D: Polizei verstärkt Internet-Überwachung

KONTROLLE
23.09.2009

Infos aus Data-Retention 2008 in 8.316 Verfahren genutzt

Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch verlässt sich die deutsche Polizei bei Ermittlungen zunehmend auf ihre Überwachungsbefugnisse im Bereich Telekommunikation. Das Blatt zitiert dabei Statistiken zur Anwendung von Telefonüberwachung und über den Abruf von Internet-Verkehrsdaten aus der Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) für das Jahr 2008.

Die deutsche Umsetzung der EG-Richtlinie zur Data-Retention trat im Jänner 2008 in Kraft, trotz Einschränkung des Einsatzgebiets durch das Bundesverfassungsgericht auf Untersuchungen auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität und des Terrorismus machten die Ermittler in 8.316 Verfahren von ihrer neuen Befugnis Gebrauch.

Starker Anstieg der Überwachungsmaßnahmen

Insgesamt sei die Zahl der Verfahren, in denen Telefongespräche abgehört oder Computerkommunikation analysiert worden sei, gegenüber dem Vorjahr um elf Prozent auf insgesamt 16.463 Fälle angestiegen, in Bayern gab es sogar einen Anstieg um 30 Prozent auf 1.023 Verfahren, so das Blatt.

Die deutsche Bürgerrechtler-Plattform Netzpolitik.org, die insbesondere der Vorratsdatenspeicherung kritisch gegenübersteht, da in deren Rahmen auch alle Kommunikationsdaten sämtlicher Bürger für sechs Monate verdachtsunabhängig erfasst werden, hat die Statistiken veröffentlicht, auf die sich die "Süddeutsche" bezieht. Aus den Daten geht hervor, dass die Polizei im Fall der Data-Retention überwiegend auf Daten zurückgreift, die bis zu drei Monate alt sind.

Polizei weist Kritik zurück

Die Polizeigewerkschaften haben Kritik an der gestiegenen Zahl der Telefonüberwachungen zurückgewiesen. "Die Polizei braucht das Instrument der Telefonüberwachung bei der Bekämpfung der Schwerkriminalität", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, am Mittwoch dem Audiodienst der Deutschen Presse-Agentur dpa. Es gebe keinen Fall des Missbrauchs.

Jede Überwachung müsse von einem Richter genehmigt werden. Den Anstieg erklärte Freiberg auch damit, dass Kriminelle mehr Telefone hätten. "Wenn jeder kleine Dealer heute schon drei, vier, fünf Telefone hat, dann steigt auch zwangsläufig die Zahl der Telefonüberwachungen." Allerdings werden in der vorliegenden Statistik nicht die überwachten Telefone gezählt, sondern die Verfahren, in Rahmen derer die Polizei zu Überwachungsmaßnahmen gegriffen hat.

Ähnlich argumentierte der Vorsitzende der im Beamtenbund organisierten Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Ihr Vorsitzender Rainer Wendt warnte davor, aus der bundesweit gestiegenen Zahl von Telefonüberwachungen im Jahr 2008 falsche Schlüsse zu ziehen. "Wer daraus folgert, dass die Polizei einer blinden Sammelwut folgt, verkennt die Notwendigkeiten der Telefonüberwachung als oftmals letztes Mittel der Strafverfolgung. Die Sicherheitsbehörden gehen maßvoll mit dem Instrument um." Die Zahl der Telefonüberwachungen sei vor allem deshalb gestiegen, weil die Zahl der schweren Straftaten in entscheidenden Deliktfeldern zugenommen habe. Die Fälle schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern seien von 1.228 auf 1.457 gestiegen. was einer Steigerungsrate von 18,6 Prozent entspreche. Die Fälle von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung hätten sogar um 25 Prozent zugenommen.

Die vorliegende Statistik des Justizministeriums weist allerdings in Sachen Telefonüberwachung aus, dass die Polizei in Fällen von "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" und "Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften" 2008 nur im Rahmen von 43 bzw. 14 Verfahren die Telefonüberwachung eingesetzt hat. Mit weitem Abstand an der Spitze liegt als Anlassstraftat der Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (4.375 Verfahren).

(futurezone/dpa)