D: Twitter "kein Thema" bei Bundestagswahl

SOZIAL
01.09.2009

Bundeswahlleiter fordert restriktiven Umgang mit Befragungen

Der deutsche Bundeswahlleiter Roderich Egeler sieht in dem Internet-Dienst Twitter kein Risiko für die deutsche Bundestagswahl. "Ich stelle mir vor, dass das Thema Twitter für die Bundestagswahl kein Thema wird", sagte Egeler am Dienstag in Berlin. Sollten am 27. September dennoch erste Zahlen von Nachwahlbefragungen über Twitter an die Öffentlichkeit gelangen, werde er im Einzelfall prüfen, inwiefern eine Wahlbeeinflussung vorliege.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und im Saarland am Sonntag waren Prognosen bereits mehr als eine Stunde vor Schließung der Wahllokale über Twitter verbreitet worden. Derzeit prüfen die Landeswahlleiter, woher die Zahlen stammen.

Der Thüringer Wahlleiter erklärte, die über Twitter verbreiteten Angaben hätten kaum Ähnlichkeit mit den tatsächlich nach 18.00 Uhr für sein Bundesland veröffentlichten Prognosen der Meinungsforscher gehabt. Dagegen gebe es eine große Übereinstimmung mit der letzten regulär vor der Wahl veröffentlichten Umfrage eines Instituts.

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Restriktiver Umgang gefordert

Der Bundeswahlleiter erneuerte seinen Aufruf an die Wahlforschungsinstitute, mit den Ergebnissen von Nachwahlbefragungen restriktiv umzugehen. "Was das heißt, das wissen die Wahlforschungsinstitute sicherlich gut", sagte Egeler. Er gehe davon aus, dass die Institute aufgrund der aktuellen Diskussion noch einmal besonders für das Thema sensibilisiert würden. Die Vorabveröffentlichung von Nachwahlbefragungen ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Wahlforscher betonten, sie gingen schon jetzt äußerst restriktiv mit sensiblen Zahlen um. "Wir haben ein ausreichendes Problembewusstsein", sagte der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, dessen Institut das ZDF mit Umfragedaten beliefert. Auch der Konkurrent Infratest dimap achtet nach den Worten seines Geschäftsführers Richard Hilmer darauf, den Kreis derjenigen, die mit den Zahlen umgehen, klein zu halten und abzuschotten.

"Vielleicht kann man das noch verbessern", räumte Hilmer aber ein, dessen Institut die Prognosen für die ARD-Wahlberichterstattung erstellt. Man werde noch einmal prüfen, wo "auch unter Berücksichtigung der technischen Fortschritte" noch Verschärfungen möglich seien.

Verfassungsrechtler: Kein Anfechtungsgrund

Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner bezeichnete die Diskussion als theoretisch. "Die Behauptung, das verfälscht die Wahlen grob fahrlässig, ist massiv übertrieben", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch-Ausgabe). Die meisten Menschen hätten schon vor 17.00 Uhr gewählt, und die übrigen Wähler wurden nicht allesamt das Geschehen im Internet verfolgen.

Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim erklärte der Zeitung, dass er auch keinen Anfechtungsgrund sehe. Die Beeinflussung von Wählern sei bei den Landtagswahlen für ein juristisches Vorgehen zu gering gewesen. Er warnte allerdings vor zukünftigen Entwicklungen. Wenn die Veröffentlichungen zunähmen "und einem immer größeren Kreis der Wähler zugänglich werden, kann das zukünftig zu Wahlanfechtungen führen".

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(Reuters/AFP)