Videogames: Zwischen Anspruch und Realität
Knapp 290.000 Besucher haben die zwei deutschen Spielemessen, die Gamescom in Köln und die Games Convention Online in Leipzig, im August angezogen. Während in Köln unter anderem über die inhaltliche Zukunft des Gamings diskutiert wurde, bewies die boomende Branche der Online-Spiele, dass mit kostenlosen Games durchaus Geld zu verdienen ist.
Videospiele sind keine Beschäftigung nur für Nerds und Kinder, sie wurden bereits fixer Bestandteil unserer Kultur. Wie sehr, zeigte sich diesen August bei der Gamescom und der Games Convention Online (GCO) in Deutschland. 245.000 Besucher zählte die Gamescom, 43.000 die GCO, die sich nach der Übersiedlung der Branchengrößen nach Köln auf Online, -Browser- und Handy-Games spezialisierte.
Am Sonntag in "matrix"
Mehr dazu hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
In Köln dominierten die großen Anbieter das Geschehen, wie etwa Microsoft, das hinter verschlossenen Türen seine Bewegungssteuerung "Project Natal" demonstrierte. Auf der Entwicklermesse GDC, die vor der Gamescom in Köln stattfand, wurde aber auch über andere Aspekte der Gaming-Zukunft gesprochen, wie etwa mehr emotionalen Tiefgang für Videospiele.
Vorerst keine technischen Sprünge
Da sich die Technik nicht mehr so schnell entwickle, würden die Spieler wieder mehr Wert auf Inhalt und Geschichte eines Videospiels legen, waren sich viele Entwickler einig. Cevat Yerli, Geschäftsführer der deutschen Spieleentwicklerfirma Crytek, bekannt für die grafischen Leistungen ihrer CryEngine, erklärte in seinem Vortrag, dass sich die Grafik von Videospielen in den nächsten fünf Jahren nicht gravierend verbessern wird. Erst 2012 soll eine realistischere Grafik möglich sein.
Bis Spiele und vor allem die Spielfiguren optisch so real und lebendig werden, dass sie den Spieler schon alleine auf diesem Weg in den Bann ziehen, wird es aber noch länger dauern, erklärt Yerli dann im Interview. Denn es gehe nicht alleine darum, Spiele mit möglichst viel Rechenleistung fotorealistischer zu machen.
Psychologischer Background für Spielfiguren
Bei der Animation eines digitalen Menschen gehe es nun auch darum, Reaktionen und vor allem Emotionen möglichst realitätsnah erzeugen und darstellen zu können - und das in Echtzeit. Daher müsse in Zukunft unter anderem die Psychologie in der Spielentwicklung eine größere Rolle spielen, sagt Yerli, damit Spielfiguren nicht mehr als animierte Puppen wahrgenommen werden.
"Sobald ich einen lebendigen Charakter haben möchte, der mit mir interagiert und sich intelligent verhält, müsste ich viele Subsysteme haben, von der künstlichen Intelligenz über Emotionssystemen bis hin zu Sprachsystemen." Es werde noch mindestens zehn bis 15 Jahre dauern, bis Agenten komplett autonom reagieren könnten, meint Yerli.
"Die Grafik und die Bewegung werden wir wahrscheinlich in fünf Jahren in den Griff bekommen, aber die inneren Werte zu zeigen, wie der Charakter auch sein wird, das wird eine andere Herausforderung." Hier gebe es noch nicht einmal Grundlagenforschung, so Yerli, der auch nicht glaubt, dass Peter Molyneuxs interaktives Kind "Milo" bald Realität sein wird.
Online-Games im Kommen
Bis 2008 war Leipzig der Veranstaltungsort für die bis dahin größte europäische Spielemesse, dieses Jahr kam nur ein Bruchteil, um sich die aktuellen Trends im Online-Gaming anzusehen. Dazu gehört auch, dass sich Browser-Spiele in Sachen Grafik nicht mehr verstecken müssen, wie etwa "Poisonville" vom deutschen Anbieter Bigpoint zeigte.
Auch sonst gibt sich die Branche selbstbewusst: Ihr Modell, Online-Spiele kostenlos anzubieten und für besondere Items und Möglichkeiten Geld zu verlangen, sei die Zukunft, meinen die beiden deutschen Anbieter Bigpoint und Gameforge. Das Modell funktioniere, sagt Carsten von Husen, Geschäftsführer einer Gameforge-Tochterfirma. Während andere Anbieter sparen müssen, baue Gameforge seine Mitarbeiterzahl heuer massiv aus.
Wer den großen Rummel suchte, war in Leipzig heuer fehl am Platz und wurde in Köln besser bedient. So mancher Besucher beschwerte sich über die geringe Zahl an Ausstellern, auch wenn mit Südkorea ein starker Vertreter in Sachen Online-Gaming als Partnerland für die GCO gewonnen werden konnte. Gerade im Außenbereich hatte Leipzig mehr von einem großen Outdoor-Festival als von einer Spielemesse im klassischen Sinn - einige Spieler fanden aber genau das gut und freuten sich, langjährige Kontakte aus dem Netz auch einmal offline treffen zu können.
Wiederholung 2010
Wie lange sich diese Zweiteilung der Branche halten kann, wird sich zeigen. Sowohl Leipzig als auch Köln waren offiziell mit ihren Messen zufrieden, auch wenn Leipzig den Communitycharakter der GCO noch ausbauen will. Köln wird wohl vor allem daran arbeiten, dass noch mehr Besucher zur Gamescom kommen, denn das war mit ein Grund, warum die Branche eine Verlegung nach Köln forderte. Was aus diesen Zielen und den Spielen selbst geworden ist, wird sich 2010 zeigen - beide Messen sollen kommendes Jahr wiederholt werden.
(matrix/Nadja Igler)