© Fotolia/Benjamin Haas, Mann hält Glasfaserkabel in der Hand

Neuer Regulierungsansatz für Glasfasernetze

INFRASTRUKTUR
29.10.2009

RTR-Chef Georg Serentschy hat sein Plädoyer für einen schnellen Ausbau der Glasfasernetze in Österreich erneuert. Um diesen finanzieren zu können, schlägt er Kooperationsmodelle zwischen Providern und der Energiewirtschaft sowie einen neuen Regulierungsansatz vor. Den jüngsten Plan der britischen Regierung, dass das dortige RTR-Pendant Ofcom gegen Urheberrechtsverletzer im Netz vorgehen soll, findet Serentschy "merkwürdig".

Am Donnerstag nahm Serentschy anlässlich eines Pressegesprächs in Wien zu den anstehenden Herausforderungen beim Ausbau der Glasfaserinfrastruktur in Österreich Stellung. "Der Übergang von Kupfer zu Glasfaser ist ein Jahrhundertprojekt", so Serentschy. Das alte Kupfernetz sei ausgereizt, neue attraktive Dienste wie Video on Demand nur über Glasfasernetze an den Kunden zu bringen.

Serentschy stellte bei dieser Gelegenheit eine qualitative Studie vor, im Rahmen derer Interviews mit 20 Branchenvertretern zum Thema Glasfaserausbau ausgewertet wurden. Gerade die Kabelnetzanbieter hätten dabei zu Protokoll gegeben, dass die Nachfrage nach Breitbandanschlüssen derzeit noch gering sei.

Hier ortet Serentschy ein "Henne-Ei-Problem". Solange noch keine attraktiven Dienste vorhanden seien, würden sich auch die Kunden nicht für schnelle Anschlüsse interessieren. Wichtig sei der Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur dennoch, allein schon um Österreich als Standort für Unternehmen interessant zu halten.

Die RTR hat zum Thema Breitbandausbau in ihrer Schriftenreihe einen neuen Band veröffentlicht, der als PDF zum kostenlosen Download zur Verfügung steht.

Glasfaser bis zum Kunden

Im Rahmen der nächsten fünf bis zehn Jahre könnten zwischen 50 und 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit hochwertigen Breitbanddiensten versorgt sein, glaubt Serentschy - allerdings hauptsächlich in den Städten. Im ländlichen Raum könne das Netz nicht ohne staatliche Förderung ausgebaut werden. Das Backbone sei bereits auf Glasfaser umgestellt, es fehle aber noch an schnellen Leitungen bis zum Kunden.

Große Hoffnung setzt Serentschy in die Auswirkungen der letzten Novelle des Telekommunikationsgesetzes. "Diese regelt nämlich nicht nur das Wegerecht in der Infrastruktur von Telekomunternehmen, sondern auch anderer Organisationen", so der RTR-Chef. Er sieht deshalb eine "Rückkehr der Energieversorger in die Arena".

Diese würden bereits über umfangreiche Infrastrukturen verfügen, die sich zum Ausbau der Netze nutzen ließen. Allerdings würden sich die Versorger nicht im Verkauf von Produkten an Endanwender, sondern vielmehr auf Großhandelsebene engagieren. Serentschy appellierte an die Politik, ihren Infrastrukturbegriff zu erweitern: "Ich höre immer noch von Neubaugebieten, die mit Wasser und Elektrizität versorgt werden, wobei aber die Gelegenheit verpasst wurde, auch Leerrohre für Glasfaserkabel zu verlegen."

Streit zwischen ISPs und Versorgern

Das geht allerdings nicht ohne Reibungen zwischen Internet-Providern (ISPs) und Versorgern ab, wie Serentschy auf Nachfrage von ORF.at sagte. Die TKG-Novelle habe allerdings bereits dazu geführt, dass die RTR regionale Konflikte zwischen beiden Gruppen schlichten müsse.

"Solche Streitereien gab es in der Frühzeit der Handynetze auch um die gemeinsame Nutzung von Mobilfunkmasten", sagte Serentschy, der die Kooperation von Versorgern und Internet-Diensteanbietern für eines von drei "denkbaren Modellen" für die Finanzierung des Glasfasernetzausbaus in Österreich hält.

