Wien als Datenschutzmetropole
Bei den österreichischen Big Brother Awards wurden Sonntagabend zum ersten Mal Politiker der Grünen "ausgezeichnet". Im Publikum waren fast alle EU-Staaten vertreten, denn rund um die Awards finden gleich zwei internationale Datenschutzkonferenzen in Wien statt.
Bei der elften Ausgabe der österreichischen Big Brother Awards am Sonntag im Wiener Rabenhoftheater waren neben den österreichischen Besuchern der Gala auch beinahe alle EU-Staaten im Publikum vertreten.
Dass neben durchaus "würdigen" Mitnominierten wie Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) drei Landtagsabgeordnete der Grünen von der Jury ausgezeichnet wurden, kam dann für viele doch überraschend. Die hatte als erschwerend befunden, dass sich diese Abgeordneten federführend und offenbar wider besseres Wissen für Internet-Sperren eingesetzt hatten.
Diese in Deutschland bereits beschlossene Maßnahme wurde von der neuen deutschen Koalitionsregierung umgehend wieder ausgesetzt.
Wirtschaft und Kommunikation
Ebenso überraschend setzte sich in der Kategorie "Wirtschaft" das kleine Unternehmen Tiger Lacke in Sachen "Mitarbeiterbespitzelung" gegen die favorisierten Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) durch.
Mit 123people.com wurde unter mehreren "Web 2.0"-Betreibern ein österreichisches Unternehmen im Bereich "Kommunikation und Marketing" gekürt. 123people-Geschäftsführer Russell Perry wies die Begründung der Jury in einer Aussendung vom Sonntag zurück.
Am schwersten tat sich die Jury aber bei Behörden und Verwaltung. Dass man sich einig war, alle sechs hier Nominierten hätten eigentlich die Auszeichnung verdient, war nämlich das Problem.
Wider das E-Government-Gesetz
Letztendlich entschied man sich für jene Beamten des Finanzministeriums, die mit dem neuen Spendengesetz das E-Government-Gesetz schlicht ignoriert hatten. Das neue Gesetz schreibt die Weitergabe der Sozialversicherungsnummer eines Spenders zwingend vor, wenn die Spende an Caritas oder andere Hilfsorganisationen steuerlich absetzbar gemacht wird.
Das E-Government-Gesetz schreibt in solchen Fällen dezidiert ein nicht über Verwaltungsdatenbanken hinweg nachvollziehbares, bereichsspezifisches Personenkennzeichen vor. Die Sozialversicherungsnummer, ein besonders schützenswertes personenbezogenes Kennzeichen, wird damit nicht nur an alle Hilfsorganisationen verteilt, die Banken bekommen sie ebenfalls.
"PrivacyOS"
Auf der "PrivacyOS"-Konferenz wird es aus dem akademischen Bereich Vorträge von Forschern des Oxford Internet Institute, der Universität Leuven (Belgien), der Goethe-Universität Frankfurt sowie des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geben.
Die zweitägige Konferenz beginnt am Montag im Veranstaltungszentrum Europahaus in Wien-Hütteldorf.
Internationale Gäste
Wie schon im Vorjahr hatte der Dachverband European Digital Rights (EDRi) seine jährliche Hauptversammlung am selben Wochenende abgehalten, die Delegierten von britischen bis rumänischen, von schwedischen bis italienischen Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen saßen im Publikum. Mit Andreas Krisch vom Verein der Internetbenutzer (VIBE) stellt Österreich auch den Vorsitzenden des europäischen Dachverbands.
Neben EDRi hatten sich auch die Veranstalter der internationalen "PrivacyOS"-Konferenz für Wien entschieden, in einer internen Abstimmung der Teilnehmer konnte sich Wien souverän gegen Oxford durchsetzen. Im Rahmen der mit Mitteln der EU geförderten und vom Unabhängigen Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein organisierten Konferenzreihe "PrivacyOS" treffen Datenschützer mit Vertretern von IT-Industrie, Behörden und solchen aus dem akademischen Bereich zum Meinungsaustausch zusammen.