Sony Alpha 550: Gelenkiger Herausforderer
Sony hat sich kürzlich mit neuen DSLR-Modellen auf den Markt gewagt, die keinen Videomodus aufweisen. Die Alpha 550 hat der Konkurrenz von Nikon und Canon dennoch ein wichtiges Feature voraus: Dank eines brauchbaren AF im Live View ist die Sony-Spiegelreflex flexibel wie eine Digicam - bei wesentlich höherer Bildqualität.
Drei Jahre ist es nun her, dass Sony die Fotosparte von Konica Minolta übernommen hat. Seither arbeitete der japanische Elektronikmulti hart daran, auch auf dem Markt für digitale Spiegelreflexkameras zu den Platzhirschen Canon und Nikon aufzuschließen. In Österreich lag der Konzern laut GfK-Daten für das erste Halbjahr 2009 auf dem Gesamtmarkt für Digitalkameras mit einem Anteil von 15 Prozent auf Platz drei hinter Nikon (18 Prozent) und Canon (17 Prozent), wobei Sony auf dem Kompaktkameramarkt überproportional stark ist.
Sony-Sensoren stecken auch in Kameras anderer Hersteller, beispielsweise in den Nikon-Modellen D5000 und D300S und auch dem Spitzenmodell D3S sowie der neuen K-x von Pentax. Freilich sind die Sensoren dort an die jeweiligen Bildverarbeitungssysteme angepasst.
Armdrücken in der Mittelklasse
Zuletzt hatte Sony im August die beiden Mittelklasse-DSLRs Alpha 500 und Alpha 550 vorgestellt, die sich hinsichtlich Sensor und Buffergröße leicht unterscheiden. Die Alpha 550 ist um einen CMOS-Sensor der Exmor-Serie mit einer Auflösung von 14,1 Megapixel herumgebaut. Von den Spezifikationen her ist sie das interessantere der beiden neuen Geräte, immerhin schafft sie auf dem Papier bis zu sieben Bilder pro Sekunde bei voreingestelltem Fokuspunkt und fixen Belichtungsparametern. Im Alltagsbetrieb dürften es freilich eher vier Bilder pro Sekunde sein. Der Buffer hält immerhin 32 JPEGs (volle Auflösung, Fine) oder 14 RAW-Bilder. Von diesen Parametern her ist das Gerät sogar dem früheren Sony-Spitzenmodell in der APS-C-Klasse, der Alpha 700, überlegen. Der Verschluss schafft 1/4000 Sekunde, die Blitzsynchronzeit liegt bei 1/160 Sekunde.
Auf dem Markt ist die Alpha 550 schwer zu verorten. Mit ihrem noch sehr frischen Straßenpreis von 850 bis 900 Euro inklusive der hier im Test verwendeten Optik 18-55 mm 3.5-5.6 DT SAM liegt sie über den verwandten und an dieser Stelle bereits besprochenen Konkurrenzgeräten von Nikon und Canon. Anders als die Nikon D5000 und die Canon EOS 500D bietet die Alpha 550 keinen Videomodus. Dafür hat sie eine höhere Auflösung und schnellere Bildverarbeitung und einen weiteren wesentlichen Vorteil, nämlich brauchbaren Autofokus im Live-Modus - aber dazu später.
Das Gehäuse
Beim ersten Kontakt liegt das Kunststoffgehäuse der Alpha 550 gut in der Hand. Allerdings knarzt das in Japan hergestellte und knapp 600 Gramm (ohne Akku) leichte Gerät jedes Mal etwas, wenn man den Griff etwas fester packt. Wer größere und schwerere Objektive an der 550 verwenden will, sollte sich aber den separat erhältlichen Hochformatgriff dazukaufen, der auch Platz für einen zweiten Akku vom Typ NP-FM500 bietet. Das Design der Kamera ist etwas gewöhnungsbedürftig.
