Großbritannien bringt Netzsperren auf den Weg
Die britische Regierung hat einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der drakonische Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen vorsieht und dem britischen Wirtschaftsminister weitreichende Vollmachten bei der Bekämpfung von Copyright-Verstößen einräumt.
Im britischen Wirtschaftsministerium wurde am Freitagvormittag der bereits im Vorfeld heftig diskutierte Digital Economy Bill präsentiert, der auch drastische Maßnahmen zur Bekämpfung von Copyright-Verletzungen im Internet beinhaltet.
Laut dem Entwurf sollen die britischen Internet-Anbieter verpflichtet werden, Warnbriefe an Nutzer zu schreiben, die der Urheberrechtsverletzung verdächtigt werden und die Anzahl der Schreiben zu protokollieren. Die Internet-Anbieter müssen den Rechteinhabern diese Daten zur Verfügung stellen, damit diese mit Hilfe eines Gerichts Name und Adresse der verdächtigten Personen ausfindig machen können.
Drakonische Geldstrafen
Die Rechteinhaber können dann ein Zivilverfahren gegen die mutmaßlichen Urheberrechtsverletzer einleiten. Die Höchststrafe wird in dem Gesetzesentwurf mit bis zu 50.000 Pfund (55.500 Euro) festgelegt.
Auch Netzsperren geplant
Der Gesetzesentwurf sieht auch technische Maßnahmen wie etwa die Drosselung der Internet-Verbindung und temporäre Netzsperren vor.
Netzsperren sollen dann zur Anwendung kommen, wenn sich die Warnbriefe als nicht zielführend erweisen. Dies sei dann der Fall, wenn der unautorisierte Tausch von Inhalten innerhalb eines Jahers nicht um mindestens 70 Prozent zurückgehe, hieß es.
Überprüft werden soll das durch die britische Regulierungsbehörde Ofcom, die gegebenenfalls auch das britische Wirtschaftsministerium bei der Umsetzung der "technischen Maßnahmen" beraten soll. Die Ofcom soll schließlich auch die Internet-Anbieter anweisen können, die Netzsperren durchzuführen.
Weitreichende Vollmachten für Regierung
Für Aufregung sorgte ein vom britischen Wirtschaftsminister Peter Mandelson (Labour) kurzfristig eingefügter Passus, der dem britischen Wirtschaftsminister das Recht einräumen soll, künftig das zentrale britische Copyright-Gesetz, den Copyright, Designs and Patents Act (CDPA), nach Belieben und fast ohne parlamentarische Kontrolle zu ändern, um Rechteinhabern vor Copyright-Verletzungen zu schützen.
So soll es dem britischen Wirtschaftsminister künftig erlaubt sein, neue Rechtsmittel gegen Copyright-Verletzungen einzuführen. Er soll dem Antrag zufolge auch Rechte zur Verfolgung von Copyright-Verstößen übertragen können - etwa an die Musik- und Filmindustrie.
Die weitreichenden Befugnisse für den britischen Wirtschaftsminister sollen dazu dienen, rasch auf technologische Änderungen reagieren zu können, die durch das britische Copyright-Gesetz nicht abgedeckt seien, so ein Regierungssprecher. Kritiker sprachen hingegen von einer Privatisierung des Urheberrechts. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) rief zum Widerstand gegen diese Maßnahmen auf.
Regulierung von Online-Speichern
Die Pläne zielen nach Meinung der EFF offenbar auch darauf ab, Online-Speicherdienste zu regulieren. In einem Schreiben an die Vorsitzende des britischen Unterhauses, Hariet Harman, wies der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson (Labour) im Vorfeld der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes explizit darauf hin, dass solche Dienste laut Rechteinhabern auch zum unautorisierten Tausch von Inhalten genutzt würden.
Würden Mandelsons Vorschläge vom britischen Parlament angenommen, könnten diese "Cyberlocker" ohne parlamentarische Kontrolle vom britischen Wirtschaftsminister, zu Tode reguliert werden, warnte die EFF.