Wie viel Computer Kinder vertragen
Aus pädagogischer Sicht spricht laut Experten nichts dagegen, dass Kinder Zeit vor dem Computer verbringen. Eltern sollten jedoch Rahmenbedingungen schaffen, die dem Alter und den Kompetenzen des Kindes oder Jugendlichen entsprechen. ORF.at hat nachgefragt, worauf Eltern bei der Computernutzung ihrer Sprösslinge achten sollten.
Durch die steigende Verbreitung von Computern in Privathaushalten kommen Kinder immer früher, spätestens jedoch in der Schule in Kontakt mit Bildschirm und Rechner. Der Computer und insbesondere das Internet gewinnen als Lernort für Kinder und Jugendliche immer mehr an Bedeutung. Auch Spiele wecken bei den Heranwachsenden das Interesse am Gerät.
Für Eltern stellt sich die Frage, wie sie damit umgehen sollen. Wie viel Zeit soll das Kind oder der Jugendliche vor dem Gerät verbringen, und wann soll er damit beginnen? Experten sind der Meinung, dass der Computerkonsum für Kinder an sich kein Problem ist. Wichtig ist jedoch, Rahmenbedingungen festzulegen und die Computernutzung des Kindes zu beobachten. An der Frage, ab wann der eigene PC ins Kinderzimmer soll, scheiden sich die Meinungen.
Regeln sind altersabhängig
Es gibt keine pauschale Antwort, wie viel Computerkonsumation bei Kindern und Jugendlichen "gesund" ist. Wie viel Zeit Kinder vor dem Bildschirm verbringen sollen, ist von mehreren Aspekten abhängig. "Das Alter gilt als primäre Messlatte", hieß es dazu aus dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) gegenüber ORF.at.
Im frühen Alter verwenden Kinder nur wenige Sinne, weshalb Erfahrungseindrücke noch sehr anstrengend für das Kind seien. Bei einem dreijährigen Kind liege die Konzentrationsfähigkeit bei etwa 15 Minuten. Alles, was darüber liege, bedeute eine Überanstrengung des Kindes, womit auch der Computerkonsum diese Zeitspanne nicht überschreiten sollte.
Lernsoftware für Kleinkinder
Mit steigendem Alter erhöht sich dann die Konzentrationsfähigkeit des Kindes. Bei Vorschulkindern liege die Konzentrationsfähigkeit bei etwa einer halben Stunde, bei Volksschulkindern sei es dann eine dreiviertel Stunde, weshalb auch eine Unterrichtseinheit auf diese Zeitspanne festgelegt wurde. Bei Zwölfjährigen sind etwa eineinhalb bis zwei Stunden pro Tag angemessen.
"Das kommt aber auch darauf an, was das Kind am Computer macht", so Sabine Meixner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Pädagogische Psychologie an der Humboldt-Universität in Berlin. Lernsoftware könne auch schon bei kleineren Kindern eingesetzt werden. Wenn Schulkinder etwa das Internet für die Hausaufgaben oder in der Freizeit für die Recherche über Hobbys nutzen, dann sei das auch in Ordnung.
Rahmenbedingungen
Bei Zwölfjährigen sollte jedoch noch regelmäßig geprüft werden, was sich die Kinder am Computer ansehen, insbesondere wenn es einen Online-Zugang gibt. "Deshalb spielt die Medienkompetenz eine große Rolle", so Meixner. Die Eltern sollten Regeln einführen, welche Spiele gespielt werden und wie lange der Computer genutzt wird. Zudem sollen sie sich vom Kind zeigen lassen, welche Websites angesurft und welche Kommunikationsforen genutzt werden.
Schließlich müssen Eltern selbst entscheiden, wie sie den Computerzugang des Kindes handhaben. Bei jüngeren Kindern eignen sich technische Einrichtungen zum eingeschränkten Surfen. "Bei einem 14-Jährigen hat das weniger Sinn, der kann damit umgehen beziehungsweise so etwas umgehen", so das Ministerium.
