
Menschenabbild als Forschungsroboter
Mit einer verblüffend echten Optik hat Hiroshi Ishiguro ein Ebenbild seiner selbst als Roboter geschaffen, mit dem er die Interaktion Mensch - Maschine erforscht. Wird beim diesjährigen Ars Electronica Festival ein neuer Golem ausgestellt?
Hiroshi Ishiguro ist Leiter des Intelligent Robotics Laboratory an der Universität im japanischen Osaka und stellt als "Featured Artist" bei der Ars Electronica 2009 seinen Roboter "Geminoid" aus.
Auf diese Wortkombination von "Geminus" (Zwilling) und "Android" (menschenähnliches Wesen) hört ein beindruckend ähnliches Ebenbild seines Schöpfers, das in der Main Gallery des neuen Ars Electronica Centers (AEC) adrett angezogen auf einem Sessel sitzt.
Hiroshi Ishiguro und sein Ebenbild "Geminoid".
Möglichst menschenähnlicher Roboter
"Geminoid" ist wie schon "Repliee R1", der weibliche und sehr menschenähnliche Roboter, den Ishiguro 2005 auf der Weltausstellung im japanischen Aichi gezeigt hatte, kein Roboter, wie man ihn sich üblicherweise vorstellt, mit blinkenden Augen, Metallarmen, Zangenhänden und eckigen Bewegungen - und das nicht nur allein wegen seiner Optik.
Sein ausgefeiltes mechanisches Skelett basiert auf einer geräuschlosen Pneumatik, die weit elastischere und organischere Bewegungen erlaubt als die sonst oft verwendeten elektrischen Schrittmotoren. Eine sorgfältig modellierte und bemalte Silikonhaut vermittelt eine menschenähnliche Haptik, wenn man "Geminoid" berührt.
Ziel dieses Aufwands ist die optische "Täuschung" des Betrachters, der Menschen, die "Geminoid" gegenübersitzen. Das Bewusstsein weiß klar, dass es sich um einen Roboter handelt, aber das Unterbewusstsein "fühlt" ein menschliches Gegenüber.
"Bei einem statischen Roboter meinen 70 Prozent der Leute, dass da etwas nicht stimmt, das ist kein Mensch. Aber bei Robotern mit 'subconscious movements' (unbewussten Bewegungen) sagen nahezu alle, das ist ein Mensch. Das war nur eine Untersuchung, die zwei Sekunden dauerte, aber wir können den großen Unterschied sehen", erzählt Ishiguro.
Der Operator von "Geminoid".
Während "Repliee R1" noch komplett schweigsam war, kann "Geminoid" sprechen. Weil Ishiguro seine Forschungen vorerst auf Bewegungsabläufe und Mimik konzentriert, wird die sprachliche Komponente noch über einen unauffällig und etwas entfernt sitzenden menschlichen Operator abgewickelt. Dessen Mimik und Kopfbewegungen werden gemeinsam mit den Lippenbewegungen verfolgt und auf "Geminoid" übertragen. Die komplexen Bewegungsabläufe sind einprogrammiert. Sie können abgerufen und flüssig miteinander kombiniert werden.
Unbewusste Bewegungen
"Geminoid" ist ein Forschungsroboter, bei dem willkürlich Bewegungen und Bewegungsmuster aktiviert und deaktiviert werden können, die ein Mensch bei sich selbst nicht kontrollieren kann, da sie unbewusst vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden ("Subconscious Movements", "Micro-Movements"). Diese Bewegungen sind bei der Interaktion mit anderen Menschen, bei der Einschätzung des Gegenübers und für die unterschwellige Kommunikation von großer Bedeutung. "Wir können die Menschen nicht kontrollieren. Um die Bedeutung der Augenbewegung zu untersuchen, muss ich ihre Augenbewegung stoppen", so Ishiguro. Mit einem Roboter sei das möglich.
Forschungen haben ergeben, dass diese Micro-Movements nicht zufällig sind, aber auch nicht regelmäßig oder vorhersagbar. In Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern werden diese Bewegungen und ihre Bedeutung für das Erkennen eines menschlichen Gegenübers erforscht. "Geminoid" dient als "Proof of Concept" für diese Forschungen, indem solche Bewegungen, zum Beispiel in der Mimik des Gesichts, isoliert mit einem Versuchspublikum untersucht werden können.
