Entscheidung über Mobilfunkzukunft
Im Frühjahr 2010 sollen nicht nur Ausschreibungsunterlagen für die erste Auktion von LTE-Frequenzen im 2,6-GHz-Band vorliegen. Eine Studie soll bis dahin auch Entscheidungsgrundlagen liefern, wie es mit dem umstrittenen TV-Band von 790 bis 862 MHz weitergeht. Frequenzexperte Franz Ziegelwanger sprach mit ORF.at unter anderem darüber, warum Österreich gegenüber Schweden und England im Nachteil ist.
Nokia gab am Montag die Verfügbarkeit seines ersten LTE-Endgeräts bekannt, vergangene Woche war bereits Samsung vorgeprescht und hatte seinerseits ein Modem für Long Term Evolution (LTE) angekündigt.
Die technischen Angaben halten sich in sehr engem Rahmen. Von Nokias RD-3 weiß man nur, dass es abwärtskompatibel zu GSM/EDGE und UMTS/HSPA sein und verschiedene Frequenzbänder bespielen können soll.
Beide Geräte sind natürlich nicht für den Endverbraucher bestimmt, sondern für den Einsatz in LTE-Testumgebungen, in denen verschiedene Komponenten auf wechselweise Verträglichkeit getestet werden.
Die Probleme im 2,6-GHz-Band
Wann und wie die Bänder für das schnelle Funkinternet LTE der näheren Zukunft denn nun in Österreich vergeben werden, darüber sprach ORF.at mit Ziegelwanger, Frequenzexperte im Verkehrsministerium.
Warum es denn nicht schneller mit der Vergabe des Bereichs um 2,6 GHz gehe, obwohl das besagte Spektrum schon länger europaweit fix für LTE gewidmet worden sei, lautete die erste Frage. Ein Hauptproblem seien dabei die Vorgaben der EU-Kommission gewesen, sagt Ziegelwanger, nämlich in puncto Technologieneutralität.
TDD und FDD
Dabei geht es um zwei Modi, die mit den LTE-Protokollen gefahren werden können: Time Division Duplex (TDD) und Frequency Division Duplex (FDD). Letzteres Verfahren wird vor allem von den großen europäischen Telekomausrüstern vorangetrieben, während die US-Hersteller TDD bevorzugen.
Etwas verkürzt gesagt: Mit dem TDD-Verfahren lassen sich große weiße Flecken auf der Funklandkarte schnell versorgen. Für das kleinräumige Europa eignet sich das FDD-Verfahren besser.
Der große Unterschied zwischen den beiden Verfahren ist, dass im TDD-Betrieb über das gesamte verfügbare Frequenzspektrum gefunkt werden kann. Während bei LTE-TDD Funkmasten und USB-Sticks der Benutzer auf denselben Wellenlängen senden, sind Groß und Klein bei FDD-LTE streng getrennt.
Der neue Mobilfunkstandard LTE ist noch sehr jung. Erst Ende 2007, so eine Studie der OECD, wurden die Spezifikationen für LTE fertiggestellt. Ab 2008 sollten damit bei 20 MHz Bandbreite maximale Download-Raten von bis zu 100 MBit/s erzielt werden können, hieß es damals.
Modems und Masten
Hierzulande ist den Funkmasten das Spektrum 2.620 bis 2.690 MHz zugewiesen, während die Endgeräte von 2.500 bis 2.570 MHz funken.
Dazwischen liegt ein 50 MHz breites Band, das für TDD gewidmet ist, denn laut EU-Kommission sollte der Markt letztlich entscheiden, welches Verfahren sich durchsetzt. Deswegen müsste TDD auch im gepaarten Spektrum grundsätzlich möglich sein.
Ausrüster wie Mobilfunker hoffen nun darauf, dass kein Mitbewerber auftaucht, der solches vorhat. Wenn im Unterband, wo ausschließlich USB-Sticks im Milliwatt-Bereich senden, auch wattstarke TDD-Basisstationen senden würden, seien Probleme unvermeidlich, sagt Ziegelwanger.
