© APA/Herbert Pfarrhofer, Handy, Mobiltelefon

Data-Retention: Regierung braucht Opposition

KONTROLLE
23.11.2009

Um die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) in Österreich umsetzen zu können, muss die Regierung Verfassungsänderungen vornehmen. Da ihr die dazu notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat fehlt, müsste sie die Zustimmung der Opposition einholen.

Die Grünen sind nach wie vor gegen die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und treten dafür ein, dass Österreich ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) riskiert.

Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte hätten mit dem entsprechenden Gesetzesentwurf "das Beste versucht", meinte der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien, "aber das Beste ist nicht gut genug: grundrechtswidrig bleibt grundrechtswidrig." Das Vorhaben verstoße insbesondere gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Gebot der Achtung der Privatsphäre.

Opposition kann blockieren

Optimistisch stimmt die Grünen jedoch die Oppositionsblockade in Zusammenhang mit der Weigerung der Regierung, ehemalige und amtierende Minister in den Spitzel-Untersuchungsausschuss zu laden: Die Vorratsdatenspeicherung beinhaltet teilweise Verfassungsbestimmungen, die eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung mindestens einer Oppositionspartei benötigen.

Die Bestimmungen betreffen die Artikel 98 und 99 im Gesetzesvorschlag, die den Zugriff auf Handystandortdaten und Verkehrsdaten regeln. Ohne diese Bestimmungen sei es nicht möglich, die Vorgaben der EU umzusetzen, so Gabriela Moser, Infrastruktursprecherin der Grünen im Nationalrat.

Abgesehen davon, dass auch BZÖ und FPÖ grundsätzlich gegen die Vorratsdatenspeicherung sind, hat die Opposition vergangene Woche einen Pakt geschlossen, zumindest bis Ende März keinen Verfassungsmaterien zuzustimmen. Auf Anfrage von ORF.at sagte FPÖ-Sprecher Karl Heinz Grünsteidl am Montag, dass seine Partei grundsätzlich gegen die Data-Retention sei. Auch das BZÖ hat sich bereits mehrfach gegen das Vorhaben ausgesprochen.

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Erinnerung an SPG-Novelle

Die EG-Richtlinie aus dem Jahr 2006, die Österreich nun umsetzen will, sieht eine Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat, also ohne konkreten Verdacht, vor. Im Wesentlichen soll sechs Monate lang gespeichert werden, wer, mit wem, wann, wie lange, von wo aus und über welchen Dienst (E-Mail, SMS, Mobil- und Festnetztelefonie, Internet-Telefonie, Internet) kommuniziert hat.

Damit "fischt" man "mit einem engmaschigen Netz" nach den Daten der Bürger, kritisierte Moser. Große kriminelle Organisationen, auf die das Gesetz eigentlich abziele, wüssten aber genau, wie sie die Richtlinie umgehen könnten.

Bures habe sich in ihrem Gesetzesentwurf zwar "im Großen und Ganzen" an die Empfehlungen des Ludwig-Boltzmann-Institutes gehalten, meinte Moser. Die Grünen befürchten allerdings, dass es nicht bei dieser "Minimalvariante" bleiben wird: Der Entwurf sei offensichtlich nicht mit Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner akkordiert, so Steinhauser. Die ÖVP könnte den Entwurf im Nationalrat in letzter Minute "überfallsartig" verschärfen, vermutet der grüne Abgeordnete.

Steinhauser erinnerte an die Vorgehensweise der Regierungsparteien bei der Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) 2007, bei der SPÖ und ÖVP in letzter Sekunde einen Abänderungsantrag eingebracht haben, mit dem der Polizei weitgehender Zugriff auf Handystandort- und IP-Daten ohne richterliche Kontrolle erlaubt worden war.

In dem derzeit öffentlichen Gesetzesentwurf fehlten noch wichtige Schnittstellen zu Sicherheitspolizeigesetz und Strafprozessordnung. Beispielsweise sei nicht festgelegt, was als "schwere Straftat" gelte. Die ÖVP sei dafür, diese Grenze so niedrig wie möglich anzusetzen, also bei Straftaten, die mit einem Jahr Gefängnis geahndet werden können oder höher.

Regierung fehlt Verfassungsmehrheit

Nichtsdestotrotz sind die Grünen aber grundsätzlich gegen das "zwangsweise Persönlichkeitsröntgen" der Bürger. Neben enormen Kosten für die Provider und die Steuerzahler handle es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um einen Eingriff in die Privatsphäre und eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz. Weiters bestehe auch Missbrauchsgefahr, betonte Steinhauser.

Österreich solle die Richtlinie deshalb nicht umsetzen und es auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission vor dem EuGH ankommen lassen. Der EuGH könne dann prüfen, ob die Richtlinie mit dem restlichen Recht der Union konform gehe, zu dem auch die Menschenrechtskonvention zähle. Erst wenn der EuGH zugunsten der EU entscheide, könne man den derzeitigen Entwurf diskutieren. Die Kommission hat den ersten Schritt dazu schon getan und Österreich geklagt, derzeit handelt es sich laut Steinhauser aber erst um ein Mahnverfahren.

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(APA/futurezone/Günter Hack)