Die Qualitätsanmutung liegt klar unter jener der Nikon D5000 und ungefähr auf dem Niveau der etwas leichter gebauten EOS 500D. Während das neue Standard-Kitobjektiv von Sony, das 18-55, über ein Kunststoffbajonett verfügt, ist der Objektivanschluss der Kamera aus Metall. Bei der Anordnung des Hauptschalters hat sich Sony auch bei der 550 von der Minolta-Tradition gelöst. Er sitzt nun nicht mehr hinten links am Gehäuse, sondern ist, wie bei Nikon und Pentax, in einem Ring um den Auslöser angeordnet. Das ist zu begrüßen, denn mit dieser Lösung kann die Kamera einhändig bedient und schneller in Anschlag gebracht werden. Auch die zufällige Aktivierung des Hauptschalters ist dadurch weniger wahrscheinlich als bei der Alpha 700. Der Auslöser selbst ist allerdings nicht so gut verarbeitet wie jener in den besseren Alphas, sein Druckpunkt ist etwas zu schwammig.
Die Ergonomie
Das Layout der Bedienungselemente ist übersichtlich und klar. Für die wichtigsten Funktionen wie Empfindlichkeitseinstellung, die elektronische Lupenfunktion im Live View und den Tonwertumfang-Erweiterungsmodus D-Range gibt es eigene, deutlich platzierte Knöpfe. Der Live-View-Modus ist über einen eigenen Schiebeschalter neben dem Spiegelprisma schnell aktiviert. Leider verfügt die Alpha 550 nur über ein einzelnes elektronisches Einstellrad, das noch dazu etwas unglücklich unter dem Auslöser angebracht ist. Rechts hinter einer recht soliden Klappe stecken die beiden Speicherkartenschächte: einer für SD(HC)-Karten und einer für Memory-Sticks in den Formaten Pro Duo und Pro Duo HG. Allerdings lässt sich immer nur eine der beiden im System befindlichen Karten als Speichermedium ansprechen. Kombinationen wie "RAW-Dateien auf die SD-Card und JPEGs auf den Memory-Stick" erlaubt das System der Alpha 550 nicht, aber diese Option fehlt auch im Sony-Spitzenmodell Alpha 900.
Im Gegensatz zur Alpha 700 hat die 550 kein hochwertiges Glasprisma im Sucher eingebaut, sondern lediglich Spiegel, es stellt sich ein leichter Tunnelblick ein, das manuelle Scharfstellen bereitet hier kein Vergnügen. Die neun AF-Felder leuchten zur Bestätigung rot auf. Leider wird der aktuelle Empfindlichkeitswert nicht in der Informationszeile eingeblendet. Dafür warnt eine Balkenanzeige davor, wenn der interne Verwackelungsschutz der Kamera die Bewegungen des Fotografen nicht mehr kompensieren kann. Den sehr gut funktionierenden Bildstabilisator im Gehäuse hat Sony - wie Olympus und Pentax - den beiden Marktführern voraus. Der Vorteil dabei ist, dass auch Verwender alter Optiken davon profitieren können. Dafür fällt die optische Kontrolle der Stabilisatorwirksamkeit durch den kritischen Blick des Fotografen im Sucher weg.
Monitor und Echtzeitvorschau
Der Monitor an der Gehäuserückseite lässt sich zwar nach oben und unten schwenken, allerdings nicht so frei verdrehen wie etwa der in der Nikon D5000 - und er lässt sich nicht nach innen drehen, um die leicht spiegelnde Oberfläche beim Transport vor Kratzern zu schützen. Dafür ist der Monitor sehr hell und das Layout der Parameteranzeige klar und logisch. Der Ladestand des Akkus wird, wie bei Sony üblich, exakt in Prozent angezeigt. Unter ausschließlicher Verwendung des Suchers soll die 550 rund 950 Bilder mit einer Akkuladung aufnehmen können, im Live View sind es nur 480. Der Wechsel zwischen den beiden Modi geht dank der guten Ergonomie der Kamera sehr flüssig vonstatten.
