Die Herausforderungen des verfluchten Bergs
Am Freitag kommt mit "Cursed Mountain" für die Wii das erste Spiel auf den Markt, das vom heimischen Gamestudio Deep Silver Vienna nach dem Outsourcing-Prinzip entwickelt wurde. Insgesamt 236 Leute aus 16 Firmen in 14 Ländern haben an dem Spiel mitgearbeitet. Das Konzept sei "nichts für Zartbesaitete", sagt Hannes Seifert von Deep Silver Vienna.
Auf der Entwicklerkonferenz GDC Europe, die von Montag bis Mittwoch im Rahmen der Spielemesse Gamescom in Köln stattfindet, haben die Entwickler von "Cursed Mountain" am Montagabend ein gemischtes, aber positives Resumee ihrer neuen Herangehensweise an die Spieleentwicklung gezogen.
"Ride to Hell" wurde von Deep Silver Vienna ebenfalls mit externen Partnern produziert und bereits 2008 auf der E3 vorgestellt, laut Seifert wird daran aber noch gearbeitet.
Entwicklung mit verteilten Rollen
Das Studio Deep Silver Vienna, ehemals Games that Matter, das wiederum aus Rockstar Vienna hervorgegangen ist, entwickelt seine Spiele nicht - wie sonst meist üblich - vollständig selbst, sondern hat die verschiedenen Produktionsschritte an andere Firmen ausgelagert und war bei dem Spiel für das Konzept, die Produktion, die Finanzierung und die Koordination zuständig.
Die eigentliche Programmierung wurde vom österreichischen Entwicklerstudio Sproing übernommen, das wiederum viele Teile selbst zugeliefert bekam, unter anderem von Immersive Games mit Sitz in London und einem Entwicklungsstudio in Indien und dem Spieledesigner und Autor Bob Bates, der in der US-Hauptstadt Washington arbeitet.
Verloren im Himalaya
In "Cursed Mountain" geht es um einen Extrembergsteiger, der auf der Suche nach seinem im Himalaya vermissten Bruder seltsame Vorkommnisse entdeckt, die dazu geführt haben, dass alle Einheimischen die Gegend fluchtartig verlassen mussten. Nicht sicher, ob es sich dabei um Halluzinationen oder Geister handelt, macht er sich auch auf die Suche nach dem Ursprung dieser Erscheinungen.
Das Spiel erscheint am 21. August (in Europa, am 25. August in den USA) nur auf der Wii, die spezielle Steuerung mache es auch schwer, es auf andere Systeme zu portieren, so Seifert. So muss der Spieler mit beiden Händen arbeiten, um einen Geist mit einem Gebet zu erlösen.
Das Spiel ist in den 1980er Jahren angesiedelt, auch um viele der heutzutage selbstverständlichen technischen Hilfsmittel wie GPS auslassen zu können, erklärt Seifert. Es sei zudem viel Zeit in die Recherche investiert worden, alle verwendeten Gegenstände, Gottheiten und Gebete seien dem tibetischen Buddhismus getreu nachempfunden worden. Mit den Gebeten kann der Spieler in dem Survial-Horror-Game mit Adventure- und Action-Elementen die Geister erlösen, mit einem Eispickel kann er sie sich bis dahin vom Leib halten.
Zeit- und Geldplan knapp verfehlt
18 Monate waren für die Entwicklung eingeplant, 19 Monate sind es schließlich geworden: "Unterm Strich sind wir damit ziemlich gut, vor allem das Ende ging dann schnell", so Seifert gegenüber ORF.at. Das Budget sei um einen sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich überzogen worden. Die Produktionskosten seien im Vergleich zu anderen Spielen zwar ein wenig höher gelegen, die Gesamtkosten für den Publisher dafür aber niedriger.
"Wenn ich bei Sproing die Programmierung einkaufe, zahle ich natürlich deren Overheads und auch ihren Gewinn mit. Auf der anderen Seite erspare ich mir so Stehzeiten in meinem eigenen Team. Es geht vor allem um Kosteneffizienz", erklärt Seifert. Zudem könne sich der Publisher die richtigen Leute zu genau dem Zeitpunkt holen, an dem sie auch gebraucht werden.
Für Harald Riegler, Geschäftsführer von Sproing, liegt der größte Vorteil, Spiele auf diese Art zu produzieren, in der Ersparnis auf Publisherseite. Sproing habe aber selbst ebenfalls profitiert: "Bei diesem Projekt haben wir die Mittel bekommen, um etwas zu produzieren, das auch international relevant ist." "Cursed Mountain" sei eines der wichtigsten Spiele, die jemals in Österreich produziert wurden. "Das ist die Nerven schon wert."