Andere Szenarien bestünden in der Kooperation mit Bauträgern, verbunden mit Förderungen und der Zusammenarbeit mehrerer Netzbetreiber mit Investitionsbeteiligungen. So könnte sich ein kleinerer Anbieter finanziell an einem geplanten Projekt der Telekom Austria (TA) beteiligen und dafür entsprechend günstigere Konditionen bei der Leitungsmiete erhalten.

Die TA habe im österreichischen Festnetz ein "natürliches Monopol", so Serentschy, daher solle es auch keine Regulierungsferien geben. Vielmehr will die RTR die Regulierung von der physischen auf die logische Ebene verlagern. Bei Glasfasersystemen gebe es keine Entbündelung mehr wie noch im Kupfernetz, der Datenverkehr werde über Software gesteuert. Die Regulierung auf dem Glasfaser-Breitbandmarkt müsse daher im Vorleistungsmarkt ansetzen. Wie Serentschy diese virtuelle Entbündelung regulieren möchte, werde er voraussichtlich im ersten Quartal 2010 vorstellen.

UMTS und Festnetz-Breitband

Eng mit dieser Fragestellung verbunden ist natürlich auch der Streit über die Breitbanddefinition. Die RTR will bekanntlich den Breitbandmarkt in städtischen Räumen deregulieren und beruft sich dabei auf Ergebnisse ihrer jüngsten Nutzungsstudie, nach der 75,8 Prozent der heimischen Privatkunden mobiler Breitbandanschlüsse diese als Ersatz für einen Festnetzanschluss nutzten.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte daraufhin Zweifel daran geäußert, ob UMTS-Anschlüsse ein echter Ersatz für schnelle Festnetzanschlüsse sein könnten. Auch der heimische Providerverband ISPA wandte sich gegen die Gleichsetzung von UMTS und Festnetz-Internet. Die kleineren Provider befürchten, bei einer Deregulierung des Markts aus dem Geschäft gedrängt zu werden.

Auf Anfrage von ORF.at bekräftigte Serentschy diese Position der RTR. Man habe bereits entsprechendes Datenmaterial nach Brüssel geschickt. "Ich bin optimistisch, dass wir die Kommission mit unseren Fakten überzeugen können", so der RTR-Chef. Die letzte Nutzungsstudie habe gezeigt, dass die österreichischen Privatkunden das Netz überwiegend zur Informationssuche im World Wide Web und für E-Mail verwendeten.

Diese Argumentation verträgt sich allerdings nicht mit der angepeilten Einführung neuer attraktiver Breitbandprodukte, wegen derer ja das Glasfasernetz ausgebaut werden soll. Serentschy räumte ein, dass die Übergangsphase von Kupfer auf Glas schwierig sei. Der Regulator müsse einen Kompromiss finden, der Investitionen in das Breitbandnetz attraktiv mache und andererseits den Wettbewerb erhalte. Wenn die TA unter der Sicherung der Investitionssicherheit einen Aufschlag auf den Kapitalkostensatz verstehe, so sei das aus seiner Sicht in Ordnung, so Serentschy.

"Three Strikes Out" und der Regulierer

Die offenen Fragen zum Glasfasernetzausbau möchte die RTR im Rahmen von Planungsrunden mit den beteiligten Interessengruppen lösen, am Ende soll eine Art nationaler Breitbandplan entstehen, in dem auch sichtbar wird, wie die verschiedenen Akteure miteinander kooperieren, etwa bei der Nutzung vorhandener Leerrohre.

Von ORF.at auf die Pläne der britischen Regierung angesprochen, beim dortigen RTR-Pendant Ofcom ein Tribunal zur Verhängung von Internet-Sperren gegen mutmaßliche Urheberrechtsverletzer anzusiedeln, sagte Serentschy, dass er "keine Geneigtheit" in der österreichischen Politik sehe, sich mit diesem Thema zu befassen. "Ich finde es merkwürdig, dass eine Institution, die sich eigentlich mit der Förderung der Netze befasst, nun als Verhinderer eingesetzt werden soll", so der RTR-Chef.

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(futurezone/Günter Hack)