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Countdown für den UMTS-Nachfolger

Long Term Evolution
24.08.2009

Rund um den Globus laufen dieser Tage Feldversuche mit superschnellem, drahtlosem LTE-Breitband an. Vodafone testet in London, Verizon in Seattle, Motorola ärgert Ericsson mit Tests ausgerechnet in Stockholm. In Österreich präsentieren T-Mobile heute in Innsbruck und Orange am Donnerstag in Wiener Neustadt ihre LTE-Projekte.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass irgendwo auf der Welt neue Allianzen verkündet werden oder ein neues LTE-Produkt erscheint. Naturgemäß handelt es sich dabei noch nicht um Endgeräte für den UMTS-Nachfolger Long Term Evolution (LTE), sondern um Komponenten für Netzwerke und Basisstationen, Mess-Equipment oder Chips. LTE ermöglicht Datenübertragungsraten von bis zu 100 MBit/s (Download) bzw. 50 MBit/s (Upload).

Am Freitag wurde bekanntgegeben, dass Motorola und NEC die Komponenten für das künftige LTE-Netz von KDDI, der Nummer zwei auf dem japanischen Markt, liefern werden. Bedeutsam ist das insofern, weil KDDI bis dato nicht auf die GSM/UMTS-Familie gesetzt hatte, zu der auch LTE gehört, sondern auf den konkurrierenden US-Standard CDMA/CDMA2000, dessen Tage offenbar gezählt sind.

LTE in den USA

Am Donnerstag wiederum hatte Verizon erfolgreiche LTE-Tests in Seattle und in Boston bekanntgegeben, und zwar im Frequenzbereich um 700 MHz. Dabei handelt es sich um die ehemaligen Bänder des analog-terrestrischen Fernsehens, die erst im März dieses Jahres in den USA versteigert worden waren.

Mit Nokia Siemens Networks, Ericsson und Alcatel-Lucent waren gleich drei Schwergewichte aus dem Telekomzulieferkreis am Test beteiligt, aber auch der größte europäische Mobilfunker Vodafone, der Anteile an Verizon hält.

Spannend war der Test insofern, weil das technische Design von LTE ursprünglich nur für den Betrieb in wesentlich höheren Frequenzbändern - zwischen 1,9 und 2,6 GHz - vorgesehen war, wo von Ausbreitungsbedingungen bis zu Störungen andere physikalische Parameter gegeben sind.

Digitale Dividende

Vodafone ist mit seinem Partner Huawei gerade dabei, LTE in jenem Spektrum zu testen, das in Europa großteils für die Vergabe an die Mobilfunker vorgesehen ist, also im Bereich 790 bis 862 MHz.

In Großbritannien, Deutschland und mehreren anderen europäischen Staaten wurde dieser ehemals von Analog-TV bespielte Bereich alias "digitale Dividende" bereits vorrangig dem Mobilfunk zugewiesen, anderswo spießt es sich, etwa auch in Österreich, weil diese Bänder nur scheinbar frei geworden sind.

Der österreichische Frequenznutzungsplan - und nicht nur der - weist Funkmikrofone in jenem Bereich, der bisher vom Analog-TV belegt war, als Sekundärnutzer aus. Das sind Kulturveranstalter von der Seebühne Bregenz bis zum Novarock-Festival, von den Salzburger Festspielen bis zu denen in Mörbisch, außerdem Radio und TV-Studios, Filmsets und Konzertsäle.

Motorola wiederum hat sein LTE-Demonstrationsnetzwerk für Nordeuropa ausgerechnet in jenem Stadtviertel Stockholms aufgezogen, wo auch das Hauptquartier des Konkurrenten Ericsson angesiedelt ist.

Hektik in der Branche

Grund für die hektische Betriebsamkeit im gesamten Mobilfunksektor ist das zu erwartende Geschäft. Für 2011 erwarten die Analysten von Jupiter Research bereits LTE-Kunden im zweistelligen Millionenbereich, bis 2014 sollen schon 100 Millionen den breitbandigen Drahtlosdienst nutzen.

In welchem Land dann tatsächlich das erste LTE-Netz weltweit in den regulären Betrieb gehen wird, ist noch nicht entschieden. Es ist jedoch gut möglich, dass dieser europäische Standard sein Debüt auf einem anderen Kontinent feiert.

