Ideen gegen den Hightech-Frust
Mobiltelefone, Digitalkameras, TV-Geräte und Software: Hersteller schaffen es nicht immer, benutzerfreundliche Geräte zu entwickeln. Die Frage der Benutzbarkeit wird nicht selten zugunsten einer raschen Markteinführung hintangestellt. ORF.at sprach mit drei Usability-Experten über frustrierende Erlebnisse mit Technikgeräten - und was Hersteller und Nutzer dagegen tun können.
Fast jeder hat es schon einmal selbst erlebt: Man hat sich ein neues Elektronikprodukt zugelegt, doch beim ersten Knopfdruck rührt sich nichts. Frustriert legt man das Gerät erst einmal weg und nimmt stattdessen die mitgelieferte Bedienungsanleitung in die Hand.
Dass dabei nicht immer die eigene Unfähigkeit für das Versagen verantwortlich ist, sondern oftmals das Gerät vom Hersteller unzureichend auf dessen Gebrauchstauglichkeit (im Branchenjargon: Usability) geprüft wurde, wird oftmals übersehen. Darüber möchte eine Gruppe von Wiener Usability-Experten anlässlich des Internationalen Tages für Benutzerfreundlichkeit die Konsumenten und Hersteller aufklären - und damit dem Frust entgegenwirken.
Preis für nervige Geräte
Der World Usability Day findet seit 2005 jedes Jahr am zweiten Donnerstag im November statt. Heuer wird er in mehr als 40 Ländern mit rund 200 Veranstaltungen gefeiert. Zum Ausklang des World Usability Day wird im Wiener WerkzeugH der Frustikus für "besonders nervige Geräte" vergeben, die zwar prinzipiell funktionieren, aber schlecht zu bedienen sind.
~ Link: "Technik muss beherrschbar sein" (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=1631477v2) ~
~ Link: Preis für nervende Software und Websites (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=1629943v2) ~
DVD-Rekorder, TV-Geräte am häufigsten betroffen
"Besonders häufig passieren diese Dinge im Home-Entertainment-Bereich. Der Videorekorder, bei dem man nicht einmal die Uhrzeit einstellen kann, war früher etwa das klassische Beispiel", so Max Scheugl, User-Experience-Berater in Wien beim ORF.at-Gespräch. "Heute sind es die DVD-Rekorder mit Festplatte und auch SAT-Receiver und hochwertige HD-Fernsehgeräte", fügt er hinzu. Als Beispiel nennt er ein HD-Markengerät, welches im Menü auf dem Bildschirm die Überschrift um 90 Grad nach rechts dreht, ohne dass der Benutzer sie wieder in eine lesefreundlichere Position bringen könnte.
Doch das ist bei weitem nicht das einzige Beispiel: Es folgt ein Mobiltelefon mit weißen Tasten und schwarzer Schrift, bei dem die schwarze Schrift bei Betätigung der Tasten weiß aufleuchtet. "Durch den reduzierten Kontrast wird das Gerät unbenutzbar. Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie man so ein Produkt auf den Markt bringen kann", so Scheugl.
"Unternehmen sparen am falschen Fleck"
"Hier sparen die Unternehmen am falschen Fleck. Man müsste Methoden zur Prüfung von Benutzbarkeit einsetzen, dann wären nicht so viele schlechte Produkte auf dem Markt", so Sandra Murth, Expertin für Usability von Produkten. Laut Scheugl legen Hersteller sehr oft einen großen Wert darauf, sich als Erster mit einem Produkt auf dem Markt zu platzieren und investieren stattdessen zu wenig Zeit in die Konzeption.
Manchmal würde es sich aber auszahlen, mehr Zeit investiert zu haben. Als Beispiel führt Scheugl das iPhone an: "Es war nicht das erste Smartphone auf dem Markt, aber trotzdem ist es eines der erfolgreichsten. 'Time to Market' ist nicht immer das wichtigste Kriterium."
Frustrierende Kundenerfahrungen
Das nächste Beispiel, welches die Experten für Benutzbarkeit anführen, ist eine Digitalkamera, bei der die Knöpfe am Gerät so angeordnet sind, dass sich das Rad mit den verschiedenen Programmen zu leicht von selbst verstellt. Zudem ist der Knopf zum Ein- und Ausschalten des Geräts direkt neben dem Auslöser zum Knipsen angeordnet. "Dort habe ich aber meinen Finger, wenn ich fotografieren will. Das ist frustrierend, und man denkt sich automatisch, dass man zu dumm ist, die Kamera zu bedienen", so Murth.
Kaum einer bringt das Gerät in einem solchen Fall jedoch in das Geschäft zurück, in dem er es gekauft hat. "Ja, das geschieht viel zu selten, und man sucht die Schuld stattdessen bei sich selbst", so Scheugl. "Wenn jeder sein Gerät zurückbringen würde, wenn es unbenutzbar ist, würden die Hersteller vielleicht mehr darüber nachdenken, bevor sie derartige Produkte in den Handel bringen", fügt Murth hinzu.
