ACTA: USA machen Druck für "Three Strikes"
Der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist hat beunruhigende Details aus den neuen Verhandlungen zum Anti-Piraterie-Abkommen (ACTA) publiziert. Demnach sollen US-Vorstellungen zur Pirateriebekämpfung auf alle Unterzeichnerstaaten ausgeweitet werden. Die Verhandlungen sind nach wie vor geheim und gehen an den gewählten Volksvertretungen vorbei.
Geist veröffentlichte am Dienstag unter Berufung auf gut unterrichtete Quellen Details aus der aktuellen Verhandlungsrunde zu ACTA. Die Unterhändler aus den USA, der EU und anderen Industriestaaten kommen derzeit in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul zusammen, wo sie bis Freitag verhandeln. Konkret geht es diesmal um die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet.
Laut Geist fordern die USA, dass die Internet-Provider ihren Status als einfache Vermittler verlieren und unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden sollen - wenn sie nicht dafür sorgen, dass sie die Anforderungen von ACTA erfüllen. Dazu gehöre auch, so Geist, dass die Provider ihre Kunden vom Internet trennen, falls diese unlizenziert Inhalte verbreiten, wie es die "Three Strikes Out"-Pläne in Großbritannien und Frankreich vorsehen.
USA als Vorbild für die Welt
Weiterhin soll die Unterhaltungsindustrie in den ACTA-Unterzeichnerstaaten, zu denen auch die Europäische Union gehört, die Macht bekommen, Inhalte sofort auf Zuruf aus dem Netz entfernen zu können - vergleichbar mit dem System im extrem restriktiven Digital Millennium Copyright Act (DMCA) der USA. Geist warnt davor, dass mit ACTA die US-Copyright-Gesetzgebung schlicht auf alle Unterzeichnerstaaten ausgedehnt werde. Die DMCA-Parallelen gehen auch so weit, dass DRM-Systeme nicht umgangen werden dürfen. Eine Pflicht zur Interoperabilität von DRM-Systemen sei in dem derzeitigen Vorschlag nicht vorgesehen.
Geist weist darauf hin, dass es sich nach Lektüre der Vorschläge, die im Geheimen unter der Regie der US-Unterhaltungsindustrie erstellt worden sind und in die auch die EU-Kommission keinerlei Einblick gewährt, nicht mehr um ein Anti-Piraterie-Abkommen, sondern um ein Copyright-Abkommen handle. Das stelle das Verhandlungsmandat der kanadischen Regierung infrage.
Staatsgeheimnis ACTA
Die EU-Kommission und die US-Regierung behandeln ACTA schon seit Beginn der Verhandlungen im Jahr 2007 wie ein Staatsgeheimnis und verweigern unter Berufung auf die laufenden Debatten systematisch die Herausgabe von Details. Auch die Regierung von Barack Obama setzte die Tradition der Regierung von George W. Bush ungebrochen fort und verhandelt unter dem Label des Executive Privilege des Präsidenten am Senat vorbei.
Bürgerrechtler und Konsumentenschützer befürchten seit langem, dass das Abkommen tief in die Bürgerrechte einschneiden könnte. Dass die Provider für Piraterie in ihren Netzen haftbar gemacht werden sollen, ist bisher auch eine der wenigen konkreten Aussagen der EU-Kommission zu ACTA.
So hat auch die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) am Dienstag (Ortszeit) abermals davor gewarnt, dass ACTA die Ausdehnung der äußerst restriktiven US-Copyrightgesetze auf die Unterzeichnerstaaten zur Folge habe. Als Vorbild für den Abschnitt über die Bekämpfung der Internet-Piraterie in ACTA identifizieren sowohl Geist als auch EFF entsprechende Abschnitte im jüngsten Freihandelsabkommen zwischen den USA und Südkorea.