Kommunikative Komponente von Computerspielen
Die Fähigkeit, sich im Internet zu orientieren, sei oft auch bei Eltern nicht gegeben. Bei der Internet-Nutzung seien jedoch auch andere Fähigkeiten der Mediennutzung wie die "reflektierende Ebene" notwendig - etwa die Frage "Wer hat das geschrieben?" und die Qualität des Textes. Hier habe sich nicht viel geändert, denn diese Fähigkeit brauche es auch bei Büchern. Die Grundkompetenz dazu müsse von Lehrern an die Schüler weitergeben werden.
Spielen ist nur eine Möglichkeit, wie Zehn- bis Zwölfjährige den Computer nutzen. Das Ministerium verweist auf eine Studie des BildungsMedienZentrums (BIMEZ), wonach in dieser Altersgruppe Kommunikation und kreative Arbeit ebenso einen wesentlichen Teil ausmachen. Aus pädagogischer Sicht seien Computerspiele aber kein Problem. "Sie haben auch eine kommunikative Komponente, zum Beispiel im Gespräch mit Freunden am Schulhof."
Angemessener Aktivitätenmix wichtig
Wichtig bei der Computernutzung des Kindes sei, auf einen angemessen Aktivitätenmix zu achten. Kinder sollten sich in der Freizeit auch bewegen, etwa aktiv Sport betreiben, und soziale Kontakte zu Freunden pflegen. "Chatten mit Freunden ist nicht real. Bei Face-to-Face-Gesprächen muss ich reagieren, wenn mir jemand etwas Negatives mitteilt, spontane Antworten geben oder Entscheidungen treffen", erklärt Meixner. Je jünger das Kind, desto wichtiger seien diese sozialen Lernerfahrungen.
Vom eigenen Computer für das Kinderzimmer rät die Wissenschaftlerin ab und verweist auf eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) in Hannover. Demnach würden Jugendliche, die ein eigenes TV-Gerät im Zimmer haben, zu viel Fernsehen und damit einhergehend auch schlechtere schulische Leistungen bringen. Diese Gefahr bestehe auch, wenn das Kind einen eigenen PC im Zimmer habe und unbeobachtet sei.
Eigener PC erst ab 16
Befunde hätten gezeigt, dass Kinder und Jugendliche aufgrund der Reize, die Fernsehen und Computerspiele erzeugen, sinkende kognitive Leistungen hätten. "Der Lernstoff wird schlechter behalten, wenn sich Kindern direkt nach dem Lernen Reizen wie dem Fernsehen oder PC-Spielen widmen", erläutert die Wissenschaftlerin. Auch das Spielen am Abend vor dem Schlafen habe negative Auswirkungen auf den Körper, weil es häufig zu Schlafstörungen komme. Ein eigenes Gerät im Kinderzimmer empfiehlt sie deshalb erst ab 16 oder 17 Jahren.
Im Jugendministerium wird das nicht so streng gesehen: "Es ist eine Frage des Vertrauens." Gerade im Alter von zwölf bis 14 Jahren sei eine Überführung zur Eigenverantwortung wichtig. "Mit 14 soll ein Jugendlicher auch mit Freunden und Freundinnen weggehen, Jugendliche brauchen diese Freiräume."
Freiräume geben
Internet-Sucht tritt bei Jugendlichen seltener auf als bisher angenommen. Nach einer Studie der Berliner Humboldt-Universität sind nur vier von 100 Heranwachsenden in Deutschland exzessive Computernutzer. Von echter Internet-Sucht könne nur bei 1,4 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen gesprochen werden.
Freiraum dürfe aber nicht Gleichgültigkeit bedeuten. Die Eltern müssten in Gesprächen diesen Raum auch definieren. Dennoch sollte immer ein Auge auf das Computerspielpensum geworfen werden: "Wenn eine bestimmte Nutzungspraxis scheinbar lebensbestimmend wird, dann sollte man hinterfragen, was hier eigentlich passiert."
Die Praxis habe gezeigt, dass die Internet-Nutzung ein Symptom von Computersucht sein kann. "Aber das Symptom ist meist nicht das Computerspiel, sondern der Umgang mit dem Leistungsdruck, in der Schule zum Beispiel." Sollten Eltern Bedenken haben, dann sollten sie professionelle Hile in Anspruch nehmen, etwa bei den zahlreichen Familienberatungsstellen.
(futurezone/Claudia Glechner)