"Das Problem heißt Aufmerksamkeit"
Die Bedienung mobiler Geräte ist immer noch nicht einfach und intuitiv genug. Auswege sucht das "Wearable Computing", das Computer in Kleidung und Accessoires integriert. ORF.at hat das International Symposium on Wearable Computers in Linz besucht und mit "Wearable Computing"-Pionier Thad Starner über Schwierigkeiten bei der Herstellung "intelligenter" Kleidung gesprochen.
Computersysteme wurden in den letzten Jahren immer kleiner und mobiler und nisteten sich heimlich und leise in vielen Winkeln unseres Alltags ein - vom Smartphone im Aktenkoffer über das Navi im Auto bis zum Netbook in der Schultasche. Doch einfach und intuitiv zu bedienen sind die elektronischen Geräte noch lange nicht.
Für dieses Problem sucht man im Bereich "Wearable Computing" nach Lösungen - und die scheinen darin zu liegen, Computer in Kleider oder Accessoires zu integrieren. Einmal im Jahr versammelt sich deshalb die Wearable Computing Community auf dem International Symposium on Wearable Computers (ISWC). Die 13. Ausgabe fand heuer vom 5. bis 7. September in Linz statt.
"Computing anytime, anything and anywhere"
Einer der Pioniere auf dem Gebiet und Mitbegründer der ISWC-Konferenz ist der amerikanische Computerwissenschaftler Thad Starner. Er ist Associate Professor am Georgia Tech's College of Computing und Leiter der Contextual Computing Group. "Computing anytime, anything and anywhere", lautet seine Vision, und die scheint er auch zu leben. Denn er hat sich vor 15 Jahren in einen Cyborg verwandelt. Ohne sein "Heads-up Display" und seinen "Twiddler" verlässt Starner kaum das Haus.
Sein "Head Mounted Display", das er auf seiner Brille montiert hat und sein linkes Auge teilweise verdeckt, projiziert ihm Daten, Bilder und Text auf seine Brillengläser. Den Computer hat Starner in seiner Handtasche untergebracht. Er bedient ihn mit dem "Twiddler", einer tragbaren Minitastatur des Herstellers Handkey, die man einhändig bedienen kann. Sie ist an seiner Tasche befestigt, damit er jederzeit im Gehen und während einer Unterhaltung auf seinen Computer zugreifen und sich Notizen machen oder seine E-Mails checken kann.
"Wearable Computer" sind heute überall
In den 1980er Jahren, als das Schlagwort "Wearable Computing" durch Experimente wie die von Steve Mann bekanntwurde, ging es darum, eine eine neue Form von Mensch-Maschine-Interaktion zu entwickeln: Auf kleine, am am Körper getragene Computersysteme sollte man jederzeit zugreifen können.
"Heute sind 'Wearable Computer' durch das Mobiltelefon, durch MP3-Player oder Kameras auf mobilen Geräten praktisch schon überall. Wir müssen jetzt aber einen Schritt weiter gehen, denn ein großes Problem in der Bedienung dieser Mobilgeräte lautet Aufmerksamkeit", meint Starner. "Wenn es länger als zehn Sekunden dauert, bis ich mein Smartphone in meiner Tasche gefunden habe, um während eines Gesprächs einen Termin einzutragen, werde ich ihn höchstwahrscheinlich nicht notieren. Die Suchaktion würde das Gespräch unterbrechen." Das hat Starner in einer Studie herausgefunden.
"Interfaces einfach schlecht gemacht"
Ein ähnliches Problem taucht immer häufiger in den Nachrichten auf: Menschen, die am Steuer ihr Mobiltelefon benutzen, beispielsweise eine SMS schreiben, und damit Unfälle verursachen. "Das Problem hier ist, dass die Benutzerinterfaces einfach schlecht gemacht sind. Meist bestehen sie aus einem kleinen Display mit winzigen Tasten. Die Bedienung der Geräte fordert einfach zu viel Aufmerksamkeit ein", sagt Starner.
Diese Probleme hat Starner nicht. Auf den zwölf Tasten seines "Twiddler" tippt er blind, und wenn er im Gehen seine E-Mails checkt, verliert er die Umgebung nicht aus den Augen. Dennoch: Vom Bild des Cyborgs, das Starner verkörpert, will sich die "Wearable Community" eigentlich entfernen. Computer sollen zwar intuitiver zu bedienen sein und uns nicht von den eigentlichen Tätigkeiten ablenken, aber die Technologie soll sich verstecken, in Kleidung und Gegenstände integrieren.
Touchscreen aus Stoff
"Bisher haben sich hauptsächlich Ingenieure damit beschäftigt, wie Computer tragbar werden können. Aber um Elektronik und Sensorik in Kleider zu integrieren, also sozusagen weiche 'Wearables' zu entwickeln, brauchen wir das Wissen von Modedesignern", ist Starner überzeugt. "Es geht nicht mehr hauptsächlich um Hardware-Technologie, sondern darum, wie man stromleitende Textilien und Garne herstellen kann, die waschbar sind und nicht gleich kaputt gehen."
Designer und Computerwissenschaftler hätten bisher noch zu wenig zusammengearbeitet. Das ist vielleicht auch der Grund, wieso es trotz der jahrzehntealten Versprechungen bisher noch kaum "intelligente" Kleidung zu kaufen gibt.
Mehr zum Thema "Wearable Computing" und das Symposium hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
Aber Starner arbeitet daran. Er entwickelt derzeit an seinem Institut gemeinsam mit seinen Studenten und zwei Modedesignern textile Interfaces. Sie sollen so bedienbar sein wie die grafische Benutzeroberfläche auf dem Computer, mit Menüs und Schaltflächen. Mit den textilen Interfaces soll man Smartphones und andere mobile Geräte steuern können, indem man über Stofffalten oder eine Stickerei auf seiner Jacke streicht: "Wir Computerwissenschaftler kümmern uns um die Elektronik und das Programmieren. Die Designer wissen dafür, wie man näht und stickt, wie man das Ganze wirklich kleidsam macht. Und das ist der wirklich schwierige Part."
(Anna Masoner)