Die 550 verfügt im Live View über einen Vergrößerungsmodus, der 100 Prozent des vom Sensor erfassten Bilds in Echtzeit anzeigt und den der Fotograf mit einem Druck auf den entsprechenden Knopf schnell aktiviert hat. Daraufhin blendet die Kamera ein Gitternetz ein, und der Nutzer kann, etwa bei Makro-Aufnahmen oder komplizierten Set-ups im Studio, mit Lupentaste und Steuerkreuz genau den gewünschten Punkt anvisieren. Im Live-View-Betrieb zeigt die Kamera auch ein Echtzeit-Histogramm an, das erfahrenere Fotografen bei der Belichtungssteuerung unterstützen kann.
Schneller AF im Live View
Der Live View ist auch der Punkt, an dem sich die Alpha 550 - wie alle Sony-DSLRs mit dieser Option - fundamental von der Nikon D5000 und der EOS 500D unterscheidet. Da Sony im Live View nicht mit Kontrast-AF arbeitet, sondern mit dem schnellen Phasenerkennungs-AF, stellt die Alpha in der Echtzeitvorschau sehr schnell und zuverlässig scharf, womit sie dem Nutzer mehr Flexibilität beim Erfassen von Motiven bietet. Diese Eigenschaft kann einem Fotografen durchaus wichtiger sein als das Vorhandensein eines Videomodus. Der schnelle AF im Live View ist, kombiniert mit der schnellen Bildverarbeitung der Kamera, das große Plus der Alpha 550.
Anstatt zum besseren AF-Modul mit doppeltem zentralem Kreuzsensor zu greifen, der in den Alpha-Modellen ab der 700 bei Verwendung von Optiken ab einer Lichtstärke von 1:2,8 für präzises Scharfstellen sorgt, hat der Hersteller in der 550 ein Modul mit neun Punkten, acht Linien und einem zentralen Kreuzsensor verbaut. Schlecht ist der AF trotzdem nicht, er trifft seine Ziele bei gutem Licht schnell und zuverlässig, im - subjektiven - Vergleich muss er sich allerdings dem der EOS 500D geschlagen geben. Außerdem stellt der AF der Alpha bei kleinen Motiven vor konstrastreichem Hintergrund gerne auf Letzteren scharf und ist zuweilen davon nur schwer wieder abzubringen.
Fotos aus der Alpha 550
Einige Beispielbilder aus der Alpha 550 finden Sie auf dieser separaten Seite. Bitte beachten Sie die längere Ladezeit.
HDR in der Kamera
Ein weiteres von Sony stark beworbenes Feature der Alpha 550 ist der HDR-Modus. Dabei schießt die Kamera schnell hintereinander zwei Bilder mit unterschiedlichen Belichtungseinstellungen und errechnet aus diesen den für die jeweilige Situation optimalen Kontrastumfang. Das funktioniert freilich nur mit JPEGs.
Der HDR-Modus ist schnell über eine eigene Taste auf der Gehäuseoberseite auswählbar. Der Fotograf kann ihn entweder deaktivieren, die Kameraautomatik selbst entscheiden lassen oder die HDR-Stufe manuell einstellen. Im Test erwies sich das System bei stark kontrastreichen Motiven als durchaus hilfreich, schon in der geringen Einstellung auf Stufe 2 konnten damit ausgefressene Lichter und zulaufende schwarze Flächen vermieden werden. Freilich sollte die Funktion eher sparsam verwendet werden, es sei denn, man strebt den synthetisch anmutenden HDR-Look an und möchte ihn gezielt als Stilmittel einsetzen.
Die Nachteile
An diesem Punkt stört es, dass Sony dem Fotografen bei aktiviertem AF in der neuen Produktlinie von Optiken mit eingebautem Mikromotor nicht den manuellen Eingriff beim Scharfstellen erlaubt, wie das beispielsweise Pentax auch bei seinen billigsten Objektiven anbietet.