Firmenkultur als Reibungspunkt
Die Koordination der unterschiedlichen Arbeitszeiten und vor allem die Kommunikation der verschiedenen Partner seien die größten Herausforderungen bei dem Projekt gewesen, so Seifert in seinem Vortrag. Auch sei es nicht ganz einfach gewesen, die unterschiedlichen Firmenkulturen und Emotionen, die gerade bei der Spieleentwicklung entstehen würden, unter einen Hut zu bringen: "Das haben wir unterschätzt." Die Zuständigkeiten der Hauptpartner müssten bei einem solchen Projekt außerdem sehr genau definiert werden, um nicht unnötige Reibungspunkte zu schaffen.
Hetal Bhuva von Immersive Games fügte hinzu, dass zu Beginn die Vision des Spiels nicht ausreichend kommuniziert wurde, Bates hat laut eigenen Aussagen unter den sehr straffen Deadlines gelitten, und Sproing hatte laut Riegler selbst falsche Erwartungen in die eigene Rolle gesetzt. "Wir mussten uns erst daran gewöhnen, dass wir nicht wie sonst alles selbst unter Kontrolle hatten, sondern uns als Dienstleister unterordnen mussten", so Riegler selbstkritisch. Es habe ein wenig gedauert, bis sich jeder in die Rolle eingefügt habe.
Kommunikation ist wichtig
"Es ist ist nichts für Zartbesaitete", schilderte Seifert im Anschluss an den Vortrag ORF.at - aber mittlerweile sei auch die klassische Spieleentwicklung nichts mehr für Zartbesaitete. Trotz aller Widrigkeiten, wie ein bankrottgegangener Partner, sei die Entwicklung erstaunlich harmlos gewesen im Vergleich zu früheren Projekten - für ihn ein Beweis, dass das Konzept funktioniere und sehr zukunftsträchtig sei: "Es gab Probleme, aber wir haben sie gelöst und insgesamt sind wir mit dem Ergebnis mehr als zufrieden." Er habe nicht erwartet, dass es einfach werde, aber auch nicht, dass es am Ende so gut funktioniert habe.
Gut gelaufen ist laut Seifert die Kommunikation über Videokonferenzen der über die ganzen Welt verstreuten Partner, überhaupt sei ausreichende Kommunikation bei solchen Projekten das Wichtigste: "Man kann gar nicht zu viel in die Kommunikation investieren." Allerdings sollten sich die Partner zumindest einmal zu Beginn des Projekts von Angesicht zu Angesicht treffen, um einander persönlich kennenzulernen und später auch richtig einschätzen zu können.
Ein Bier zum Kennenlernen
"Gerade wenn man so verteilt arbeitet, kommt leicht Paranoia auf, wenn es ums Feedback geht", erzählte Bates, der am Anfang des Projekts für ein paar Tage in Wien war, sonst aber nur aus Washington zugearbeitet hat, im Vortrag. Er habe besonders das klare und vor allem schnelle Feedback geschätzt, die Videokonferenzen hätten viel Zeit und Geld für Reisen gespart, zu Beginn sollte man für den sozialen Kontakt aber trotzdem gemeinsam ein Bier trinken gehen, so Bates.
Bhuva kannte das Team aus Wien schon, für sie sei es entsprechend einfacher gewesen, erzählte sie. Um gerade in kritischen Zeiten Reibungspunkte etwa wegen der Zeitverschiebung zu vermeiden, habe sie das Team in Indien mit Wien synchronisiert. Allerdings ersparte das den Mitarbeitern in Wien nicht ganz, auch einmal bis spät in die Nacht zu arbeiten, fügte Seifert hinzu.
"Wir haben viel gelernt"
Für Riegler zählte vor allem, dass alle Beteiligten an das Spiel geglaubt haben, das offene Feedback habe auch gut funktioniert - allerdings erst nach einigen Reibereien, wie Sproing und Deep Silver Vienna durchblicken ließen. So ist es bei Deep Silver Vienna Usus, täglich zahlreiche E-Mails zu verschicken, bei Sproing hingegen nur einige pro Tag. Sproing beschwerte sich über die E-Mail-Flut, Deep Silver Vienna hingegen über die mangelnde Reaktionsbereitschaft. Auch die Streitkultur sei unterschiedlich gewesen, und die beiden Firmen hätten sich erst aneinander anpassen müssen.
Deep Silver Vienna will dem Konzept treu bleiben, es gebe schon einige neue Ideen, so Seifert, ohne ins Detail gehen zu wollen. 70 Prozent der bisherigen Partner wollen ebenfalls wieder auf diese Weise mit dem Wiener Spieleentwickler zusammenarbeiten. "Wir haben im Team viel gelernt, es ist ein anderes Profil und eine andere Herausforderung - aber für mich zählt immer das Endresultat", so Seifert.
(futurezone/Nadja Igler)