Fragebögen im Ausstellungsraum
"Wir überprüfen, welcher Faktor für die Mensch-Maschine-Interaktion wichtig ist. Niemand weiß das wirklich. Aber wir haben diese Art Roboter, mit der wir viele Faktoren steuern können und einen nach dem anderen abtesten können", sagt Ishiguro.
So liegen auch im Ausstellungsraum Fragebögen auf, in denen eruiert wird, wie man sich als Besucher "Geminoid" gegenüber fühlt. Der Grad von Interesse, Belustigung oder Irritation ist ein wesentlicher Gegenstand von Ishiguros Forschungen. Sein deutscher Mitarbeiter Christian Becker-Asano berichtet von den interessanten Versuchen mit dem Lachen des Roboters.
Eine Art moderner Golem
Gegenüber Laborbedingungen, wo Probanden mit Messungen des Hautwiderstands auf Stress oder Unbehagen bei der Konfrontation mit "Geminoid" überprüft werden und sich bei einem Lachen des Roboters deutlich unwohl und irritiert fühlen, ist die Situation im Linzer AEC entspannter, offenbar auch deshalb, weil sich die Besucher im Schutz eines sozialen Umfelds diesem für manche auch leicht unheimlichen Wesen, einer Art modernem Golem, nähern können.
Vor allem die Sprache, die von den Forschern bewusst roboterartig angelegt wird, macht vielfältige Aspekte der Interaktion Mensch - Maschine deutlich. Der Operator kann hier durch bewusst leicht andersartige Logik entweder den bewussten Erwartungen des Publikums entsprechen oder auf der anderen Seite versuchen, etwa durch Scherze die Schwelle der Irritation zu durchbrechen, also insgesamt eine große Bandbreite an Aspekten durchspielen.
Hinter dem großen technischen Aufwand, der hinter der Entwicklung und Fertigung von solch täuschend echt wirkenden Androiden steckt, verbergen sich die von Hiroshi Ishiguro gestellten, eigentlich simplen und doch schwierigen Fragen: "Was ist der Mensch?", "Was macht uns zum Menschen?", "Was ist Individualität?", "Woran erkennen wir Menschen?" und "Wo liegt die menschliche Natur?", die "Human Nature", die auch das diesjährige Ars Electronica Festival betitelt.
Der Mensch ist Mensch durch Sprache
Als Ergänzung zu Ishiguro hat die Ars Electronica den deutschen Medientheoretiker und Literaturwissenschaftler Friedrich Kittler eingeladen, der die menschliche Natur von der Seite der Sprache als Kulturtechnik zu ergründen versucht. "Der Mensch ist nur durch Sprache Mensch", kann man ihn stark verkürzt zusammenfassen.
In der gemeinsamen Diskussionen im Symposium wird auch klar, welcher "Missing Link" bei aller Menschenähnlichkeit "Geminoids" noch zu schließen ist: sprachliches Interagieren, das sich ebenso wie bisher bei den mimischen und gestischen Aspekten, in bewusten und unterbewussten sprachlichen Strukturen mit einem solchen Roboter erforschen lässt. Auch wenn sich "Genimoid" dann wohl auf wesentlich unheimlichere Weise den Replikanten aus dem Film "Blade Runner" nähern wird, ist das als Ausbaustufe zwei einer weiteren Forschung in dieser Richtung zu sehen.
Nicht ganz unähnlich den fußballspielenden Robotern, die Graz beim RoboCup 2009 zu Gast hatte und bei denen der Fußball medienwirksam scheinbar im Vordergrund steht, es aber im Wesentlichen um die Erforschung autonomen und kooperativen Verhaltens ("Team-Behaviour") geht, ist hier zwar der verblüffend echt modellierte Roboter das spektakuläre Objekt des Publikumsinteresses, aber das Publikum selbst der eigentliche Gegenstand der Forschung. Oder, um Ishiguro zu zitieren: "Ich versuche, den Menschen zu verstehen, indem ich einen Roboter baue."
~ Link: Die Neuerfindung des Lebens (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=1624645v2) ~
(Thomas Bredenfeld)
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