigt. Das können im Falle von Layar etwa Häuser sein, die zum Verkauf stehen, oder auch der nächste verfügbare Bankomat. Es kann zwischen einzelnen "Folien", die jeweils andere Informationen beinhalten, hin- und hergewechselt werden.
World Browser aus Österreich
Auch das österreichische Start-up Mobilizy setzt auf das "Browsing in der realen Welt", wie es Martin Lechner, CTO und Mitbegründer des Unternehmens, nennt. Mit dem Wikitude World Browser brachten die Salzburger die erste AR-Anwendung in diesem Segment auf den Markt. Ähnlich wie bei Layar, "kann man sich mit Wikitude die Informationen zu dem Punkt, an dem ich mich gerade befinde, am Handy anzeigen lassen", erklärt Lechner. Im Gegensatz zu Layar werden bei der Anwendung der Salzburger auch die Daten von den in Android-Phones integrierten Beschleunigungssensoren ausgewertet. So wird etwa berücksichtigt, wie das Gerät gekippt sei.
Als Datenbasis kommen bei Wikitude georeferenzierte Wikipedia-Artikel und Qype zum Einsatz. Bei den georeferenzierten Artikeln sind Längengrad und Breitengrad verfügbar. Qype dagegen liefert vor allem Daten über Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hotels. Ursprünglich als "Travel Guide" gestartet, sollte Wikitude mit den verfügbaren Informationen vor allem Touristen helfen, sich direkt an Ort und Stelle über interessante Plätze in der Nähe zu informieren. "Wir haben allerdings entdeckt, dass unsere Nutzer nicht nur Touristen sind, sondern einfach Anwender, die sich in der Gegend umsehen wollen", so Lechner.
Mithilfe der Nutzer nach Wikipedia-Prinzip
Mobilizy schuf deshalb vor kurzem mit Wikitude.me die Möglichkeit, dass die Nutzer der Anwendung ähnlich wie bei Wikipedia und OpenStreetMap selbst interessante Punkte in das System integrieren können. "Die betreffende Information lässt sich direkt auf der Karte einzeichnen", erklärt Lechner.
Allerdings befinde sich das Service derzeit noch im geschlossenen Betastadium. Auch eine offene Programmierschnittstelle für Entwickler wurde vor kurzem freigegeben, die die AR-Kameraansicht nutzbar macht. "Dadurch verbreitet sich Wikitiude schneller. Je mehr Leute drüber nachdenken, welche AR-Programme man schreiben kann, umso besser für uns. Man kann viel mehr machen, als "nur" Points of Interest (POIs) einzublenden", erklärt Lechner.
Spiele sollen breiteres Publikum anziehen
Die Einsatzmöglichkeiten von erweiterter Realität auf Mobilgeräten sind tatsächlich vielfältig. "Wir haben jetzt mit Informationen begonnen, aber in Zukunft werden es vor allem Spieleanwendungen sein, die die Massen begeistern können. Augmented Reality braucht Spiele, um auch ein breiteres Publikum anzuziehen", so Lens-FitzGerald.
"Mein persönlicher Traum ist es, Mario Bros. auf Layar zu realisieren: Auf einem öffentlichen Platz gemeinsam mit Freunden ein bestimmtes Item aufzusammeln, dazu alte Atari-Spielesounds", erzählt Lens-FitzGerald.
Soziales Netzwerken und 3-D-Brillen
"AR am Handy ist sicher nicht die letzte Entwicklung", gibt sich auch Lechner überzeugt."Wir können uns sehr gut vorstellen, dass, ähnlich wie 'Terminator', jemand eine Brille aufsetzt und dieser dann die wichtigsten Informationen direkt auf dieser präsentiert bekommt." Lens-FitzGerald schätzt, dass diese Zukunftsmusik bereits im Laufe von 2010 Realität werden könnte.
Auch das Soziale Netzwerken wird durch die erweiterte Realität einfacher. Eine der ersten Anwendungen, die die offene Programmierschnittstelle von Layar genutzt hat, ist etwa Tweetmondo.com, ein Dienst, mit dem sich Twitter-Nutzer auf bestimmten Plätzen per GPS-Signal aufspüren lassen. Die Handykamera zeigt die Twitter-Profile der Personen an, die sich am selben Ort befinden.
Geschäftsmodell gesucht
Bis dato lässt sich mit Anwendungen wie Layar und Wikitude nicht viel Geld verdienen. Doch beide Unternehmen zeigen sich optimistisch, ihre aufwendigen Projekte in Zukunft monetarisieren zu können. "Wir wollen unsere Plattform zuerst populär machen", heißt es seitens Lens-FitzGerald. "Dann könne man etwa beim Verkauf von einzelnen Folien, wie einer Lonley-Planet-Folie für eine bestimmte Stadt, mitschneiden.
Dasselbe gilt für Wikitude. "Wir müssen weitere Nutzer gewinnen, um für Werbekunden interessanter zu werden. Dann erst lässt sich Wikitude monetarisieren, in dem wir etwa Werbeflächen anbieten oder kommerziellen Content farblich anders kennzeichnen", so Lechner.
IPhone als neue Plattform für AR-Anwendungen
Mehr Nutzer zu bekommen, könnte schon bald für beide Unternehmen Realität werden: Apple erlaubt mit dem Update auf die 3.1-Version der iPhone-Software künftig, dass die Kamera-Inputs von Anwendungen gesteuert werden und diese mit graphischer Information angereichert werden können. Damit werden AR-Anwendungen künftig auch auf dem iPhone möglich sein. Für die Teams von Layar und Wikitude bedeutet das jetzt, ihre Anwendungen iPhone-kompatibel zu machen.
Das sei äußerst schwierig, so Lens-FitzGerald. "Das ist so, als ob man eine Browser-Version für OSX schreibt und eine für Windows", beschreibt der Niederländer. "Grundsätzlich werden zwei komplett verschiedene Programmiersprachen verwendet. Auf Android laufen Java-Programme, Software für das iPhone muss in Objective C geschrieben werden. Man kann praktisch nur die Ideen übernehmen und muss die Anwendung zweimal schreiben", erklärt Lechner.
Zusammenarbeit soll Entwicklung vorantreiben
Um die weitere Verbreitung und Entwicklung von AR-Anwendungen zu fördern, gründeten acht Unternehmen, darunter sowohl die Entwickler von Layar als auch von Wikitude, im Juni das AR-Konsortium. Dort tausche man sich aus, erzählt Lechner. Denn nur zusammen könne man technische Standards rasch umsetzen und wachsen. Denn eines ist sicher: Das Browsen durch die reale Welt auf einfachen Smartphones ist nur der Anfang der Entwicklung.
(futurezone/Barbara Wimmer)