Stadt Wien will mehr Kameras im Gemeindebau
Nach eineinhalb Jahren Probebetrieb von Videoüberwachungssystemen in Wiener Gemeindebauten hat Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) eine positive Bilanz des Projekts gezogen. Er möchte nun die Überwachung auf weitere 15 Gemeindebauten ausdehnen. Umstritten sind allerdings sowohl Wirksamkeit als auch Finanzierung der Maßnahme.
Die Stadt Wien und Wiener Wohnen wollen die Anlagen zur Videoüberwachung in Gemeindebauten ausbauen. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sagte anlässlich einer Pressekonferenz am Montag in Wien, dass er bei der Datenschutzkommission (DSK) einen Antrag auf Verlängerung der Genehmigung für den bisherigen Probebetrieb in acht Gemeindebauten sowie für die Ausweitung des Kamerabetriebs auf 15 weitere Objekte gestellt habe. Eine Evaluierung des Projekts sei der DSK übermittelt worden.
Probebetrieb läuft aus
Die Videoüberwachung läuft seit April 2008 im Probebetrieb, und die Genehmigung dafür läuft Ende 2009 aus. "Wir gehen davon aus, dass die Datenschutzkommission schnell darüber entscheiden wird, ob die bestehenden Kameras weiterhin betrieben werden dürfen", so Hanno Csisinko, Ludwigs Mediensprecher, am Donnerstag gegenüber ORF.at.
Csisinko sagte auch, dass die Videoüberwachung in den acht Wohnanlagen des Pilotprojekts weiter ausgebaut werden sollte. "In manchen Objekten gab es nur Kameras an Garagen oder nur in den Aufzügen", so Csisinko. "Hier wollen wir die Anlagen vervollständigen." Im Rahmen des Probebetriebs wurden nur Aufzugsanlagen, Waschküchen und Garagen überwacht. Man wolle sich von der DSK nun auch die Überwachung von Kellern genehmigen lassen, sagt Csisinko, dabei solle es dann aber auch bleiben: "Stiegenhäuser und Gänge werden nicht überwacht, weil man damit in die Privatsphäre der Bewohner eingreifen würde." Man stelle die Kameras auch nur dort auf, wo die Bewohner das wünschen würden.
Kosten und Nutzen
Entwicklung und Installation des Kamerasystems für den Probebetrieb, dessen technischer Betrieb laut Csisinko in den Händen von Telekom Austria und Wienstrom liegt, habe rund 400.000 Euro gekostet. Die Installation umfasse 220 Kameras. Vor Einführung der Videoüberwachung habe Wiener Wohnen pro Anlage 80.000 Euro im Jahr zahlen müssen, um Schäden zu reparieren. In den acht überwachten Gemeindebauten habe man hierfür seit Einführung der Videoanlagen 65 Prozent weniger Geld ausgeben müssen.
Zugriffe auf die Videodaten waren nach Auskunft der Stadt Wien jedoch nur selten notwendig. "Es gab in der Probezeit nur zwei Fälle, in denen Wiener Wohnen direkt betroffen war", so Csisinko. "Einmal hat jemand - wohl aus Versehen - ein Tiefgaragentor beschädigt. Im zweiten Fall konnten zwei Personen ausgeforscht werden, die einen Aufzug beschädigt haben." Außerdem habe die Polizei von sich aus aufgrund von Anzeigen dreimal Videomaterial angefordert, beispielsweise bei dem Diebstahl eines Mopeds aus einer der überwachten Garagen.
Speicherung für 72 Stunden
"Viele Fälle sind das nicht", gibt Csisinko zu, "aber für uns zeigt das, dass die Kameras als Maßnahme der Prävention funktionieren. Daher schildern wir die überwachten Bereiche auch deutlich aus." Das Videomaterial aus allen eingesetzten Kameras wird 72 Stunden lang zentral gespeichert und danach gelöscht. Meldet beispielsweise ein Mieter innerhalb dieses Zeitraums eine neue Sachbeschädigung, dann schickt Wiener Wohnen Angestellte los, die die Meldung überprüfen und gegebenenfalls Anzeige erstatten. Dann werde das Videomaterial von dafür abgestellten Personen gesichtet und mitsamt der Anzeige an die Polizei übermittelt, so Csisinko.
