EU-Staaten dürfen Internet-Wetten verbieten
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag nach einer Klage des Sportwettenanbieters bwin in Portugal ein richtungsweisendes Urteil in Sachen Glücksspielmonopol getroffen: EU-Staaten dürfen Glücksspiele und Sportwetten im Internet verbieten, um Betrug und andere Straftaten zu verhindern.
Das höchste EU-Gericht erklärte ein in Portugal bestehendes Monopol für Lotterien, Lottospiele und Sportwetten für rechtmäßig. Es wies eine gemeinsame Klage von der portugiesischen Fußballliga und bwin zurück.
Das portugiesische Monopol beschränke zwar die Dienstleistungsfreiheit. Das sei jedoch unter anderem deshalb gerechtfertigt, weil beim Internet-Glücksspiel "andersgeartete und größere Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten" bestünden.
Zwingende Gründe
In Ermangelung einer Harmonisierung des Bereichs der Glücksspiele durch die EU stehe es den Mitgliedsstaaten frei, die Ziele ihrer Politik in diesem Bereich festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, erklärte der EuGH.
"Gleichwohl müssen die Beschränkungen, die die Mitgliedsstaaten vorschreiben können, bestimmten Voraussetzungen genügen: Sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung der von dem betroffenen Mitgliedsstaat geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist. Schließlich dürfen sie jedenfalls nicht diskriminierend angewandt werden."
Ziel: Bekämpfung von Kriminalität
Das von Portugal angeführte Ziel der Bekämpfung der Kriminalität könne "ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein, der geeignet ist, Beschränkungen in Bezug auf die Wirtschaftsteilnehmer zu rechtfertigen, denen es gestattet ist, Dienstleistungen im Glücksspielsektor anzubieten.
Glücksspiele bergen nämlich in Anbetracht der Höhe der Beträge, die mit ihnen eingenommen werden können, und der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, eine erhöhte Gefahr von Betrug und anderen Straftaten", so die Entscheidung des EuGH.
Reaktion von bwin
In einer Aussendung vom Dienstag reagierte die an der Wiener Börse notierende Konzernmuttergesellschaft bwin auf das EuGH-Urteil und meinte, dass eine Regulierung des Online-Glücksspiels unerlässlich sei.
"Die Erarbeitung eines zeitgemäßen Rechtsrahmens im Interesse der Konsumenten, des Staates und der Unternehmer ist daher dringend erforderlich, denn Gerichtsurteile können mittel- und langfristig eine Regulierung nicht ersetzen", so bwin.
Staatliche Lotteriegesellschaft jubelt
Der europäische Verband der staatlichen Lotteriegesellschaften begrüßte das Urteil: "Das ist ein großer Sieg für staatliche Lotterien." Nun könnten nationale Regierungen den staatlichen Lotterien Monopole gewähren, auch wenn private Anbieter in einem anderen EU-Staat zugelassen seien.
Als einen herben Rückschlag für bwin sieht Analyst Alfred Reisenberger von CA Cheuvreux das Urteil. "Sie haben eine Schlacht verloren, den Krieg aber ganz sicher nicht", zeigte sich der Experte überzeugt. Demnach zeige sich aktuell, dass es verschiedene Interessen innerhalb der EU gebe: Während Italien auf eine vollkommene Liberalisierung des Marktes zusteuere, seien beispielsweise Deutschland und Portugal dagegen. Außerdem offenbare sich, wie unsicher die rechtliche Situation in Europa ist. "Jeder kocht sein eigenes Süppchen", so Reisenberger.
Keine große Überraschung
"Das Urteil ist keine große Überraschung", sagte UniCredit-Analystin Katharina Kastenberger. Die EU habe in der Vergangenheit versucht, eine möglichst neutrale Position einzunehmen. "Macht euch das selbst aus", sei die Devise.
Für bwin sei der Bescheid natürlich negativ, denn sechs ähnliche Verfahren, beispielsweise in den Niederlanden, seien noch im Gange. "Auf diese könnte das EuGH-Urteil Auswirkungen haben", so Kastenberger.
Geringes Portugal-Geschäft
Operativ sei das Urteil "kein großer Beinbruch", sagte Reisenberger. Das Portugal-Geschäft mache weniger als vier Prozent der Bruttospielerträge aus, diese könnten anderweitig wettgemacht werden. Gegenüber dem ersten Schock der Anleger werde sich aber der geschäftliche Grundtenor durchsetzen, und dieser wird laut dem Analysten positiv sein.
Die bwin-Aktien gerieten am Dienstag im frühen Geschäft deutlich unter Druck. Bis gegen Mittag rutschten die Anteilsscheine um 7,89 Prozent auf 26,50 Euro ab.
Portugiesischer Monopolist
Konkret ging es in dem Fall um Vorschriften, die der Santa Casa da Misericordia de Lisboa, einer jahrhundertealten gemeinnützigen Einrichtung, das ausschließliche Recht einräumen, Lotterien und Wetten im gesamten portugiesischen Staatsgebiet zu veranstalten und zu betreiben. Das Monopol erstreckt sich auch auf alle elektronischen Kommunikationsmittel einschließlich des Internets.
Wer unter Verstoß gegen das Exklusivrecht Glücksspiele veranstaltet oder dafür wirbt, kann von Santa Casa mit Geldbußen belegt werden. Bwin und die portugiesische Fußballliga wehrten sich gegen eine solche Strafe zur Ahndung des Sponsorenvertrags, den sie miteinander abgeschlossen hatten.
Vorabentscheidung des EuGH
Das Strafgericht in Porto hatte daraufhin den EuGH um eine Vorabentscheidung gebeten. Um eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen und unterschiedliche Auslegungen zu verhindern, können sich nationale Gerichte an den EuGH wenden. In diesem Fall wurde etwa die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht geprüft.
Zuletzt hatte auch Generalanwalt Yves Bot die Vergabe eines Monopols an eine gemeinnützige Einrichtung unter staatlicher Aufsicht zum Schutz der Verbraucher und der öffentlichen Ordnung als gerechtfertigt angesehen.
(APA/dpa)