Selbst denkbar einfache Geräte, wie etwa ein batteriebetriebenes Fahrradlicht, welches nur über einen einzigen Druckknopf zum Ein- und Ausschalten verfügt, können kompliziert sein: Nur durch Lesen der Gebrauchsanleitung lässt sich herausfinden, dass der Knopf eine Sekunde lang betätigt werden muss, bis sich das Gerät endlich einschaltet. "Ich finde es demütigend, wenn ich für das Einschalten eines einzigen Knopfes zuerst ein Handbuch lesen muss", findet Scheugl.
Alexandra Oberschneider, Max Scheugl und Sandra Murth (v. l. n. r.) sind Teil der Wiener Gruppe des internationalen Berufsverbands für Benutzerfreundlichkeit.
Fachleute für Benutzerfreundlichkeit und Gebrauchstauglichkeit arbeiten mit Produktentwicklern zusammen und bringen dabei Erkenntnisse aus Gestaltung, Psychologie und Informatik zusammen.
Der Usability-Stammtisch der Regionalgruppe Wien trifft sich jeden 2. Dienstag im Monat.
"Bei inkompetenter Beratung Geschäft wechseln"
Man solle sich daher schon vor dem Kauf über die Benutzerfreundlichkeit von Produkten informieren, sind sich die Experten einig. Ob das via Internet über diverse Foreneinträge und Testberichte von Experten geschehe oder durch das Ausprobieren von Geräten im eigenen Freundeskreis, bleibt jedem selbst überlassen.
Im Geschäft selbst kommt es oftmals auf die Qualität des Verkäufers an. "Bei einer inkompetenten Beratung soll man in ein anderes Fachgeschäft weiterschauen und erneut nachfragen", empfiehlt Alexandra Oberschneider, Usablity-Beraterin in Wien. "Es hilft auch oft, sich zuerst zu überlegen, was man mit dem Gerät genau machen will. Die Geräte können meist sehr viel, nur die Bedürfnisse sind oft weit nicht so vielseitig wie das Angebot", rät Scheugl.
Den Herstellern von Produkten empfehlen die Wiener Experten für Usability, sich auch externe Entwickler zu leisten. "Man wird betriebsblind, wenn man etwas selbst designt und geplant hat. Ich kann die Funktionen nicht bewusst vergessen und mich noch einmal in die Situation des Nutzers begeben. Insofern ist es sicher hilfreich, wenn man sich externe Berater dazuholt, die den Kundenblick haben."
Software immer weniger betroffen
Im Software-Bereich hingegen habe die Benutzerfreundlichkeit in den letzten Jahren stark zugenommen. Dort gebe es auch Styleguides, also Richtlinien, die den Entwicklern von Benutzeroberflächen helfen sollen, einfach zu bedienende Software zu entwickeln. "Bei Programmen für Windows findet man beispielsweise den Druckbefehl relativ leicht, wenn die Konventionen eingehalten werden", so Scheugl. Der Nutzer sucht den Druckbefehl oder das Textfeld für die Suche zuerst an bestimmten Stellen. "Jeder Mensch hat ein Gedankenmodell, wie die Dinge funktionieren. Dieses basiert sehr häufig auf Gewohnheit", erklärt Murth.
So sei etwa für die Benutzer von früheren Office-Versionen der Umstieg auf Office 2007 ein Gräuel gewesen, erklärt Scheugl. "Wenn man ein Produkt bereits kennt und gewohnt ist, findet man es schrecklich, alles neu lernen zu müssen." Für neue Benutzer sei Office 2007 aber eine Verbesserung gewesen, da es logischer strukturiert sei, übersichtlicher und sämtliche Gestaltungsrichtlinien berücksichtigt wurden, so Scheugl. "Es ist das erste benutzbare Produkt, das ich von Microsoft kenne."
"Wilder Westen im Web"
Im Web jedoch sei das nach wie vor etwas anders, so Scheugl. "Da gibt es noch nicht so viele Konventionen, es herrscht noch eher der Wilde Westen, und jeder macht eine Funktion dorthin, wo er sie gerade für richtig hält." Doch auch hier gibt es Richtlinien, wie etwa "Fitt's Law", nach dem die Dauer der Anvisierung eines Klickziels mit der Maus von der Größe und Entfernung des Zielobjektes abhängt.
Im Idealfall arbeiten an einem Produkt, sei es Software, Hardware oder eine Website, immer mehrere Personen, dadurch werde eine gute Bedienbarkeit automatisch erhöht, so Scheugl. Teamarbeit reduziert also die Betriebsblindheit. Das würde im Endeffekt allen zugutekommen: Den Herstellern einerseits, weil sich ihre Produkte besser verkaufen würden, den Konsumenten andererseits, weil sie bei der Benutzung weniger oft fluchen müssten.
(futurezone/Barbara Wimmer)