© AP/Matthias Rietschel, Mobilfunkmast

Glasfetischisten und Schönwetterfunker

NETZE
12.10.2009

In den mobilen Breitbandnetzen Österreichs wachsen die von UMTS/HSPA-Modems und iPhones verursachten Datenströme mittlerweile exponentiell, alle vier Netzbetreiber bauen deshalb ihre Datenleitungen zu den Funkmasten aus. Dabei gehen "3" und Orange anders vor als T-Mobile und die mobilkom austria.

"In unserem Netz gibt es schon allerhand iPhone-User, die mit drei Gigabyte Datentransfer im Monat nicht mehr auskommen", sagte Elmar Grasser, Technikchef von Orange, zu ORF.at. Generell sei das Verkehrsaufkommen enorm gestiegen, seitdem zu den technikaffinen Zielgruppen immer mehr Normalbenutzer dazukämen.

Sehen, hören, navigieren

Dadurch strömten immer mehr Videos, Hörbücher und etwa ein neues Navigationssystem fürs Handy samt Kartenmaterial auf die Geräte. Allein für Letzteres fielen im Durchschnitt rund eineinhalb Gigabyte Daten monatlich an.

Die hier vor einer Woche zitierten Zahlen aus dem neuen Marktreport der Analysten von Unwired Insight seien durchaus nachvollziehbar, sagte Grasser. Kernaussage des Berichts: Anstatt sich wie bisher jährlich zu verdoppeln, wächst das Datenaufkommen in UMTS-Netzen derzeit um hochgerechnet 200 Prozent pro Jahr.

"Große Zahlen"

"Man kann inzwischen von exponentiellem Wachstum reden", sagte auch Rüdiger Köster, Technikchef von T-Mobile Austria. "Es sind ziemlich große Zahlen, also der Trend stimmt", sagte auch Jan Trionow, Technikchef von Mitbewerber "3", zu ORF.at.

Lawinenartiges Wachstum

Anstatt sich wie bisher jährlich zu verdoppeln, steigt das Datenaufkommen in UMTS-Netzen derzeit um bis zu 200 Prozent. Bereits 2010 werden die Datenraten in den Netzen trotz HSPA-Aufrüstung signifikant nachgeben, heißt es in einem neuen Marktbericht. Einige Betreiber stünden vor schweren Entscheidungen.

Auch in den USA zeigt sich dasselbe Bild. Laut AT&T-Mobilfunkchef Ralph de la Vega sind in seinem Netz drei Prozent der Smartphone-User für 40 Prozent des Datenverkehrs in dieser Geräteklasse verantwortlich.

Bei der mobilkom schlägt der Trend ebenso durch wie beim Mitbewerb. Ob BlackBerry oder iPhone - die komfortableren Mobilgeräte kommen bereits auf 250 bis 300 MB pro Monat im Schnitt. Die wirklich großen Datenmengen aber fließen über UMTS-Sticks auf Netbooks ab, das ist bei allen vier Netzbetreibern gleich.

Der Datenabtransport

Ihre Methoden, den Verkehr von der Luftschnittstelle, also von den Mobilfunkmasten, abzutransportieren, unterscheiden sich jedoch erheblich.

Die mobilkom ist hier natürlich in einer einzigartigen Position, weil es - anders als bei den Mitbewerbern - im Konzern nun einmal jede Menge Festnetzleitungen gibt. Nicht zuletzt deswegen setze man auf eine "Off-Loading"-Strategie, sagte Werner Reiter von der mobilkom austria, "das ist eine intelligente Kombination aus Festnetz und Mobiltelefonie. Wir routen jeweils so um, dass es für den User schneller und für uns billiger wird."

DSL, WLAN, Handy

Das geschieht über einen DSL-Router, der mit dem Handy über WLAN verbunden ist. Da mehr als drei Viertel des mobilen Datenverkehrs ohnehin nicht unterwegs anfallen, sondern zu Hause, im eigenen Büro oder an einem anderen, bestimmten Ort, rechnet man sich hier gute Chancen aus, die steigende Belastung des Mobilfunknetzes teilweise abzufedern.

Wenn nämlich der Download eines Navigationssystems über den DSL/WLAN-Router auf das Handy kommt, dann ist das in der Regel für den User schneller und für die Telekom Austria billiger als Datentransport durch die Luft.

Der "Backhaul"

Für Köster ist beim Datenabtransport vom Sendemast das größte Problem, dass "es beim Backhaul in Österreich zu wenig Wettbewerb gibt".

Die Sendemasten von T-Mobile sind zum Gutteil über Mietleitungen der Telekom Austria mit xDSL-Leitungen angebunden, einen Teil der Masten versorgt man mit Richtfunk durch die Luft.

"3" und Orange setzen beim Netzausbau hauptsächlich auf solche Strecken, die in esoterischen Frequenzbereichen wie 15, 23 oder 38 GHz strahlen. Damit lassen sich vor allem Distanzen unter 1.000 Meter mit sehr hohen Bandbreiten überbrücken.

"Schönwetterbetreiber"

"Wer glaubt, den Backhaul mit Richtfunk betreiben zu können, ist ein Schönwetterbetreiber", sagt hingegen Reiter, schließlich sei es eine bekannte physikalische Tatsache, dass Nebel oder Regen die Kapazität von Richtfunkstrecken stark beeinträchtige. Für die mobilkom gebe es überhaupt nur eine Anbindung der Zukunft: Glas.

23 GHz et al.

Der Bereich 22,0 bis 22,6 GHz (Unterband) und 23,0 bis 23,6 GHz (Oberband) ist neben anderen Bändern, wie man der unten verlinkten Spezifikation des Verkehrsministeriums entnehmen kann, in Österreich für Punkt-zu-Punkt-Duplex-Richtfunkanlagen von Telekomunternehmen reserviert. Vorgeschrieben ist logischerweise Frequenzteilungsduplex (FDD).

Die Geräte, die in so esoterisch hohen Bändern werken, sind durchwegs unspekakulär anzusehen, die Antennen sind vergleichsweise winzig.

"Glasfaserfetischismus

Das mochte man bei Orange und "3"- dessen Geschäftsführer Berthold Thoma bei Interviews gerne den Begriff "Glasfaserfetischmus" gebraucht - natürlich nicht gelten lassen. "Nur Starkregen ist ein Problem", sagte Grasser, außerdem sei die neue Generation von Richtfunkstrecken wesentlich widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse als ältere Techniken.

"Ähnlich wie beim laufenden Upgrade der Funkzellen wird auch die Richtfunktechnik ständig leistungsfähiger, die Physik wird immer weiter ausgereizt", sagte Trionow.

300 MBit/s via Luft

Bei "3" wird ebenso wie bei Orange gerade mit einer neuen Generation Gigahertz-Beams aufgerüstet, die Sender seien bereits auf 300 MBit/s ausgelegt, so Trionow und: Die Transceiver senden Datenströme nach dem TCP-IP-Protokoll.

Der Vorteil solcher Richtfunkstrecken für die Herausforderer liegt auf der Hand. Man kann an bestehenden Standorten ausbauen und wann man will, da man nicht auf Drittanbieter, die vielleicht sogar Mitbewerber sind, angewiesen ist.

Wenn die Funkstrecke nicht mehr benötigt wird, weil der Standort mit Glasfaser angebunden ist, kann man sie "mitnehmen", also anderswo im Netz wieder einsetzen.

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(futurezone/Erich Moechel)