© Fotolia/Klaus Eppele, Jugendliche vor dem Laptop

"Viele Möglichkeiten, Urheberrecht zu verletzen"

INTERNET SUMMIT
29.09.2009

Mit dem Internet ist das Urheberrecht zur Angelegenheit der digitalen Masse geworden. Die Nutzungsweisen geschützter Werke geraten mit den rechtlichen Vorschriften jedoch zunehmend in Konflikt. Beim Internet Summit des Verbands der österreichischen Internet-Anbieter (ISPA) diskutierten Kreative, Diensteanbieter und Wissenschaftler Möglichkeiten der Erneuerung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter.

"Das Urheberrecht ist von einer Spezialmaterie für wenige Eingeweihte zu einer Materie geworden, die jeden betrifft", sagte der Salzburger Richter und Betreiber der Website Internet4Jurists, Franz Schmidbauer, beim Internet Summit der ISPA, das am Mittwoch in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften stattfand.

Zwischen der praktischen Bedeutung und dem Wissen über das Urheberrecht klaffe jedoch eine Lücke, so Schmidbauer. Laut Studien würden zwei Drittel der österreichischen Internet-Nutzer Inhalte ins Web stellen und dabei auch - mitunter ohne es zu wissen - das Urheberrecht verletzen. Ob mit Musik unterlegte Urlaubsvideos auf YouTube oder in Websites eingebettete Straßenkarten: "Wir haben jede Menge Möglichkeiten, mit dem Urheberrecht in Konflikt zu geraten."

Viele offene Fragen

Zum Auftakt des alljährlichen ISPA-Treffens, das heuter unter dem Motto "Wir sind Internet" stand, wurde deshalb die Frage aufgeworfen, ob das Urheberrecht noch zeitgemäß ist.

"Es gibt viele Fragen des Urheberrechts, die es zu beantworten gilt", sagte Jusitzministerin Claudia Bandion-Ortner in ihrem Eröffnungsstatement. Der Schutz der Urheber sei "eine der größten Herausforderungen für die Rechts- und Wirtschaftsordnung". Konkreter wurde sie nicht.

"Kultur-Flatrate" statt Strafen

Der Berliner Medienwissenschaftler Volker Grassmuck brachte in seiner Keynote-Adresse die bereits seit längerem diskutierte "Kultur-Flatrate" aufs Tapet. Die Pauschalvergütung für Inhalte aus dem Netz erlaubt es Privatpersonen, gegen Bezahlung einer monatlichen Gebühr urheberrechtlich geschützte Werke für nichtkommerzielle Zwecke im Netz zu tauschen und zu verwenden.

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Die Einnahmen werden kollektiv verwaltet und entsprechend der Popularität der Werke an die Urheber ausgezahlt. Damit sei eine faire Vergütung für Urheber möglich, zeigte sich Grassmuck überzeugt, der sich beim Internet Summit auch für ein freies und offenes Internet starkmachte.

Verschärfte Urheberrechtsgesetze und Netzsperren nach wiederholten Urheberrechtsverstößen, wie sie vor kurzem in Frankreich beschlossen wurden, seien keine Lösung, so Grassmuck: Wenn viele Nutzer für Inhalte im Netz nicht bezahlen wollen, bedeute das auch, dass die Geschäftsmodelle falsch gewählt seien.

Die Schwierigkeit, einen Musikdienst zu betreiben

Georg Hitzenberger, Geschäftsführer des Wiener On-Demand-Musikanbieters Play.fm, sprach über die Schwierigkeiten, einen legalen Musikdienst im Netz zu betreiben. Play.fm bietet rund 15.000 Aufnahmen von DJ-Sets on Demand zum Streaming im Netz an. Dabei kommt Musik von rund 30.000 Labels, vorwiegend aus dem Independent-Sektor, zum Einsatz.

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Play.fm zahle zwar Lizenzgebühren an drei verschiedene Verwertungsgesellschaften, die Rechte für das On-Demand-Streaming müssten jedoch theoretisch mit jedem Label einzeln verhandelt werden, so Hitzenberger: "Das ist vom Aufwand her nicht machbar."

"Remix-Verbot"

Die Komponistin Johanna Doderer kritisierte, dass es im Urheberrecht keine Möglichkeit gebe, ihre Werke vor der Bearbeitung durch Remixes zu schützen. Dazu sei eine genauere Formulierung und Einstufung der Werke bei der Anmeldung notwendig. In der Diskussion über die Erneuerung des Urheberrechts sieht sie eine "Verharmlosung der gegenwärtigen Situation": "Urheberrecht ist Recht."

"Dramatik der Situation von Politik nicht erkannt"

Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren zeigte sich über die Debatte über das Urheberrecht hingegen erfreut: "Ich bin sehr froh, dass es sie gibt." Denn die Dramatik der Situation werde von der Politik nicht erkannt.

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Die breite Debatte über das Urheberrecht, die nicht zuletzt im Zusammenhang mit Google Books geführt werde, verschaffe den Künstlern Gehör in der Öffentlichkeit. Ihm gehe es jedoch nicht nur um die Abgeltung, sondern auch um die Souveränität über seine Werke: "Ich will nicht, dass meine Texte als Werbetexte enden."

ÖNB: "Nicht ganz zeitgemäße" Einschränkungen

Bettina Kann von der Österreichischen Nationalbibliothek beklagte Einschränkungen in der Nutzbarkeit beim digitalen Archiv der ÖNB, "die nicht ganz zeitgemäß sind". Seit dem Inkrafttreten der Novelle zum österreichischen Mediengesetz im März darf die ÖNB digital produzierte österreichische Medien sammeln, archivieren und zur Verfügung stellen.

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Bei der Benutzung der digitalen Medien geht allerdings "von zu Hause aus gar nichts", wie Kann meinte. Auf das Angebot kann nur aus der Nationalbibliothek und ihren Schwesterhäusern zugegriffen werden. Und das auch nur von einem Nutzer gleichzeitig. Die Verlage hätten versucht, so die Regelung aus dem Druckbereich in die digitale Welt zu retten, erläuterte Kann. Sie hofft auf eine Neuregelung, "nach der zumindest für registrierte Nutzer der Fernzugriff möglich ist". Im internationalen Vergleich stehe Österreich mit einer solchen Regelung jedoch gar nicht so schlecht da, meinte Kann: "In Dänemark dürfen diese Medien nur auf Antrag und nur ausgewiesenen Forschern zur Verfügung gestellt werden."

Forderungskatalog

Der Richter Schmidbauer fasste das breite Panoroma der Reibungspunkte mit dem Urheberrecht in einem Forderungskatalog zusammen. Er sprach sich für eine "radikale Entschärfung" des Urheberrechts im nichtkommerziellen Bereich und einen einfachen und leistbaren Zugang zu Lizenzen aus.

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Auch die Dauer der Schutzfrist sollte nicht "ad infinitum" hinausgeschoben, sondern eher nach unten begrenzt und damit den Bedürfnissen der Nutzer angepasst werden. Schmidbauer wandte sich auch gegen eine weitere Einschränkung der Privatkopie: "Sonst führt es dazu, dass man etwa Musik nur mehr auf eine bestimmte Art und auf bestimmten Geräten hören darf."

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(futurezone/Patrick Dax)