© Reuters/Toru Hanai, Ein Trauergast betet vor dem Bildschirm eines Grabes in Yokohama, Japan.

Der digitale Friedhof

GESELLSCHAFT
01.11.2009

Die hohe Mobilität der Menschen im digitalen Zeitalter beeinflusst auch die Trauerriten in unserer Gesellschaft. Es ist nicht mehr so einfach wie früher, die ganze Familie zu Allerheiligen zu versammeln. Mit Online-Trauerangeboten erweitern daher Bestattungsunternehmen ihr Dienstleistungsangebot ins Netz. Ein US-Amerikaner hat sogar einen "Taschenfriedhof" fürs iPhone geschrieben.

Sie heißen "emorial", "Straße der Besten", "eternal live", "Geh den Weg", "A Life Recorded“ oder einfach "Internet-Friedhof". Als Nutzer kann man dort eine Gedenkstätte einrichten, meist in Form eines Grabmals oder einer Todesanzeige. Viele Portale bieten außerdem diverse Features, die in Zeiten von Web 2.0 als Standard gelten dürfen: Bild, Text, Audio, Video, Interaktivität in unterschiedlichem Ausmaß. Virtuelle Kerzen entzünden und Kondolenztexte eingeben kann der Besucher sowohl bei privaten "Online-Gräbern" als auch bei den zahlreichen Erinnerungsseiten für Prominente.

"Solche Promi-Gedenkseiten dienen in der Regel nur der Generierung von besseren Rankings in Suchmaschinen und damit der Erhöhung der Besucherzahlen, was wiederum die Werbeeinnahmen verbessert", kritisierte der Innsbrucker Thanatologe Markus Ploner. Er ist Geschäfsführer der Trauerhilfe GmbH und hält wenig von werbefinanzierten "Online-Friedhöfen".

Dienstleistung im Internet

Die Trauerhilfe ist eine Kooperation von mehreren Bestattungsunternehmen aus Westösterreich, die gemeinsam die Website Trauerhilfe.at betreiben. Das Angebot gibt es seit 2003, die Trauerhilfe war damit ein Pionier auf diesem Gebiet in Österreich. Die Website erweitert das traditionelle Angebot der Bestatter auf das Web. Die beteiligten Unternehmen stellen die Parten aller von ihnen betreuten Todesfälle online, wo sie für sechs Wochen gespeichert werden. Besucher können dann in einem Online-Kondolenzbuch Einträge vornehmen.

Auf dem Portal gibt es seit zweieinhalb Jahren auch ein Trauerforum. Dort gibt es psychologische Beratung für die Hinterbliebenen, die sich auf der Website auch in Selbsthilfegruppen organisieren können. Vor einigen Monaten wurde dieses recht aktive Forum von Trauerhilfe.at auf ein neues österreichisches Internet-Portal verschoben: "Aspetos" heißt die neue Plattform, mit der die Trauerhilfe kooperiert. Seit Juni dieses Jahres ist die Seite online und nennt sich "Soziales Netzwerk für Trauernde". Auch bei Aspetos wird vom Betreiber, der 11media GmbH in Wien, intensiv mit Bestattungsunternehmen zusammengearbeitet. Hier bleiben die Parten allerdings unbegrenzt online und können auch von Usern selbst hochgeladen und erweitert werden. Außerdem gibt es neben dem Forum umfangreiche Informationen zu allem, was Tod, Bestattung und Trauer betrifft.

Am Sonntag in "matrix"

Den Radiobeitrag zum Thema hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix". Weiters sendet "matrix" einen Beitrag von Sonja Bettel über die diesjährige Verleihung der österreichischen Big Brother Awards. Den Textbeitrag von ORF.at zu diesem Thema finden Sie hier:

Privatfriedhof fürs iPhone

Auch für Zeitgenossen, die ihre virtuelle Gedenkstätte immer bei sich haben wollen, gibt es ein eigenes Angebot: "Pocket Cemetery", den Taschenfriedhof fürs iPhone. Manche mögen das als morbiden Scherz oder gruselige Verrücktheit abtun, aber Erfinder Wayne Perry meint es durchaus ernst: "Die Idee ist mir gekommen, weil meine Großeletern und andere nahestehende Verstorbene auf vielen Friedhöfen im Land verstreut sind und ich sie viel seltener besuchen konnte, als ich wollte. Deshalb habe ich beschlossen, sie alle auf meinem Taschenfriedhof zusammenzubringen, wo ich sie jederzeit virtuell besuchen und ihnen mit Blumen und Gebeten meine Reverenz erweisen kann." Inklusive Haustieren und Prominenten wie Michael Jackson, wie er in seinem YouTube-Video zeigt.

Ein japanisches Beerdigungsunternehmen hat spezielle Grabsteine im Programm, die über QR-Codes mit Mobiltelefonen kommunizieren. Damit können Grabbesucher vor Ort Informationen über den Verstorbenen abrufen. Mittels des Codes stellt das Handy eine Verbindung zu einem dazugehörigen Trauerportal im Internet her, auf dem sich Texte, Bilder und Videos finden.

(matrix/Eva Schmidhuber)