Scharfer Gegenwind für Palm
US-Taschencomputerveteran Palm schickt sich derzeit an, seine neuen Smartphone-Modelle mit dem Betriebssystem WebOS in Europa zu etablieren. Doch gegen die strengen Vertriebsbedingungen für Software regt sich in den USA bereits Unmut aus der Entwicklerszene. Branchenbeobachter fürchten, dass das neue System den Traditionshersteller nicht aus der Krise führen wird.
Marktbeobachter und Entwickler üben in den USA zunehmend Kritik an der Strategie des Smartphone-Herstellers Palm. Konkret geht es um das Gerät Palm Pre und das Betriebssystem WebOS, die beide seit ihrer Präsentation Anfang des Jahres mit zahlreichen Vorschusslorbeeren gekrönt worden waren.
WebOS erlaube es zwar, sehr schnell und einfach Anwendungen zu programmieren, die Firma verbiete es aber, die Programme über die eigene Website anzubieten, schreibt der erfahrene Open-Source-Entwickler Jamie Zawinski in seinem Weblog. Er beschreibt in seinem Posting ausführlich die Probleme, die er mit Palms Firmenzentrale bekam, nachdem er zwei simple Freeware-Programme geschrieben und angeboten hatte.
Kontrolle über den Vertrieb
Erst verbot ihm Palm auf Grundlage der Nutzungsbedingungen der Entwicklungsumgebung für Palm, die Software über die eigene Website anzubieten. Dann ruderte das Unternehmen wieder zurück und sagte, dass es in Ordnung sei, wenn Zawinski die Software und den freien Quelltext auf seiner Website anbiete. In den Nutzungsbedingungen zum am 28. September erschienenen Development Kit 1.2 finde sich aber weiterhin die Bestimmung, dass Software für WebOS nur über den Online-Store (App Catalog) von Palm angeboten werden dürfe, so Zawinski.
Den Prozess, die kostenlosen Programme im Online-Software-Verzeichnis von Palm unterzubringen, bezeichnet der Entwickler als "kafkaesk". So sei es nur dann möglich, dort Software einzustellen, wenn der Anbieter über einen verifizierten Account beim Online-Zahlungssystem PayPal verfüge - und Palm 99 US-Dollar im Jahr bezahle. Zawinski will nun zu Googles Android-System wechseln.
Verständnis für freie Software
Die Tendenz bei Smartphone-Anbietern, nach dem Vorbild von Apple totale Kontrolle über den Vertrieb von Software für ihre Produkte auszuüben, gibt vielen Programmierern zu denken. "Sie (Palm, Anm. ) scheinen vergessen zu haben, was ihr altes PalmOS so erfolgreich gemacht hatte - Tausende von Anwendungen von Drittanbietern, die jeder schreiben und verteilen konnte", schreibt etwa der Smartphone-Entwickler Harald Welte in seinem Blog, "ihnen scheint auch jegliches Verständnis von Open-Source-Software abzugehen." Immerhin, so Welte, bestünden wesentliche Komponenten von WebOS aus freier und offener Software.
Auch auf der wirtschaftlichen Seite regt sich Kritik. Das Branchenweblog "TechCrunch" sieht im Absturz des Preises für Palms Smartphone Pre von 299 auf 79 US-Dollar (205,41 bzw. 54,27 Euro) ein Zeichen für die mangelnde Akzeptanz des Geräts auf dem Markt. Die bisher verkaufte Anzahl von rund 400.000 bis 500.000 Geräten im vergangenen Quartal reiche nicht mehr aus, um genügend Kunden und Entwickler anzuziehen. Apple habe vom iPhone 3GS allein in den ersten fünf Verkaufstagen rund eine Million Einheiten an den Mann bringen können.
Konzern in Schwierigkeiten
Nach einigen Konflikten mit Apple verzichtete Palm laut einer Mitteilung des Unternehmens vom Dienstag auch darauf, eine Synchronisationsfunktion mit iTunes in das Gerät einzubauen. Spekulationen seitens TechCrunch vom 30. September, dass der Konzern bereits Personal abbaue, wies Palm zurück. TechCrunch interpretiert es als Schwäche, dass Palm die exakten Verkaufszahlen des Pre auch bei der Präsentation der letzten Quartalszahlen nicht getrennt von seinen anderen Geräteverkäufen auswies.
Am 13. Oktober wird der Mobilfunkprovider O2 den Palm Pre zum Preis von 481 Euro (ohne Vertrag) auf den deutschen Markt bringen. Bisher gibt es noch keinen Distributor für Österreich. Mitte September gab Palm bekannt, zum neunten Mal in Folge einen Quartalsverlust eingefahren zu haben. Das Unternehmen blieb mit einem Verlust von 164,5 Millionen US-Dollar (113,01Mio. Euro) bei einem Umsatz von 68 Millionen Dollar (46,72 Mio. Euro) leicht über den Erwartungen der Börse. Gegenüber dem Vorquartal waren die Absätze von Smartphones aber um 134 Prozent gestiegen, was Palm-Chef Jon Rubinstein auf das gute Geschäft mit dem Pre zurückführte. Palm will mit dem günstigeren WebOS-Modell Pixi im kommenden Weihnachtsgeschäft noch mehr Boden gegenüber der Konkurrenz gutmachen.