© Reuters/Luke MacGregor, Flagge Großbritannien

GB vor Einführung von "Three Strikes Out"

URHEBERRECHT
28.10.2009

Der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson ahmt das französische Vorbild nach. Er hat angekündigt, ab 2011 Internet-Sperren für Urheberrechtsverletzer einführen zu wollen. Für die Sperrmaßnahmen soll kein ordentliches Gericht zuständig sein, sondern ein "unabhängiges Tribunal" der Regulierungsbehörde Ofcom. Außerdem will Mandelson vergleichbare Regeln auf EU-Ebene durchsetzen.

Wie die BBC am Mittwoch berichtet, hat der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson (Labour) auf einer Diskussionsveranstaltung in London angekündigt, der französischen Regierung folgen und "Three Strikes Out"-Regelungen gegen Filesharer zum Schutz der britischen Medienindustrie einsetzen zu wollen. Mandelson vollzieht damit eine Kehrtwende zur bisherigen Politik der britischen Regierung, die ursprünglich von solchen Plänen absehen wollte.

Der Wirtschaftsminister sprach sich dafür aus, eine Regelung einzuführen, bei der Filesharern, die unlizenziert Medieninhalte tauschen, nach zwei Warnbriefen die Internet-Verbindung gekappt wird. Laut Mandelson würden allerdings die Warnbriefe schon abschreckend genug wirken, womit nicht mit vielen Sperraktionen zu rechnen sei.

"Tribunal" statt ordentlichem Gericht

Laut der Tageszeitung "The Guardian" sollen die Netzsperren im Sommer 2011 in Kraft treten, ein entsprechendes Gesetz soll im kommenden April verabschiedet werden. Anschließend möchte die Regierung ein Jahr lang prüfen, ob der nicht lizenzierte Datenverkehr allein durch die Versendung von Warnbriefen um 70 Prozent zu senken sei. Falls dem nicht so sei, würde man ab Juli 2011 damit anfangen, Filesharer vom Internet zu trennen. Die Effektivität der Warnbriefmaßnahme solle von der Regulierungsbehörde Ofcom geprüft werden.

Die Kosten für das einzurichtende Strafsystem sollten sich die Internet-Provider und die Content-Industrie teilen. Wie die Pläne im Detail umgesetzt und auf welche Weise und von wem die mutmaßlichen Urheberrechtsverletzer identifiziert werden sollen, zeigt ein Schema, das vom "Guardian" erstellt wurde. Die Identifikation der Filesharer erfolgt - wie in Frankreich - durch Privatermittler der Rechteinhaber. Das Verschicken der Warnbriefe bleibt dann dem Provider überlassen. Gegen Wiederholungstäter soll dann Anzeige erstattet werden. Die Einsprüche gegen die Beschuldigungen wird dann die Ofcom managen. Der Regulierer wird also zu einer Art Strafbehörde nach dem Vorbild der französischen HADOPI aufgebaut. An dieser Stelle ähnelt Mandelsons Plan dem ursprünglichen Vorhaben der französischen Regierung: Nicht ein ordentliches Gericht soll die Sperren verhängen, sondern ein "Tribunal" eines "Independent Body" der Ofcom.

Vivendi-Chef begrüßt Plan

Privatkopien digitalen Materials, etwa das Kopieren von Tracks einer gekauften CD auf einen iPod und das Weitergeben innerhalb einer Familie sollen aber weiterhin legal bleiben. Schützenhilfe erhielt Mandelsohn von Jean-Bernard Levy, dem Chef des französischen Megakonzerns Vivendi, der sowohl Internet-Dienstleistungen als auch Medienprodukte im Portfolio hat. Levy sprach sich an der Seite von Mandelson in London für eine harte Verfolgung von Filesharern aus.

Gefahr auf EU-Ebene wächst

Besonders beunruhigend ist, dass Mandelson ankündigte, diese Details "auf europäischer Ebene" klären zu wollen, wie die BBC berichtet. Die EU berät derzeit über eine weitere Reform des Urheberrechts. Von der internationalen Anti-Filesharing-Strategie der Medienlobby betroffen ist auch das Richtlinienbündel, mit dem die EU den Telekommarkt neu regulieren möchte.

Die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net hatte kürzlich auch Catherine Trautmann, der französischen Unterhändlerin in Sachen Telekompaket, vorgeworfen, eine Klausel (Amendment 138) in der Rahmenrichtlinie verwässert zu haben, die das Kappen von Internet-Verbindungen in der EU nur auf richterlichen Beschluss hin erlaubt hätte. Die aktuelle Diskussionsfassung der Passage sieht nun vor, dass Regelungen zum Abdrehen von Internet-Verbindungen den nationalen Verfassungen entsprechen müssten. Die ursprüngliche Fassung von Amendment 138 wäre Mandelsons Plänen im Weg gestanden, was auch die harte Haltung des EU-Ministerrats in dieser Frage zumindest teilweise erklären würde. Gegenüber ORF.at teilte die Pressestelle des EU-Parlaments mit, dass die endgültige Abstimmung über das Telekompaket im Dezember stattfinden wird.

Proteste von ISPs und Bürgerrechtlern

James Killock, Leiter der britischen Bürgerrechtsorganisation Open Rights Group zeigte sich von Mandelsons Plänen gegenüber der BBC enttäuscht. Sogar der britische Inlandsgeheimdienst MI5 habe sich kürzlich gegen "Three Strikes" ausgesprochen. Die nicht lizenzierten Datenübertragungen würden lediglich in ein "Dark Net" aus verschlüsselten Verbindungen ausweichen und damit schwerer zu fassen sein. Der Internet-Provider TalkTalk zeigte sich dazu entschlossen, gegen die Pläne Mandelsons gerichtlich vorgehen zu wollen. Problematisch an den "Three Strikes"-Plänen sind sowohl die Beweisführung als auch der Umgang mit gemeinsam genutzten Internet-Verbindungen.

Auch ob Mandelsons Labour-Partei 2011 noch im Amt sein wird, darf bezweifelt werden. Bisher deutet alles darauf hin, dass bei der Wahl 2010 die Konservativen den Sieg davontragen werden.

"Technische Maßnahmen" gegen Filesharer

Die britische Netzpolitik-Expertin Monica Horten sagte auf Anfrage von ORF.at, Mandelsons Plan gehe auf den Bericht "Digital Britain" vom Jänner 2009 zurück. Dort wurde vorgeschlagen die Technik der Deep Packet Inspection und andere "technische Maßnahmen" dazu einzusetzen, gezielt den Datenverkehr zu stören.

"Man sollte sich fragen, auf welcher Grundlage die Ofcom beschließen will, dass der Einsatz solcher 'technischer Maßnahmen' notwendig wird", so Horten gegenüber ORF.at, "Was ist der 'Markt' für Filesharing?" Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden voraussichtlich für viel Streit sorgen und seien bereit in einem Parlamentsausschuss angefochten worden.

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(futurezone/Günter Hack)