Seniorengerechte Technologien gefordert
TU-Professor Wolfgang Zagler hat im Rahmen einer Tagung zu Ambient Assisted Living (AAL) in Wien mehr altersgerechte Technologien für Senioren gefordert. Es reiche nicht, Handys einfach nur "größer und schwerer" zu machen.
Ob Sturzsensoren, intelligente Videotelefone oder Haltegriffe: Unterstützende Lebensumgebungen (AAL) in Wohnungen älterer Menschen könnten sowohl deren Lebensqualität erhöhen als auch die Sozialversicherungsträger entlasten, erklärte Zagler, Leiter der Forschungsgruppe Rehabilitationstechnik "Fortec" an der Technischen Universität Wien, der APA im Rahmen des "AAL Forum 09" in Wien. Allerdings hapere es in Österreich noch am nötigen Problembewusstsein und an den politischen Entscheidungsstrukturen.
Die Industrie gebe sich zu sehr damit zufrieden, vorhandene Geräte wie Handys einfach "größer und schwerer" zu machen, ohne Rücksicht auf verschiedene Altersgruppen zu nehmen. "Mit steigendem Alter werden die Menschen aber immer unterschiedlicher. Bei Jugendlichen geht man ja auch nicht nach dem 'One size fits all'-Ansatz vor", so Zagler. Er fordert eine altersgerechte Ausdifferenzierung der Technologien.
Fehlendes Problembewusstsein
Die öffentliche Hand sei gefordert, im Gesundheits- und Sozialwesen einen Umdenkprozess einzuleiten. "In Österreich sind wir größtenteils auf reparative Verfahren eingerichtet", so der Experte, "obwohl man mit relativ geringen Investitionen in die Wohnungsinfrastruktur von Senioren dem Gesundheitssystem große Summen sparen könnte."
Als Beispiel nannte Zagler ein Projekt in Schweden, in dessen Rahmen jährlich Wohnungen seniorenfreundlich ausgerüstet werden. Vergleiche man die Kosten der Umrüstung mit jenen, die ein Tag in einer Pflegeeinrichtung verursacht, hätte die Amortisationszeit bei diesem Modell nur zehn Tage betragen.
Reformvorhaben würden in Österreich an den zersplitterten Zuständigkeiten und noch fehlendem Problembewusstsein scheitern. "Stürzt man während der Arbeit von der Leiter, ist es ein Arbeitsunfall, und die AUVA ist zuständig. Wenn das gleiche zu Hause passiert, ist das anders", sagte Zagler. Während Sicherheitsstandards bei Autos extrem hoch seien, gebe es keine adäquate Entsprechung für den häuslichen Bereich: "Wo ist der Crashtest für die Wohnung?"
Fünf Maßnahmen zur Verbesserung
Könnte Zagler fünf Dinge zum verpflichtenden Einbau in Seniorenwohnungen vorschlagen, wären das bauliche Maßnahmen gegen die Sturzgefahr, "intelligente" Schnurlostelefone, eine Möglichkeit zur Videotelefonie, automatische Notrufsysteme bei Nichtaktivität ("Totmannsysteme") und Systeme, die die medizinische Versorgung erleichtern. Wenig kann der Experte hingegen der Komplettbetreuung durch Roboter abgewinnen.
"Ab einem gewissen Alter kann man von ein bis zwei Stürzen jährlich ausgehen", berichtete der TU-Professor von einem der Hauptprobleme älterer Menschen. Durch Hüftoperationen und künstliche Gelenke würden horrende Kosten entstehen, die man durch rutschfeste Teppiche, Haltegriffe und Sturzsensoren im Boden mindern könnte. Mittels wissenschaftlicher Analysen sei es möglich, das Sturzrisiko einer Person zu messen. So könnte ein intelligentes System etwa bei Schlechtwetter davor warnen, aus dem Haus zu gehen.
Telefone sollen Tipps geben
Laut Zagler sollten Kommunikationssysteme auch soziale Komponenten berücksichtigen: "Telefone sollten Tipps geben, selten gewählte Kontaktpersonen wieder einmal anzurufen, oder Leute darauf hinweisen, ob es gerade günstig ist anzurufen. Wenn die Person auf der Toilette ist, kann ein Anruf die Sturzgefahr erhöhen." Neben verbesserten Schnurlostelefonen, bei denen man zum Beispiel leichter feststellen können sollte, ob ein Gespräch auch tatsächlich beendet ist, sollte es nach Ansicht des Experten immer auch Möglichkeiten zur visuellen Telefonie geben, um einen nonverbalen Eindruck vom Gegenüber zu gewinnen.
Bei der medizinischen Versorgung solle es laut Zagler möglich sein, die E-Card ins Videotelefon zu stecken und so mit einem Arzt oder Apotheker in Kontakt zu treten. So könnte etwa automatisch eine Paketsendung veranlasst werden und der Wochendispenser für Medikamente korrekt aufgefüllt werden. Im sanitären Bereich könnten selbstreinigende Systeme behilflich sein bzw. beim Duschen, Sitzen und Aufstehen unterstützend eingreifen.
Roboter ersetzen keine Menschen
"Eher verabschieden" möchte sich der Wissenschaftler von Trends aus Japan, die Pflege fast zur Gänze Robotern zu überlassen. "Da fehlt die soziale Komponente", gab Zagler zu bedenken. Roboter sollten sehr wohl für schwere oder lästige Arbeiten eingesetzt werden, etwa um Bettwäsche zu wechseln oder Personen hochzuheben, aber hauptsächlich, "um das Pflegepersonal freizuspielen und den Menschen das Leben angenehmer zu gestalten".
(APA)