Was den Mikromotor in der Kit-Optik betrifft, so geht dieser recht lautstark zu Werke, außerdem mit einem unangenehm sägenden Betriebsgeräusch, das bei hektischeren Aktivitäten durchaus an einen Besuch in einer Zahnarztpraxis zu erinnern vermag. Auch der Spiegelschlag der Alpha 550 ist recht laut, vor allem wenn man ihn mit dem äußerst diskreten "Flapp" der Nikon D5000 vergleicht. Apropos Spiegel: Eine Spiegelvorauslösung bietet die Alpha 550 nicht, eine Abblendtaste ebenso wenig. Auch der Programmshift wurde im Test schmerzlich vermisst - eine äußerst nützliche Funktion, die die Konkurrenz von Nikon und Canon in vergleichbaren Modellen selbstverständlich anbietet. Eine dem Programmshift vergleichbare Funktion bietet die Alpha 550 nur im manuellen Modus, und zwar dann, wenn der Fotograf gleichzeitig die AEL-Taste drückt.
Gute Bilder bis ISO 1600
Im manuellen Modus funktioniert allerdings die praktische Auto-ISO-Funktion nicht. Diese lässt sich auch nicht vom Fotografen konfigurieren, wie etwa in der Alpha 700, wo sich die Obergrenze der verwendeten Empfindlichkeit praktischerweise genau einstellen lässt. Die ISO-Automatik reicht von 200 (der geringsten Empfindlichkeit des Systems) bis 1600. Über ISO 1600 schaltet die Elektronik der Alpha 550 laut Handbuch die Rauschunterdrückung ein. Letztere lässt sich im Menü übrigens auch ganz abschalten.
Was die Bildqualität angeht, so kann die Alpha 550 mit der Konkurrenz von Nikon und Canon problemlos mithalten. Auch die JPEGs direkt aus der Kamera, bisher in Tests von Sony-DSLRs häufig kritisiert, geraten bis ISO 1600 rauscharm und detailreich. Die Alpha 550 ist bei ISO 1600 so gut wie die Alpha 700 mit neuester Firmware v4 bei ISO 800. Den höchsten Empfindlichkeitswert von ISO 12800 sollte man, wie gewohnt, ohnehin nur in Notsituationen verwenden, auch der AF sollte dann nicht mehr gut funktionieren. Ein eigenes AF-Hilfslicht hat die Alpha 550 nicht, der Fotograf muss sich im Zweifelsfall mit grellen Lichtimpulsen aus dem eingebauten Blitzlicht (LZ 12) behelfen. Manuell lassen sich übrigens nur die üblichen vollen ISO-Werte anwählen (200, 400 etc.), in der Automatik wählt die Kamera auch Zwischenstufen wie ISO 1000 oder 640 aus.
Fazit
Die Alpha 550 kann, trotz beachtlicher technischer Werte, das APS-C-Oberklassemodell Alpha 700 nicht ersetzen. Dazu hat Sony an zu vielen Details gespart, von der Spiegelvorauslösung bis hin zum Programmshift. Seit die Produktion der Alpha 700 eingestellt wurde, hat Sony den besseren APS-C-Modellen von Canon und Nikon nichts mehr entgegenzusetzen. Wer mehr will, muss zu den Vollformatmodellen Alpha 850 und Alpha 900 greifen, die in ihrer Klasse allerdings recht günstig bepreist sind.
In der Klasse unterhalb der APS-Profimodelle vom Schlag einer EOS 7D oder Nikon D300s hat die Alpha 550 aber durchaus Chancen. Wer nicht unbedingt eine Videofunktion in seiner DSLR braucht und stattdessen lieber einen schnell zupackenden AF im Live View haben möchte, sollte sich die Alpha 550 genau ansehen, und zwar auch dann, wenn er den Erwerb eines Gehäuses in der Klasse der EOS 50D oder der Nikon D90 in Erwägung zieht. Die von der neuen Alpha gelieferte Bildqualität ist schon ab JPEG direkt aus der Kamera ausgezeichnet. Aufsteiger von Digicams und Bridge-Kameras werden sich mit der Alpha 550 schnell zurechtfinden. Nur bei der Verarbeitung des Gehäuses und beim AF im Normalbetrieb ohne Live View könnte sich Sony mehr Mühe geben.
(futurezone/Günter Hack)