© ORF.at/Günter Hack, Benutzeroberfläche eines Kopiergeräts

Bücher im Netz: "Piraterie lässt sich managen"

BUCH 2.0
13.11.2009

Experten entwickeln in Südafrika ein neues dezentrales Publishing-Modell, das nicht-lizenziertes Anfertigen von Kopien unattraktiv machen will: Lokale Copyshops sollen über das Internet vernetzt und zu Print-on-Demand-Druckereien werden. Die Verlage wollen die Macher der Initiative Paperight dadurch gewinnen, dass sich diese Kosten für Druck und Vertrieb sparen.

Der Kopierladen um die Ecke ist ein unbedingtes Muss an allen Hochschulstandorten. Verlagen sind diese Copyshops bereits seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Ist doch das Vervielfältigen für den Unterrichtsgebrauch im Urheberrecht in vielen Ländern nicht privilegiert. Das heißt: Es geht nur, wenn die Rechteinhaber einverstanden sind, also die Verlage. Und in den seltenen Fällen, in denen sich ein Autor noch Rechte vorbehalten hat, auch der Autor.

In Österreich wird das weniger restriktiv gehandhabt als beispielsweise in Deutschland. Dort gibt es lediglich Einschränkungen bei Kopien auf digitalen Datenträgern. Diese sind nur für die nicht-kommerzielle Nutzung erlaubt. Weiterbildungsangebote in Unternehmen müssen sich daher bei der kostenlosen Nutzung auf Papier beschränken.

Lehrbuch aus dem Copyshop

Das ist nicht nur in unseren Breitengraden so, sondern auch in Entwicklungsländern. Dort aber wiegt die Einwilligung der Verlage ungleich schwerer. Zwar kostet ein handelsübliches Lehrbuch dort ebenfalls rund 50 US-Dollar, doch das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist wesentlich niedriger. Während ein südafrikanischer Haushalt immerhin noch im Schnitt 225 US-Dollar im Monat an Einkommen vorzuweisen hat, sind es in Nigeria nur 28 US-Dollar.

Wie lässt sich die Versorgung mit dringend benötigten Lehrbüchern also verbessern? Der südafrikanische E-Book-Experte Arthur Attwell setzte sich mit dieser kniffligen Aufgabe auseinander und entwickelte dabei mit Paperight ein dezentrales Publishing-Modell, das nicht nur für Südafrika interessant sein könnte: "Anstatt gedruckte Bücher und E-Books zu kaufen, erwirbt man das Recht, eine Buchkopie selbst auszudrucken", erklärt Attwell das Konzept.

Geschäftsmodell gegen Medienpiraterie

Er wandelt damit lokale Copyshops in dezentrale Print-on-Demand-Shops um. Studenten können ihre Lehrbücher in einem Kopierladen ihrer Wahl drucken lassen, wobei über die Online-Plattform Paperight.com die Rechte an den Texten mit den Verlagen bereits abgeklärt sind. Sie entscheiden auch, wie viele Kapitel sie von einem Buch ausdrucken möchten. Doch es geht nicht nur um Bücher, sondern auch um Fachartikel, Poster, Flyer, Handbücher, Faltblätter, Magazine, Comics und andere Drucksachen.

Der Kopiershop stellt damit also eine lizenzrechtlich abgeklärte Papierkopie her, druckt also quasi ein "Original". Teile der Einnahmen fließen an den jeweiligen Verlag zurück. Attwell: "Piraterie lässt sich managen. Es ist nur eine Frage des Geschäftsmodells." Vielerorts gäbe es einfach keine Alternative zur Piraterie, da einfach nicht genügend Bücher vorhanden seien - völlig unabhängig vom Preis. Attwell sieht den Vorteil von Paperight darin, dass es "einfacher, schneller und auf legale Weise zu einem vernünftigen Preis" das zur Verfügung stellt, was bisher nur über die unlizenzierten Kopien vorhanden war.

