3-D-Fernsehen im Realitätscheck
Die Filmstudios und TV-Hersteller stehen schon in den Startlöchern: Dreidimensionales Fernsehen soll dem Zuschauer neue Programmattraktionen bieten. Anatol Locker hat die 3-D-Angebote auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin ausprobiert.
Die Shutterbrille drückt erstaunlicherweise nicht. Vielleicht liegt es daran, dass die Bilder, die vor den Augen flimmern, so neu und ungewohnt sind. Formel-1-Rennen aus der Cockpit-Perspektive, Actionszenen, Spiele: Das alles erzeugt in 3-D einen völlig anderen Kick.
Neben Panasonic und Sony hat auch Philips angekündigt, in Zukunft in Sachen 3-D forschen zu wollen. Samsung hatte bereits einen 3-D-ready-Fernseher im Angebot, der allerdings mangels Inhalten wieder vom Markt genommen wurde.
"Fernsehen 3.0", das auf der IFA bei Sony am Stand und bei Panasonic hinter verschlossenen Türen gezeigt wird, besitzt auf den ersten Blick eine neue Qualität. Durch die plastische Tiefe wird der Zuschauer schneller in den Bann des Films gezogen. Die gezeigten Demos erreichen dabei problemlos die Qualität eines 3-D-Kinofilms.
Brillenträger stehen allerdings vor dem Problem, dass zwei Gläser auf der Nase lasten, was zehn Minuten lang zu verschmerzen ist, dann allerdings richtig lästig werden kann.
Blockbuster statt Fernsehserie
Der 3-D-TV-Hype kommt ursprünglich aus dem Kino. In den USA setzt die Filmbranche vermehrt auf 3-D - die Streifen lassen sich nicht raubkopieren und nur in entsprechend ausgestatteten Kinos ansehen.
Vor allem Disney setzt auf die neue Technologie und bringt seine Toptitel in "normaler" und 3-D-Fassung heraus. Dabei zielt man mit Teenie-Filmen wie "Hannah Montana: Best of Both Worlds" und "Jonas Brothers: The 3D Concert Experience" auf ein sehr junges, kinounerfahrenes Publikum. Auch Warner, DreamWorks und New Line Cinema bieten 3-D-Filme an, 2010 werden Universal und Pixar folgen. Rund 20 Filme sind 2009 erschienen.
Der große Auftritt des 3-D-Kinos findet am 17. Dezember statt, wenn James Camerons "Avatar" weltweit in die Kinos kommt. Erste Ausschnitte des Öko-Sci-Fi-Spektakels zeigt Panasonic bereits auf der IFA - im 3-D-Kino natürlich.
Rolls-Royce des Fernsehens
Nun sind auf der IFA die ersten 3-D-Fernseher zu sehen. Da liegt die Vermutung nahe, dass es beim aktuellen 3-D-Hype nicht ums "normale" 3-D-Fernsehen, sondern um eine lückenlose finanzielle Verwertungskette der Kinofilme geht. Das macht Tim Page, Senior Manager Technology Marketing bei Sony Europe, auch im Interview klar: "Der Content wird von manchen Fernsehstationen kommen, aber hauptsächlich von den Filmstudios."
Auf "normales" Fernsehprogramm in 3-D wird man wohl länger warten müssen. Kameras, Schnitt und Technik sind bei 3-D aufwendig, die Zielgruppe erst einmal verschwindend klein. Der britische Sender Sky hat angekündigt, einen 3-D-Kanal anzubieten - mit welchen Inhalten, ist noch unklar.
Sony will bereits 2010 ein Bravia-Modell herausbringen - und zwar in der finanziellen Oberklasse: "3-D ist der Rolls-Royce des Fernsehens, also wird das nicht in einem 20-Zöller fürs Schlafzimmer erscheinen", meint Page. "Wir reden von 40- bis 56-Zöllern, die mit dieser Technologie ausgestattet werden sollen."
Allerdings braucht es für qualitativ hochwertige Bilder auch eine eigene Technik: "Der Chip bringt die Bilder in der entsprechenden Folge auf den Schirm und sendet außerdem Steuersignale per Infrarot an die Brille. Das erledigt ein Transmitter, der am Fernseher angebracht ist. Auf diese Weise laufen Bild und Shutterbrille synchron."
Weit entfernt vom Standard
3-D bringt auch der Blu-ray-Technologie, die in den letzten Jahren durch Internet-Streaming und digitale Downloads litt, neuen Rückenwind. "Das Blu-ray-Konsortium arbeitet an der Verabschiedung eines 3-D-Standards", heißt es. Wie dieser Standard aussehen soll, ist noch unklar.
So nutzen Sony und Panasonic aktive Shutterbrillen, die 200-mal pro Sekunde das linke und rechte Brillenglas an- und auschalten. Sony hatte im Jänner 2009 auf der CES ein passives System mit Polarisationsfilterbrille vorgestellt, das aber weniger Qualität bot. Sony nutzt LCD-Technologie, Panasonic einen Full-HD-Plasma. Beim Test auf der IFA fiel der Test zulasten des Plasma aus, der beim Sehen zwar einen großartigen räumlichen Effekt erzeugte, aber die Augen stark anstrengte - das allerdings ist ein rein subjektiver Eindruck.
Spiele ja, Camcorder nein
Auch Spiele lassen sich in 3-D umsetzen. Die Grafik liegt digital vor und lässt sich einfach in 3-D codieren. Auf der IFA zeigte Sony "Wipeout 3D" und "Motostorm 3D", die auf der PlayStation 3 Slim liefen. Ob 3-D-Videokameras für Consumer kommen werden, steht jedoch noch nicht fest.
Fassen wir zusammen: Es fehlen Standards. Die 3-D-Fernseher werden so teuer, dass man dafür Kinos mieten kann. Fernsehprogramm wird es vorerst kaum geben. Aber die nun angekündigten Geräte kommen bereits nächstes Jahr. Sind wir dann schon 3-D-ready?
(Anatol Locker)