Totale Vernetzung im Auto der Zukunft
Moderne Autos sind rollende Elektronikcenter, ihre Bedienung stammt zum Teil aber noch aus den Anfängen der Automobilentwicklung. Das soll sich bald ändern - und nicht nur das: Neben effizienteren Antrieben sollen Autos in Zukunft "intelligent" und zu Kommunikationsknoten in möglichst umfassenden Datennetzwerken ausgebaut werden.
Seit der Erfindung des Automobils im letzten Jahrhundert hat sich zwar einiges getan, doch nichts wird den Individualverkehr so radikal und nachhaltig verändern wie die kommenden Jahre.
Am Sonntag in "matrix":
Mehr dazu hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
Zwar forschen unter anderem Autokonzerne schon seit vielen Jahren im Bereich "intelligentes" Auto, das dem Fahrer viele Aufgaben abnehmen und ihn so entlasten soll, doch bald sollen viele dieser bisherigen Versprechungen tatsächlich Realität werden. Auch die Infrastruktur und die Straßen sollen "intelligent" werden, um die vorhandene Infrastruktur besser ausnützen und Staus möglichst vermeiden zu können.
EU fördert eSafety
Unter dem Namen E-Safety hat sich die EU vor einigen Jahren die Senkung der Verkehrstoten in der Europäischen Union auf die Fahnen geheftet. Verschiedene elektronische Systeme sollen dazu beitragen, wie etwa das automatische Unfallmeldesystem eCall, das laut aktuellen Plänen ab 2014 in allen neuen Fahrzeugen in der EU eingebaut werden soll.
Kooperative System tauschen Daten aus
Andere EU-Projekte aus dieser Initiative wie CVIS, Safespot und das von AustriaTech, der Gesellschaft des Bundes für technologiepolitische Maßnahmen, geleitete Coopers erforschen weitere Möglichkeiten zur Erhöhung der Verkehrsssicherheit, in diesem Fall über die Kommunikation von Auto zu Auto und Auto zu Infrastruktur.
"Kooperative" System sollen die Vorteile beider Konzepte miteinander verbinden: In Zukunft sollen Autos untereinander und mit der Straßeninfrastruktur, etwa Ampeln und Verkehrszeichen, Informationen wie den Zustand von Straßen, die Verkehrslage und das Wetter austauschen können. Die Informationen kommen einerseits von den bereits bisher genutzten Quellen, andererseits werden die immer zahlreicher werdenden Sensoren in den Autos entsprechende Informationen liefern, die sonst über teure und größtenteils noch zu bauende Sensornetzwerke gesammelt werden müssten.
Coopers: Informationen direkt zum Fahrer bringen
Im Rahmen von Coopers wird erforscht, wie diese Informationen am besten zum Fahrer ins Auto gelangen. Was bisher über den Verkehrsfunk oder auf den Schildern über der Autobahn angezeigt wird, soll in Zukunft direkt auf einem Display im Wagen erscheinen. Im Oktober soll es auf der A12 dazu einen Akzeptanz- und Technikcheck mit unterschiedlichen Fahrergruppen geben.
Dabei werde unter anderem getestet, wie viele Informationen die Fahrer überhaupt vertragen und welche Infos als nützlich empfunden werden, sagte Projektleiter Alexander Frötscher. Nach Abschluss des Projekts Mitte 2010 soll es dann einen großangelegten und EU-weiten Test geben. Wenn beide Feldtests erfolgreich verlaufen und eine Entscheidung für die Einführung fällt, könnte diese bereits 2012/13 umgesetzt werden.
Das Auto der Zukunft denkt und spricht
Das Display im Auto sei aber nur ein Zwischenschritt, meint Thomas Stottan vom oberösterreichischen Anbieter Audio Mobil. In Zukunft werde das Auto mit dem Fahrer über Sprache interagieren. Die Bedienelemente müssten zudem drastisch vereinfacht und reduziert werden, damit der Benutzer möglichst schnell zum Gesuchten komme und nicht über- statt entlastet werde. Wichtig sei auch, dass alle automatisch ablaufenden Prozesse für den Nutzer nachvollziehbar sind, damit er sie akzeptieren könne.