Umsiedlung im GSM-Band
Was das "Refarming" von Frequenzbereichen angehe - also UMTS in den GSM-Bändern 900 und 1.800 MHz (siehe Kasten links) -, so habe die EU-Kommission zwar eine diesbezügliche Richtlinie verabschiedet, so der Ministeriumsexperte. Was nun noch fehle, seien aber Ausführungsbestimmungen und technische Kriterien, die für Oktober aus Brüssel erwartet würden.
In der letzten Novelle des Frequenznutzungsplans sei UMTS/HSPA in den besagten 900er-Bändern schon einmal provisorisch eingetragen worden. Von der regulatorischen Seite aus könne das "Refarming" also bald angegangen werden.
Fragmentierte Bänder
Eine der Hauptschwierigkeiten dabei ist jedoch, dass dieses Spektrum unter den Marktteilnehmern nicht nur ungleich verteilt, sondern obendrein auch stark fragmentiert sei.
LTE 2,6 und GSM 900 im Detail
Das betrifft vor allem den 900-MHz-Bereich. "3" hat hier überhaupt keine Frequenzen, Orange verfügt nur über zwei schmale Bänder am unteren und oberen Ende des vergebenen Bereichs zwischen 880 und 960 MHz, die je zwei Bänder von mobilkom (insgesamt 17 MHz) und T-Mobile (12,8) sind ebenfalls gesplittet.
"Digitale Dividende"
Womit wir bei der "digitalen Dividende" sind, nämlich dem Frequenzbereich zwischen 790 und 862 MHz, um den im Moment heftig gerangelt wird.
Bis 2015 ist dieses Band primär für terrestrisches TV sowie für Funkmikrofone als Sekundärnutzer gewidmet. Von einer Umwidmung betroffen wäre nicht nur der ORF, der hier HDTV-Kanäle ausstrahlen will. Die Funkmikrofone der Soundanlagen von den Bregenzer Festspielen bis zu jenen in Mörbisch, von Theatern und Tonstudios senden ebenfalls hier.
Zudem strahlen während der nächsten paar Jahre in den Grenzgebieten die analogen TV-Sender aus Tschech?en, Ungarn und Italien ein. "Einfach und schnell geht da gar nichts", so Ziegelwanger.
Territorial im Nachteil
Ein Land wie Österreich mit so vielen Nachbarn habe es mit Frequenzumstellungen nun einmal deutlich schwerer als etwa Schweden mit seinen großteils nicht besiedelten Grenzregionen und Meeresküsten, wo keine Interferenzen zu befürchten sind.
Deswegen brauche jede Frequenzumstellung hierzulande am Anfang in der Regel länger, so Ziegelwanger, und sei wesentlich komplizierter als in Flächenstaaten.
Bezeichnenderweise liegen denn auch Schweden, Norwegen und Großbritannien bei der Frequenzzuteilung für LTE voran.
Entscheidung in Quartal eins
In Österreich geht man diese Probleme nun mit einer großangelegten Studie an, die gerade an ein Beratungsgremium vergeben wird. Bis Jahresende sollten Ergebnisse da sein, auf deren Basis in Quartal eins 2010 eine politische Entscheidung möglich sein sollte, meint Ziegelwanger.
Ebenso ab Quartal eins ist die Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen für das 2,6-GHz-Band möglich. Das heißt, im kommenden Frühjahr wird entschieden, welcher Mobilfunker in welchen Wellenbereichen und mit welchem Verfahren in den nächsten Jahrzehnten breitbandig funken wird.
LTE-Akustikkoppler
Auf die Frage, ob er eines der von Nokia und Samsung angesagten LTE-Modems schon zu Gesicht bekommen habe, reagierte Ziegelwanger hörbar amüsiert.
Ungewöhnlicherweise für den Mobilfunkbereich wurden keinerlei Fotos veröffentlicht, im Anfangsstadium von LTE hat das - wie schon bei UMTS - freilich seinen guten Grund.
Diese Endgeräte zeigen noch keinerlei Ähnlichkeit mit den gebräuchlichen UMTS-Sticks, sondern haben die Dimensionen eines Akustikkopplers - jener analogen Endgeräte, die zu den Anfängen des Internets Standard waren.
(futurezone/Erich Moechel)