EU-Kartellstreit mit Microsoft in Endrunde
Die EU hat die neuen Vorschläge von Microsoft zur Entbündelung von Browser und Betriebssystem sowie zur Offenlegung von Programmierschnittstellen vorgelegt. Demnach sollen auch XP und Vista eine Option zur Installation alternativer Web-Browser bekommen.
Die EU prüft im Streit über die Bündelung von Microsofts PC-Betriebssystem Windows mit seinem Internet-Browser sowie über Fragen der Offenlegung von Programmierschnittstellen in seinen Produkten ein neues Angebot des Software-Konzerns.
Microsoft habe unter anderem bei den Punkten bessere Kundeninformationen, Funktionen der Browser sowie spätere Überprüfung der Kommission neuerlich Zugeständnisse gemacht, teilte die Wettbewerbsbehörde am Mittwoch in Brüssel mit. Das sei eine weitere Verbesserung gegenüber den Vorschlägen vom vergangenen Juli. Am Freitag will die Kommission zu Stellungnahmen von Marktteilnehmern einladen. Diese haben einen Monat Zeit, ihre Stellungnahmen zu den neuen Vorschlägen einzureichen.
Wenn die Kommission den Angeboten zustimmt, werden sie für Microsoft rechtlich verbindlich. Die EU-Kommission dringt in einem laufenden Wettbewerbsverfahren darauf, dass es bei Windows mehr Auswahl bei Browsern geben soll. Die derzeitige Koppelung des Internet Explorer mit Microsofts Windows-Betriebssystem könne den freien Wettbewerb behindern.
Browser-Auswahl bei Installation
Im Juli hatte der weltgrößte Software-Konzern vorgeschlagen, allen Windows-Nutzern beim ersten Start des neuen Betriebssystems Windows 7 automatisch die Installation eines Konkurrenz-Browsers zu Microsofts IE anzubieten. Wie die Nutzer sollen auch die Computerhersteller den IE abschalten und andere Browser installieren können.
Der Vorschlag soll jedoch nur für Computer im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gelten. Dem EWR gehören alle EU-Staaten plus die EFTA-Mitgliedsländer Norwegen und Island an - nicht aber die Schweiz. Ursprünglich hatte Microsoft vor, Windows 7 in der EU ganz ohne Browser auszuliefern. Im neuesten Vorschlag, so die Kommission, würde Microsoft sich für die nächsten fünf Jahre verpflichten, über die Update-Funktion von Windows auch auf XP und Vista alternative Browser anzubieten.
Microsoft knüpft den Vorschlag an die Bedingung, dass damit mögliche Strafen vom Tisch sind. Bisher drohen ein hohes Bußgeld und weitere Sanktionen. Frühere Strafgelder aus Brüssel gegen Microsoft belaufen sich bereits auf rund 1,7 Milliarden Euro. Das EU-Verfahren war nach einer Beschwerde des norwegischen Browser-Herstellers Opera eingeleitet worden.
Noch vor einigen Jahren hatte Microsoft bei Browsern quasi eine Monopolstellung. Laut den aktuellen Nutzungsdaten des Marktforschungsunternehmens Net Applications vom September haben die verschiedenen IE-Versionen weltweit einen Marktanteil von 65,71 Prozent, gefolgt von Mozillas Firefox mit 23,75 Prozent und Apples Safari mit 4,34 Prozent. Googles Chrome kommt auf 3,17 Prozent, Opera auf 2,19 Prozent.
Öffnung der Schnittstellen
Auch zum für Entwickler äußerst wichtigen Thema Interoperabilität hat sich die EU-Kommission geäußert. Hier geht es darum, dass Microsoft Programmierschnittstellen in seinen Produkten der Konkurrenz zur Verfügung stellen muss. Microsoft werde zusätzliche Informationen zur Interoperabilität auf seiner Website zur Verfügung stellen, kündigte die Kommission an.
In einer Mitteilung vom Mittwoch begrüßte Microsoft das Vorgehen der Kommission als "großen Schritt nach vorn" und veröffentlichte seinerseits die Vorschläge in Sachen Browser-Auswahl und Interoperabilität - auch einen Vorschlag für eine Patentlizenz und Dokumente, die Standardisierungsprozesse für Outlook und Exchange betreffen. Auch die Informationspolitik in Sachen Office Open XML kommt zur Sprache. Diese Vorschläge hat Microsoft allerdings ausgerechnet im proprietären .doc-Dateiformat ins Netz gestellt.
Unter anderem verpflichtet sich Microsoft dazu, die Interoperabilitätsinformationen gegen Zahlung einer "nominellen Gebühr" - Microsoft schlägt unter Punkt drei der Interoperability Patent License eine Zahlung in Höhe von 10.000 US-Dollar vor, die dann mit den individuell vereinbarten Lizenzgebühren verrechnet werden kann - verfügbar zu machen und sie dann aktuell und vollständig zu halten, behält sich aber die Durchsetzung seiner Patente vor, wie aus der Lektüre des Vorschlags für die Interoperability Patent License hervorgeht. Dort heißt es unter Punkt 2.2, dass jeder, der in seinem Quellcode von Microsoft-Patenten Gebrauch macht, eine eigene Lizenz von Microsoft benötigt.
Eine Garantie, die Entwickler von Open-Source-Software unter einen rechtlichen Schutzschirm stellen würde und die über das bisherige Versprechen, FOSS-Developer nicht zu klagen, hinausgehen würde, fehlt.
(dpa/futurezone)