Abrechnung übers Mobiltelefon

Attwell will Kopien anbieten, die um mindestens 25 Prozent billiger sind als die Druckausgaben. Dabei will er den Verlegern dennoch ihren üblichen Anteil zukommen lassen. Attwell zeigt sich angesichts der positiven Reaktionen der Verleger auf sein Konzept überrascht. Er glaubt, "dass jeder Verleger, der sich mit der digitaler Verbreitung befasst, den Mehrwert erkennt, der entsteht, wenn die Druck- und Lieferkosten aus ihrer Lieferkette herausgenommen werden. Ein weiterer Mehrwert besteht darin, dass sie damit neue Märkte erreichen können, die sie im Moment nicht über Printbücher und E-Books abdecken können." Attwell denkt derzeit darüber nach, die Abrechnung für die elektronischen Bücher über ein mobiles Payment-System zu ermöglichen, das im südlichen Afrika verbreitet ist.

Ein erster Copyshop-Pilot startet bereits in diesem Jahr in Kapstadt, richtig losgehen soll es Anfang 2010. Dabei wird Paperight von Anfang an weltweit zur Verfügung stehen, auch wenn Teile des Katalogs aufgrund von Territorialrechten nur in bestimmten Gegenden verwendbar sein werden. Dabei klärt Paperight nicht nur Lizenzrechte für kostenpflichtige Druckwerke ab, es stellt auch kostenlose Inhalte über seine Plattform zur Verfügung. Attwell will unter anderem die Schnittstellen von Google Books verwenden, um Inhalte ausfindig zu machen und Rechte zu klären.

Integration von Creative Commons

Paperight-Inhalte sollen unter anderem auch über die Creative-Commons-Lizenzen gekennzeichnet werden. Damit können Nutzer auch gezielt nach kostenlosen Werken suchen. Attwell will auch eine Kopiergenehmigung der Autoren für Paperight einholen, die ihre Werke mit einer nicht-kommerziellen Creative-Commons-Lizenz ausgezeichnet haben.

Paperight sieht sich als "Sozialunternehmen" bzw. "Social Enterprise". Da stellt sich die Frage, ob Attwells Projekt gemeinnützig ist. "Nein", sagt Attwell, "Paperight versteht sich als Unternehmen. Es misst seinen Erfolg auf dreifache Weise: finanziell, sozial und ökologisch. Das heißt, dass wir nicht nur finanziell profitabel sein wollen, sondern auch eine soziale Wirkung in Form eines verbesserten Informationszugangs erzielen wollen. Außerdem wollen wir einen ökologischen Effekt erzielen, in dem wir die CO2-Produktion verringern, die beim Transport von gedruckten Büchern entsteht."

Werbung und Kooperationen

Paperight erhält eine Art Verkaufsprovision, doch es wird auch kostenpflichtige Zusatzelemente speziell für Unternehmen und Institutionen wie etwa Fernuniversitäten entwickeln, die für die interne und externe Verbreitung von Inhalten die Plattformen nutzen möchten. Unternehmen sollen außerdem über Anzeigen, die auf den Buchrand aufgedruckt werden können, werben können. Auf diese Weise sollen die Druckkosten für die Verbraucher reduziert werden.

Die Anschubfinanzierung erhält Paperight von Publishing using Alternative Licensing Models (PALM), einem afrikanischen Projekt, das die Nutzung alternativer Lizenzmodelle im Verlagswesen fördert. Die Zeichen dafür, dass Paperight nicht lange ein rein afrikanisches Projekt bleiben wird, stehen gut. Auf der Tagung Tools of Change for Publishing in Frankfurt stieß Attwells Projekt kürzlich auf reges Interesse seitens der Verleger. Dennoch zeigt sich Attwell zurückhaltend: "Wir werden den Dienst in Europa zunächst nicht aktiv promoten, da wir uns erst einmal die Universitäten in den Entwicklungsländern gewinnen wollen."

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(Christiane Schulzki-Haddouti)