Mixcloud sammelt Radiosendungen im Netz
Mit Mixcloud gibt es einen neuen Online-Musikdienst, der sich ganz dem Radio und der sozialen Nutzung des Web verschrieben hat. DJs und Radio-Hosts können ihre Inhalte hochladen, Nutzer können diese in sogenannten "Cloudcasts" hören und weiterempfehlen. Teil eins der Futurezone.ORF.at-Serie über innovative Musikdienste.
Eines Abends saßen die drei Gründer von Mixcloud, Nico Perez, Nikhil Shah und Mat Clayton, miteinander in einem Londoner Pub und ärgerten sich zum wiederholten Male über Filesharing-Dienste wie Rapidshare oder MegaUpload, die derzeit von vielen DJs und Radio-Hosts benutzt werden, um ihre Sendungen und DJ-Sets im Internet zugänglich zu machen. Der Grund für den Ärger: Das Angebot werde nur von Leuten, die den Link kennen, entdeckt, da es nicht in Suchmaschinen gelistet werde, erklärt Shah. "DJs und Radio-Hosts wollen aber, dass ihre Inhalte von so vielen Leuten wie möglich gehört werden."
Radio in der Wolke
Beta-Version
Mixcloud befindet sich derzeit noch in der geschlossenen Beta-Phase. Wer das Angebot testen möchte, braucht eine Einladung. Diese werden auf Anfrage erteilt.
An jenem Abend im Frühjahr 2008 entstand das Konzept für Mixcloud. "Wir wollten das Problem lösen", erzählt Perez im Gespräch mit ORF.at. Ein Jahr später ging die Beta-Version ans Netz. Auf Mixcloud können sich seither registrierte Nutzer Radioinhalte und DJ-Sets anhören, die als "Cloudcasts" bezeichnet werden. Die Inhalte auf Mixcloud werden nämlich nicht auf lokalen Rechnern gespeichert, sondern befinden sich in der Wolke des Amazon-Webservices. "Für uns ist das ein großer Vorteil, da wir nur den Traffic zu bezahlen haben, der tatsächlich anfällt", so Perez.
"Cloudcasts sind viel sozialer"
Doch nicht nur der Storing-Aspekt unterscheidet die Cloudcasts von klassichen Podcasts. "Cloudcasts sind viel sozialer", so Perez. Auf Mixcloud können sich Nutzer und Inhalte-Anbieter vernetzen. Dies geschieht auf ähnliche Weise wie beim Microblogging-Dienst Twitter. Man kann sich gegenseitig folgen, oder aber es folgt nur der Nutzer dem Inhalte-Anbieter (oder umgekehrt). Sowohl Nutzer als auch Inhalte-Anbieter können außerdem sehen, wer sich den Cloudcast angehört hat - und sich danach bei Interesse weiter vernetzen. Auch Ähnlichkeiten mit dem Sozialen Netzwerk Facebook sind erkennbar: Es können auf den Pinnwänden der Nutzerprofile Kommentare hinterlassen werden.
"Wir sind kein reines Musikservice"
Derzeit sind auf Mixcloud nur Cloudcasts zu finden, die Musik beinhalten. DJ-Sets aus den Bereichen Reggae, House, Electro, Soul dominieren die Liste der populärsten Cloudcasts. Dennoch sieht sich Mixcloud nicht als reines Musikservice. "Wir bieten keine individuellen Songs an. Derzeit sind wir dabei, die Infrastruktur für Dokumentar- und Sprachsendungen aufzubereiten. Das ist einer unserer nächsten Schritte", erklärt Perez. Die bestehenden Musikdienste wie Last.Fm oder Spotify hätten Radioangebote außerdem gänzlich ignoriert.
Lizenzgebühren für die Künstler
Auch mit der British Broadcasting Corporation (BBC) sei man derzeit in Gesprächen, eine offizielle Partnerschaft zu erwirken. "Derzeit haben wir keine Rechte, kommerzielle Inhalte auf Mixcloud zu stellen." Wenn in Zukunft eine Radiosendung von einem Nutzer hochgeladen werde, die von einer kommerziellen Radiostation stammt, werde diese von Mixcloud unverzüglich gelöscht, so Perez. "Eine Langzeitlösung für dieses Problem haben wir allerdings noch nicht."
Um einen Cloudcast bei Mixcloud anzulegen, wird von den DJs oder Radio-Hosts das Ausfüllen einer Playlist verlangt. Diese dient dazu, dass die Künstler, deren Musik in den Cloudcasts gespielt wird, ihre Tantiemen bekommen. Dies gilt auch dann, wenn, wie bei Radiosendungen üblich, über die Musik drübergesprochen wird. Mixcloud hat mit der britischen Verwertungsgesellschaft PRS for Music einen Lizenzvertrag für ihr Angebot abgeschlossen. Dieser sei für die Betreiber von Mixcloud "vertretbar". "Die Musikindustrie wacht langsam auf und kommt drauf, dass sich mit kleineren Beträgen ein größerer Prozentsatz monetarisieren lässt", zeigt sich Perez erfreut.
Werbung und Premium-Accounts
Auch das Geschäftsmodell von Mixcloud klingt vielversprechend. Geplant sei eine Mixtur aus Online-Werbung und Gebühren für Nutzer und Content-Anbieter für spezielle Dienstleistungen, so Perez. Die Nutzung von Mixcloud werde weiterhin gratis sein, erklärt Perez. "Aber es wird einerseits einen Premium-Account für die Zuhörer geben, die besondere Angebote und eine werbefreie Zone haben wollen, andererseits ein Premium-Modell für die Anbieter von Inhalten, die ihre Shows regelmäßig bei uns hosten möchten und mehr Platz benötigen." Perez geht dabei davon aus, dass etwa zwei bis vier Prozent der Nutzer einen Premium-Account in Anspruch nehmen werden.
"Innovative Musikdienste"
In der Serie "Innovative Musikdienste" veröffentlicht Futurezone.ORF.at in unregelmäßigen Abständen Beiträge über neue Musikdienste. Anregungen sind willkommen.
WLAN-Radio und mobile Version
"Unsere Vision ist es, das YouTube für das Radio zu werden", schwärmt Perez. Doch derzeit stehe man erst am Anfang. Die Beta-Phase soll noch im Laufe des Jahres beendet werden. Die weiteren Pläne des Londoner Unternehmens sehen vor, dass die Cloudcasts künftig in gängige WLAN-Radiosoftware-Archive eingespeist werden. Auch eine mobile Version von Mixcloud, etwa für das iPhone oder Android-Smartphones, sei in Planung.
(futurezone/Barbara Wimmer)