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Data-Retention: Streit über Zugriffsbedingungen

KONTROLLE
06.11.2009

Die Regierung handelt derzeit die Details zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) aus. Umstritten ist dabei, ab welchem Strafmaß die Behörden die gespeicherten Verbindungsdaten verwenden dürfen und unter welchen Umständen das ohne richterlichen Beschluss geschehen darf.

"Wir müssen den Gesetzesvorschlag für die Umsetzung der Data-Retention-Richtlinie bis zum 24. November zur Begutachtung stellen, um eine Geldstrafe durch die Europäische Union zu vermeiden", so Susanna Enk, Sprecherin von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ), am Freitag zu ORF.at. An diesem Datum nämlich läuft die Frist aus, innerhalb derer die Bundesregierung noch beim Europäischen Gerichtshof Stellung nehmen kann.

Die EU-Kommission hatte Österreich routinemäßig geklagt, weil es die 2006 beschlossene Richtlinie zur Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten in Internet und Telefonie nicht fristgerecht umgesetzt hat. Auch die Handystandortdaten müssen laut dieser Richtlinie für mindestens sechs Monate gespeichert und den Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten und organisierter Kriminalität zur Verfügung gestellt werden - und das mindestens sechs Monate lang.

Streit über Speicherdauer

Auf diese Frist haben sich nun auch die drei an der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht beteiligten Ministerien geeinigt. Die zuletzt federführenden Verkehrsminister der SPÖ - Werner Faymann bzw. Bures - haben sich dabei stets für die minimale Speicherfrist von sechs Monaten ausgesprochen.

Ihre Gegenspieler aus dem ÖVP-geführten Innenministerium - Günther Platter bzw. Maria Fekter - wollten mehr. Zumindest an dieser Stelle konnte sich die SPÖ durchsetzen. An der Frist von sechs Monaten solle nun nicht mehr gerüttelt werden, so Enk zu ORF.at. In Kraft treten werde das Gesetz vermutlich Mitte 2010.

Abstimmungsbedarf zwischen Innen-, Verkehrs- und Justizministerium gibt es noch in zwei heiklen Bereichen. Das Justizministerium muss nämlich noch festlegen, ab welchem Strafmaß die Behörden auf die Datensammlung, speziell auf die Stammdaten der Anwender, zugreifen dürfen. Um die Arbeit der Polizei zu erleichtern, würde das Innenministerium hier die Schwelle gern möglichst niedrig ansetzen und die auf Vorrat gespeicherten Daten auch für die präventiven Aufgaben der Sicherheitsbehörden zugänglich machen. Die EG-Richtlinie, die eigentlich zur Terrorbekämpfung geschaffen wurde, lässt die Möglichkeit offen, dass die Vorratsdaten auch zu anderen Zwecken eingesetzt werden können.

Zugriff ohne Richter

Weiters geht es darum, in welchen Fällen die Polizei ohne richterlichen Beschluss auf die Daten zugreifen darf. Im Normalfall ist der Zugriff auf die Vorratsdaten für Zwecke der Strafjustiz den Behörden nur dann erlaubt, wenn ein Richter seine Genehmigung erteilt, so Hannes Tretter, Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, am Freitag gegenüber ORF.at.

Das Institut hat im Auftrag des Infrastrukturministeriums einen Entwurf für die Änderungen am Telekommunikationsgesetz ausgearbeitet, mit denen die Data-Retention-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden soll. Man habe "keinen Beamtenentwurf" haben wollen, weil die Thematik die Menschenrechte berühre, so Enk.

"Es gibt im Entwurf nur eine Ausnahme vom Richtervorbehalt, und zwar dann, wenn es um die Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben geht", so Tretter. Hier solle es eine entsprechende "Gefahr im Verzug"-Klausel geben, die den Sicherheitsbehörden auch den Zugriff auf die Stammdaten und Standortdaten des Nutzers ohne richterlichen Beschluss erlaubt, sofern die betroffene Person im Nachhinein über die Datenverwendung informiert wird. An dieser Stelle sei den Interessen am Schutz des Lebens und der Gesundheit gegenüber dem Datenschutz Vorrang zu geben, dem jedoch durch die nachträgliche Information Genüge getan werde, so Tretter.

Zugriffe geloggt

Weiterhin sei vorgegeben, dass die auf Vorrat gespeicherten Daten dezentral bei den Providern gespeichert werden müssten - und zwar auf physisch abgetrennten Rechnersystemen, die speziell zu diesem Zweck unterhalten werden. Zudem werde jeder Zugriff der Behörden auf die Daten registriert und seinerseits gespeichert. Die Datenübermittlung vom Provider an die Behörden müsse verschlüsselt werden.

Da die Data-Retention tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, spricht sich Tretter dafür aus, sie nur zur Bekämpfung schwerer Straftaten einzusetzen, wie dies ursprünglich von der EU vorgesehen war. Tretter erwartet, dass der vorliegende Entwurf den Vorgaben der EU Genüge tun werde. "Wir sind mit großer grundrechtlicher Sorgfalt vorgegangen", so Tretter, der die Aufgabe seines Instituts damit als beendet ansieht. Die restlichen Punkte müssten die Ministerien untereinander klären.

Bei dieser Abstimmung gibt es allerdings auch einige Unklarheiten. So hat das Justizministerium verlauten lassen, dass es noch nicht alle Informationen erhalten habe, die zur Bearbeitung des Entwurfs nötig seien. Bures-Sprecherin Enk: "Diese Behauptung kann ich nicht nachvollziehen. Das Justizministerium hat alle Daten erhalten."

Kritik der Opposition

Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen im Nationalrat, begrüßte in einer Aussendung vom Freitag die Zuziehung des Boltzmann-Instituts bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs. Er wandte sich jedoch erneut gegen den Plan, sämtliche Verbindungsdaten alle Bürger verdachtsunabhängig aufzuzeichnen: "Die systematische Speicherung der Anrufdaten und IP-Adressen aller Bürgerinnen und Bürger ist meiner Meinung nach mit der Privatsphäre und dem Schutz vor unberechtigter Verfolgung nicht zu vereinbaren", so Pilz.

Die Aussagen Fekters im Innenausschuss vom Donnerstag findet Pilz "bedenklich", die Innenministerin strebe eine "Massenüberwachung" der Bevölkerung an. Er forderte die SPÖ dazu auf, "den eingeschlagenen Weg der Suche nach menschlich und rechtlich haltbaren Lösungen fortzusetzen".

Auch Gerhard Deimek, Konsumentensprecher der FPÖ wandte sich am Freitag in einer Aussendung gegen die Vorratsdatenspeicherung. Die Überwachung des Systems selbst sei nicht gewährleistet und die "totale Kontrolle der Menschen durch staatliche Organisationen nicht wünschenswert". Außerdem kritisierte Deimek, dass die Kunden der Provider letztlich die Kosten für das Überwachungsprojekt tragen müssten.

BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler bezeichnete in einer Aussendung vom Freitag die Regierungspläne zur Vorratsdatenspeicherung als "Überwachungsphantasien" und "Anschlag auf die Bürgerrechte": "Während Kriminelle in Österreich mittlerweile fast Narrenfreiheit haben und die Aufklärungsrate bei lächerlichen 30 Prozent in Wien herumdümpelt, kümmern sich die EU und die Bundesregierung lieber darum, die über acht Millionen österreichischen Bürger zu überwachen und zu bespitzeln."

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(futurezone/Günter Hack)