Personalisierung bis ins Detail
All das, sind sich die Experten sicher, wird zu einer Personalisierung des Verkehrs führen, bei der der Fahrer genau auf ihn zugeschnittene Informationen erhält und sein Auto vor Fahrtantritt entsprechend auf seine Bedürnisse programmiert. Informationen aus dem und über den Verkehr sollen aber auch genutzt werden, um den Verkehrsfluss zu dynamisieren und damit Geld, Ressorcen und Zeit zu sparen - dafür reicht laut Angaben bereits die Erfassung weniger Prozent des Fahrzeugbestands.
In Zukunft könnte es sein, dass das Navigationssystem nicht nur eine andere Route als die eingegebene vorschlägt, sondern Autofahren zu Stoßzeiten, wenn die Kapazitäten ausgelastet sind, teurer ist. Manche Experten wie Dirk Wisselmann von BMW gehen auch von einer Aufsplittung von Autos in solche für die Stadt und solche für Überland und Langstrecken aus - Erstere mit Elektromotor und Zweitere mit einem Verbrennungsmotor. Dieser werde so lange zum Einsatz kommen, bis die Frage der Energiespeicherug zufriedenstellend gelöst ist.
Rechtliche Fragen noch ungelöst
Das vollautomatische Auto wird es aber noch länger nicht geben - und zwar aus demselben Grund, aus dem bei bereits verfügbaren Assistenzsystemen wie jenen zum Einparken der Fahrer immer noch Gas geben und bremsen muss. "Wer hat dafür einzustehen, wenn ein solches System einen Schaden verursacht?", diese Frage sei bisher noch nicht geklärt, meint Wilhelm Kastl, Jurist im Verkehrsministerium.
Das sei auch der Grund dafür, dass Systeme, die durch einen Lenkeingriff Unfälle vermeiden könnten, bisher noch nicht eingeführt wurden. Nach der aktuellen Rechtslage müsse der Fahrer immer die Letztverantwortung tragen, so Kastl, das System könne ihn daher nicht "overrulen" - auch wenn die Technik schneller reagieren und damit Menschenleben retten könne.
Die Datenflut und ihre Folgen
Viele Diskussionen wird es auch über all die Daten geben, die wir in Zukunft beim Autofahren gewollt oder ungewollt produzieren sollen. Sie sind, sofern nicht für einfachere Anwendungen wie Verkehrsflussanalysen anonymisiert, über das Fahrzeug und das Kennzeichen auf den Fahrer rückführbar und damit personalisiert.
Über die Navigationssysteme und Kommunikationseinheiten werden Autos zudem jederzeit lokalisierbar sein - das mag im Fall eines Diebstahls oder bei einem Unfall nützlich sein, bringt laut Kastl aber auch große Probleme beim Datenschutz mit sich. Denn grundsätzlich kann damit der gesamte Verkehr jederzeit genau überwacht werden - sofern die dabei produzierten enormen Datenmengen überhaupt verarbeitet werden können.
Die EU hat letzten Dezember einen Aktionsplan und Richtlinienvorschlag vorgelegt, mit dem sie die Einführung von "intelligenten Verkehrssystemen" in allen EU-Ländern harmonisieren und vorantreiben will. In Zukunft sollen all diese Verkehrsinformationen in Echtzeit auch grenzübergreifend zur Verfügung stehen. Der oberste EU-Datenschützer Peter Hustinx hat dazu bereits angemerkt, dass die aus der Telematik gewonnenen Daten nur für den Zweck verwendet werden dürfen, für den sie erhoben wurden. Die Richtlinie soll noch dieses Jahr verabschiedet werden.
(matrix/Nadja Igler)