Ob sich die Fälle von Vandalismus von den überwachten Gemeindebauten weg zu anderen Anlagen verschoben hätten, konnte Ludwigs Mediensprecher nicht sagen. Innerhalb der überwachten Gemeindebauten habe aber der Vandalismus generell abgenommen. Was die Erweiterung des Systems angehe, so müsse man die Entscheidung der DSK abwarten.
Finanzierung umstritten
Was die Finanzierung des weiteren Betriebs angeht, so zeichnet sich Streit ab. "Ludwig hat den Probebetrieb der Kameras aus dem Zentralbudget heraus finanziert", gibt David Ellensohn, Stadtrat der Wiener Grünen, auf Anfrage von ORF.at zu bedenken. "Irgendwann werden sie es auf die Betriebskosten aufschlagen müssen, und dann werden die Leute dafür zahlen, dass sie ständig gefilmt werden."
Norbert Walter, Wohnbausprecher der Wiener ÖVP, zeigte sich in einer Aussendung vom Donnerstag von den Ergebnissen des Videoüberwachungsprojekts überzeugt. Die ÖVP unterstütze die Installation von Überwachungsanlagen, wenn die Bewohner der Gemeindebauten das wünschten. Er sprach sich jedoch dagegen aus, die Videoüberwachung durch eine Erhöhung der Betriebskosten zu finanzieren.
Johann Gudenus von der Wiener FPÖ sieht auf Anfrage von ORF.at die Lage ähnlich wie Walter. "Die Zahlen zeigen, dass Videoüberwachung wirkt", so Gudenus, die FPÖ trete schon seit langem dafür ein, dass nicht nur Gemeindebauten, sondern auch kritische Bereiche im öffentlichen Raum verstärkt videoüberwacht werden sollten. Auch Gudenus ist dagegen, dass wegen der Videoüberwachung die Betriebskosten erhöht werden, Wiener Wohnen solle die Überwachungssysteme anderweitig finanzieren.
Kameras und Hausbesorger
"Am Ende profitieren sowieso nur die Firmen, die die Überwachungssysteme bereitstellen", sagt David Ellensohn. "Zahlreiche Studien aus Großbritannien, wo es nun wirklich genug Erfahrung mit Videoüberwachung gibt, zeigen, dass die Kriminalität durch die Installation von Videosystemen nicht zurückgeht. Die meisten Fälle von Gewalt passieren nachweislich in den Haushalten selbst. Man kann nicht in jeder Wohnung eine Kamera installieren." Sicherheit sei wichtig, aber Videoüberwachung schwäche die Bürgerrechte, und die Erfahrungen in Großbritannien zeigten, dass die Installation von Kameras den Vandalismus nur in andere Gebiete verdrängen würde. Auch die Täter selbst würden sich anpassen und beispielsweise Kapuzen überziehen. Das wiederum habe dazu geführt, dass Kapuzenträger Kaufhäuser nicht mehr betreten dürften.
Als Alternative zur Installation von Kameras schlägt Ellensohn vor, mehr Sozialarbeiter zu beschäftigen, um die Probleme an Ort und Stelle angehen zu können. "Ein positives Beispiel dafür ist bassena.at, das Stadtteilzentrum am Schöpfwerk", so der grüne Stadtrat. "Dort funktioniert das seit 25 Jahren gut." Sowohl Csisinko als auch Ellensohn sind dafür, mehr Hausbesorger einzusetzen, die Anlaufstelle für die Bewohner sein und Schäden beheben könnten. "Dafür muss freilich erst ein neues Hausbesorgergesetz geschaffen werden", so Csisinko.
(futurezone/Günter Hack)