Drupal: Publizieren wie Barack Obama
Zwischen einfacheren Content-Management-Systemen (CMS) wie WordPress und Joomla und großen, Enterprise-tauglichen Open-Source-Projekten wie TYPO3 klafft eine Lücke. Mit intelligenten Konzepten will das System Drupal diese ausfüllen. Auch das Weiße Haus hat seine Website auf das System umgestellt. In Wien diskutieren Entwickler auf dem Drupal-Camp die Einsatzmöglichkeiten des freien CMS.
Nicht erst seit Drupal die Ausschreibung für den Relaunch der Website des Weißen Hauses gewonnen hat, steigt der Beliebtheitsgrad des Open-Source-Systems stetig. Der Einsatzbereich von Drupal liegt zwischen Open-Source-Tools wie Joomla (ehemals: Mambo), WordPress und Movable Type, die hauptsächlich für Blogs und ähnlich strukturierte Websites verwendet werden, und großen Systemen wie vor allem TYPO3, das eher für umfangreiche Enterprise-Sites verwendet wird.
"Community Plumbing"
Erstere sind meist stark auf ihren Anwendungszweck als Blog-Werkzeuge festgelegt und können darüber hinaus wenig erweitert werden. Letztere sind komplex, benötigen hohen Entwicklungsaufwand, verlangen teilweise sogar das Erlernen von Metasprachen wie TypoScript bei TYPO3 und erfordern auch von den Backend-Usern oft eine hohe Bereitschaft zur langwierigen Einarbeitung.
Drupal genießt noch keinen so hohen Bekanntheitsgrad wie die genannten Systeme, weil es eher aus dem Bereich des "Community Buidling" kommt und einen sehr starken Schwerpunkt auf Multi-User-Umgebungen legt. Ursprünglich als "Community Plumbing Tool", als Werkzeug zur Vernetzung von Online-Gemeinschaftsprojekten wie für die Zusammenarbeit an Büchern oder anderen Dokumenten entworfen, haben der niederländische Gründer Dries Buytaert und die ständig wachsende Entwicklergemeinde Drupal immer mehr zu einem universell einsetzbaren CMS erweitert, das mittlerweile durch die zahllosen Zusatzmodule praktisch keine Wünsche mehr offen lässt.
Inhalt geht vor Framework
Drupal gilt unter Web-Entwicklern als sauber aufgebautes Framework mit einem klar abgegrenzten Kern und optionalen Kernfeatures, die ein konsistentes Basissystem bilden, mit dem man schnell und einfach loslegen kann. Die Zusatzfeatures (Blog-Funktionen, Statistik, Suche, Mehrsprachigkeit usw.) können von den Entwicklern selektiv eingesetzt und auf Wunsch auch abgeschaltet werden, wenn sie nicht gebraucht werden. Da Inhalt und Oberflächengestaltung klar getrennt sind, finden sich Gestalter sehr schnell zurecht, auch dank der gut geordneten CSS-Struktur.
Kernunterschied zwischen Drupal und anderen Systemen ist die Funktionsweise auf Basis von "Nodes" (Knoten). Drupal kann bei den Einheiten, mit denen der Inhalt strukturiert wird, zwar auch mit einfachen Seiten arbeiten, es gibt aber viel mehr solcher Inhaltstypen, die man selbst erstellen kann und durch die man die Möglichkeit hat, mit einer Website z. B. ein Unternehmen und dessen Strukturen präziser abzubilden als mit einheitlichen Vorlagen für Seitenlayouts.
Clevere Knoten
Ein solcher Node kann beispielsweise ein Bild, ein Kalenderdatum, ein User mit seinem Profil, ein Blog-Eintrag, ein Video, eine Projekt- oder Produktbeschreibung oder ein Google-Maps-Insert sein, aber natürlich auch eine einfache Seite mit Überschrift und Text. Besonders interessant ist die semantische Handhabbarkeit des Inhalts mit Kategorien (Taxonomie), in der ein Entwickler mit frei zu vergebenden Tags oder mit Kategoriebäumen arbeiten kann. Damit kann man Websites schaffen, deren Menüs und Seitenstruktur sich automatisch aus dem Inhalt aufbauen.
Im sauberen Aufbau und den klaren internen Schnittstellen liegt auch die Sicherheit des Systems begründet, das Crackern wesentlich größeren Widerstand bietet als andere Systeme. Dieses Argument wird sicher auch die IT-Verantwortlichen des Weißen Hauses bewogen haben, sich für Drupal zu entscheiden. Diese Website gehört zweifellos zu den weltweit beliebtesten Angriffszielen im Netz, und die Drupal-Gemeinde ist sehr gespannt, wie sich "ihr" CMS dort bewähren wird.