Wichtige Weichen

Von allen hoch entwickelten Ländern sind die USA bis jetzt am schlechtesten mit drahtlosem Breitband ausgestattet, das heißt, hier öffnet sich ein riesiger Markt. Zudem sind in den USA bereits wichtige Weichen gestellt, etwa die Neuvergabe von Teilen des analogen TV-Spektrums an die Mobilfunker.

Das wird einen deutlich kostengünstigeren Netzaufbau ermöglichen, da diese Frequenzen weitaus größere Funkzellen zulassen, als im Bereich über zwei GHz möglich ist. LTE im 700- bzw. 800-MHz-Band kommt so nicht nur mit viel weniger Sendemasten aus als herkömmliches UMTS (2,1 GHz), auch die Gebäudepenetration ist wesentlich besser, da höhere Frequenzen vielfach stärker von den Fassaden reflektiert werden.

Zudem war eine der ersten Aktionen der Regierung von Präsident Barack Obama, ein Förderprogramm für Breitbandanbindungen vor allem im ländlichen Raum ins Leben zu rufen.

Feldversuche in Europa

Quer durch Europa, wo der LTE-Standard entwickelt wurde, gibt es zwar jede Menge Feldversuche, so auch in Österreich. Sowohl die mobilkom wie auch T-Mobile haben Testinstallationen laufen, T-Mobile hat am Montag sein LTE-Projekt in Innsbruck vorgestellt, wo gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller Huawei ein Netz mit 60 Funkzellen installiert wurde, das Anfang Juli in den Probebetrieb gegangen ist. Am Donnerstag erhebt Orange Wiener Neustadt zur "Future Town".

Dass Österreich - wie schon bei UMTS - auch bei LTE in Europa eine Vorreiterrolle übernehmen könnte, ist freilich weniger wahrscheinlich.

Wer Kunden Bandbreiten von "bis zu" 100 MBit/s anbieten will, muss diese Datenmengen vom Funkmast auch abtransportieren, was die Mobilfunkbranche "Backhaul" nennt. Dafür braucht es allerdings ein großflächig verfügbares Glasfasernetz, das es in Österreich so nicht gibt.

LTE-Favorit Schweden

Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird daher Schweden, wo der weltweit führende Mobilfunkzulieferer Ericsson zu Hause ist, das Rennen in Europa machen. Zum einen verfügt Schweden dank einer klugen Infrastrukturpolitik über das fortgeschrittenste Glasfasernetz Europas, der "Backhaul" großer Datenmengen ist dort kein Problem.

Zum anderen sind gleich drei Telekomschwergewichte im LTE-Sektor engagiert: Der Incumbent TeliaSonera, Tele2 (Nummer zwei in Schweden) und Telenor (Incumbent Norwegen) haben für den LTE-Ausbau eine Allianz geschlossen.

Weitere Indizien dafür, dass große Teile der Branche damit rechnen, dass Schweden das bevorzugte Testfeld wird, sind das auffällige Engagement von Motorola im "Ericsson-Land" sowie der Umstand, dass der weltgrößte Chiphersteller Intel eine Lizenz für LTE-Frequenzen in Schweden hält.

Das rasante Kundenwachstum soll nämlich von bestimmten Endgeräten getrieben werden, an denen der Chipgigant größtes Interesse hat. Jupiter und andere Marktforscher haben Notebooks mit eingebauten LTE-Chipsets als Technologieantreiber ausgemacht.

Die Konferenzen

Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es bis zum Launch des ersten LTE-Netzes nicht mehr weit sein kann, ist die sichtbar gestiegene Zahl einschlägiger internationaler Konferenzen. Für die ersten beiden September-Wochen sind allein drei hochkarätig besetzte Veranstaltungen angesagt.

Am 10. September steigt in Amsterdam die LTE Focus unter der Schirmherschaft von Motorola, Alcatel-Lucent ist ebenfalls stark vertreten. Am selben Tag eröffnet US-Medienexperte Om Malik die "Mobilize - The Future of the Mobile Web"-Konferenz in San Francisco, die Keynotes kommen von T-Mobile, Motorola, Microsoft, Intel und HP.

Davor, nämlich von 1. bis 3. September, tagt in Los Angeles die "4G Wireless Evolution"-Konferenz 2009, die in den Vorjahren vom WiMAX-Lager dominiert wurde. Dem sind nur noch die beiden Keynote-Sprecher übrig geblieben, die Vorträge dominiert der europäische Standard LTE: Einer trägt den Titel: "LTE - When Worlds Collide".

(futurezone/Erich Moechel)