© Reuters/Toshiyuki Aizawa, Eine Frau bedient das in der Jacke integrierte Interface eines Computers

"Intelligente" Kleidung soll PCs ablösen

"MATRIX"
13.09.2009

Anfang September haben Wissenschaftler auf dem 13. International Symposium on Wearable Computing ihre Forschungsergebnisse in dem Bereich ausgetauscht. Sie wollen die Universalmaschine PC durch aufgabenspezifische, miniaturisierte und kaum sichtbare Computer in Kleidung und Accessoires ablösen.

"In den Bereichen Medizin, Gesundheit und Sport liegt generell das größte Potenzial für 'Wearable Computing'. Denn dort könnte man mit spezifischen Sensoren den Gesundheitszustand einer Person überwachen", skizziert Gerhard Tröster, Direktor des Wearable Labs der ETH in Zürich, eine mögliche Anwendung für integrierte Computer.

Am Sonntag in "matrix"

Mehr dazu hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".

Das 2001 gegründete Entwicklungslabor für Anziehcomputer, eines der wichtigsten in diesem Bereich, arbeitet an sehr unterschiedlichen Anwendungen. Die Bandbreite reicht vom Snowboard-Trainer, der mit Hilfe von Sensoren am Brett und in der Kleidung den Fahrstil korrigiert, bis hin zur "intelligenten" Kleidung für Feuerwehrmänner, die auf potenzielle Gefahren hinweist.

Eine Jacke als Rückentrainer

Auch für Lucy Dunne liegt das größte Potenzial von "intelligenter" Kleidung im Gesundheitsbereich. Sie ist Professorin für Modedesign an der Universität von Minnesota und war eine der wenigen Frauen auf der Konferenz. Die Designerin will eine Jacke auf den Markt bringen, die den müden Büroarbeiter an seine Haltung erinnern soll.

"Die meisten Menschen in den USA oder Europa verbringen den ganzen Tag vor dem Computer", meint Dunne. "Aber unser Körper ist eigentlich nicht dafür gemacht, den ganzen Tag zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren." Schlechte Haltung sei heute in den USA für die meisten Arbeitsausfälle verantwortlich. Die Jacke, bei der Bewegungssensoren in den Stoff eingewebt wurden, soll die Wirbelsäule überwachen und durch Signale, die sie auf den Computer überträgt, auf eine rückenschädliche Haltung hinweisen.

Erkennen von Emotionen

Bewegungssensoren brächten heute schon sehr gute Resultate, meint Tröster, der sich in zahlreichen Projekten damit beschäftigt hat. Spannend sei für ihn derzeit die Frage, ob diese Sensoren auch Emotionen oder Stress erkennen können.

Im Projekt "Flugangst" will Trösters Team beispielsweise testen, ob ein Computer durch Bewegungssensoren, die sich im Flugzeugsitz befinden, herausfinden kann, wann ein Passagier in Panik gerät. Die Flugbegleiter könnten dann darauf reagieren, indem sie ihm Musik einspielen oder etwas zum Essen bringen. Seine Forschung zur Emotions- und Stresserkennung stecke allerdings noch in den Kinderschuhen. Deshalb könne er noch über keine nennenswerten Resultate berichten.

Forschung hinkt Versprechen hinterher

Seit den 1960er Jahren gibt es Visionen von "intelligenten" Kleidungsstücken und Gegenständen, die uns im Alltag unterstützen. Doch trotz der Miniaturisierung von Elektronik in den letzten Jahren und Jahrzehnten gibt es bisher nur wenige konkrete Anwendungen auf dem Markt zu sehen.

Für Dunne liegen viele der Herausforderungen noch darin, robuste und vor allem waschbare Elektronikkomponenten zu kreieren, die nicht gleich beim ersten Stoß oder 60-Grad-Waschgang kaputt gehen. "Viele der Ideen und Prototypen, die derzeit kursieren, funktionieren entweder nur unter Laborbedingungen, oder sie schauen zwar aus wie normale Kleidung, aber was sie können, ist relativ banal", so die Designerin. Erst wenn diese Probleme gelöst seien, könne der Wearable-Technologie der Durchbruch gelingen.

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(matrix/Anna Masoner)