System skaliert mit
Drupal läuft in einfachen Konfigurationen auf kleinen Shared Webspaces, braucht dort wenig Platz und nicht einmal eine MySQL-Datenbank für sich allein. Will man z.B. mit Drupal lediglich ein Blog betreiben, was ohne weiteres möglich ist, schiesst man aber mit Kanonen auf Spatzen. Da ist Wordpress einfacher und leichter zu bedienen. Bei Drupal muss man für einen solchen Zweck eher Features abdrehen, auch aus Performancegründen, denn Drupal wird mit zunehmender Ausstattung und Erweiterung durch Zusatzmodule dann doch ziemlich ressourcenhungrig. Hier kann bereits bei durchaus noch "gewöhnlichen" Websites auf günstigen Hosting Accounts vor allem der zugeteilte Arbeitsspeicher knapp werden. Hat man allerdings beim Web-Hosting größere Hardware- und Anbindungsressourcen, kann das gleiche System große, vielsprachige und stark frequentierte Websites antreiben, wie es das bereits bei einigen UNO-Unterorganisationen tut.
Zwei fast immer standardmäßig verwendete Zusatzmodule bieten massive Erweiterungsmöglichkeiten. Das "Content Construction Kit" erlaubt die Erstellung von beliebigen (Datenbank-)Feldern (Bilder, Text, Zahlen, Daten, Video, Audio, User und vieles mehr) und deren Kombination in eigenen Inhaltstypen. Als optimale Ergänzung wird oft das Modul "Views" verwendet, das es ohne Kenntnisse der Datenbanksprache SQL erlaubt, Abfragen, Sortierungen, Filter, Bedingungen und Abhängigkeiten in der Datenbank zu konstruieren. Beide Module bieten Möglichkeiten, die sonst nur erfahrenen Programmierern zur Verfügung stehen. Fortgeschrittenen Entwicklern bieten sich viele Eingriffsmöglichkeiten mittels PHP und MySQL, wodurch sie zusätzlich die Eigenentwicklung von Modulen angehen können. Gelegentlich neigt die Datenbank zu Instabilitäten, die aber in der Regel nur während der Entwicklungsarbeit auftauchen. Hier sei empfohlen, regelmäßig mit einem Backup-Modul Rückkehrpunkte zur letzten lauffähigen Entwicklungsstufe zu erstellen.
Design: Theming
Die verschiedenen Designvorlagen für Drupal werden "Themes" genannt. Um die Themes zu gestalten, brauchen Designer vor allem CSS-Kenntnisse, müssen sich aber über das technische Innenleben der Website kaum Gedanken machen.
Die Teilnahme am Drupal Camp Vienna erfordert lediglich eine kostenlose Registrierung, die noch bis zum 16. November offen ist. Als Sponsoren sind unter anderen zwei TU-Institute und die Wiener Wirtschaftskammer mit ihrer Abteilung UBIT (Unternehmensberatung und Informationstechnologie) vertreten.
Drupal Camp Vienna 2009
Wer mehr über das Open-Source-CMS in Erfahrung bringen möchte, hat bald eine gute Gelegenheit dazu. Neben jährlichen Konferenzen, wie zuletzt im Sommer 2009 die "DrupalCon" in Paris, gibt es nun erstmals ein Drupal-Camp in Wien, zu dem die österreichische User-Group am 27. und 28. November in die TU Wien einlädt.
An den zwei Tagen werden in vier Tracks ("Development & Science", "Show Cases & Business", "Frontend, Design & Usability", "Community & Open Discussion") zahlreiche Sessions abgehalten, zu denen sich Speaker aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, aber auch aus anderen Ländern Europas angesagt haben, darunter der deutsche Fachbuchautor und Trainer Hagen Graf, der Drupal durch seine Bücher und Tutorial-DVDs einem breiteren Publikum nähergebracht hat. Drei Wiener Entwickler berichten in einer Fallstudie vom Umzug der OSZE-Website von einem hauseigenen CMS zu Drupal.
Zwischen Anwendung, Design und Entwicklung bewegen sich die Themen die einzelnen Vorträge. Es werden ebenso technische wie nichttechnische, rein nutzerorientierte Themen geboten. Eine ganze Reihe von Sessions wendet sich ausdrücklich an Neulinge, die Drupal nicht oder kaum kennen.
Link:
(Thomas Bredenfeld)